IT-Fachkräfte sind Mangelware – und das seit Jahren. Laut aktuellen Bitkom-Zahlen fehlen hierzulande 137.000 IT-Experten – und damit knapp 41.000 mehr als im Vorjahr. Im Schnitt dauert es sieben Monate, bis Unternehmen eine vakante IT-Stelle besetzen können.
IT-Fachkräfte sind rar – und werden immer teurer
Angesichts dieses erheblichen Fachkräftemangels ist nicht verwunderlich, was Devin Hayes, Leiter der Recruitment-Abteilung des IT-Outsourcing-Unternehmens K&C, beobachtet hat: Die Gehälter von Softwareentwicklern und anderen IT-Experten wie Data Engineers, DevOps-Engineers und QS-Experten seien in den vergangenen zwölf bis 18 Monaten um mehr als 30 Prozent gestiegen. Ein gewaltiger Sprung – trotz der nachlassenden weltweiten Konjunktur.
Dr. Neli Petkova von Talent Garden Coaching, einer europaweit tätigen Coaching- und Tech-Recruitment-Agentur, bestätigt diese Beobachtung. Sie stellt fest, dass IT-Experten, die früher bei einem Arbeitgeberwechsel üblicherweise eine Gehaltserhöhung von zehn bis 15 Prozent anstrebten, jetzt mehr als 20 Prozent fordern.
Gehälter steigen trotz Krise
Ihrer Erfahrung nach gab es im Technologiesektor in den vergangenen ein bis zwei Jahren mit mehr als 30 Prozent die höchsten Gehaltssteigerungen in folgenden Tätigkeitsfeldern:
- Softwareentwickler
- Projektmanager/Teamleiter
- Programm-Manager (sie sind verantwortlich für große Projekte mit mehreren Projektmanagern oder Teamleitern)
- UX-/CX-Berater
Doch wer durch einen Arbeitgeberwechsel auch eine deutliche Gehaltserhöhung anstrebt, muss nicht zwingend im Technologiesektor tätig sein. Denn auch in anderen Berufen sind die Gehälter in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen als die Inflation.
Fachleute für Personalwesen, Sachbearbeitung und Beschaffungswesen
Anna Hallmeier von der Personalberatung Amadeus Fire hat die höchsten Gehaltssteigerungen bei folgenden Stellen registriert: Personal-/HR-Fachkräfte sowie Lohnbuchhalter beziehungsweise Sachbearbeiter. In diesen Jobs lassen sich heute – je nach Berufserfahrung – jährlich 70.000 bis 80.000 Euro verdienen. Das sind 10.000 bis 15.000 Euro mehr als noch vor zwölf bis 18 Monaten.
Lohnbuchhalter sind für das Funktionieren der Unternehmen, die sie beschäftigen, von entscheidender Bedeutung. Dennoch bewerben sich immer weniger qualifizierte Fachkräfte auf ausgeschriebene Stellen. Das liegt nach Meinung von Hallmeier unter anderem auch daran, dass es sich um einen Job handelt, von dem man sich nur schwer eine längere Auszeit nehmen kann. Denn Fehlzeiten führen dazu, dass die Mitarbeitenden ihr Gehalt nicht rechtzeitig erhalten. Das bedeutet wiederum, dass diejenigen, die eine Stelle in der Lohnabrechnung suchen, hohe Gehälter einfordern können.
Ein weiterer Bereich, der laut Hallmeier am stärksten von Gehaltssteigerungen betroffen ist, sind Fachleute für das Beschaffungswesen, da auch dort ein starker Fachkräftemangel herrscht.
Assistenten der Geschäftsleitung und Sekretariatskräfte
Loyale, engagierte und effiziente Assistenten oder Sekretäre können jahrzehntelang die rechte Hand einer Führungskraft auf C-Level-Ebene sein. Folglich ist der Verlust der Assistentin oder des Assistenten sowie ihrer oder seiner intimen Kenntnis der beruflichen Bedürfnisse, Prioritäten und persönlichen Eigenheiten für Manager äußerst bedauerlich.
Constanze Wiedermann, Gründerin und Geschäftsführerin von Südpool Personalkonzepte, hat sich auf das Coaching und die Rekrutierung genau solcher Assistenten oder Sekretäre spezialisiert, mit denen C-Level-Manager arbeiten. Da Spitzenmanager der passenden Besetzung ihrer Assistenzstelle eine große Bedeutung beimessen, sind sie bereit, hochkarätigen Bewerbern viel Geld zu zahlen.
Laut Wiedermann können erfahrene Assistenten der Geschäftsleitung heute beim bestehenden Arbeitgeber leicht eine Gehaltserhöhung von 20 Prozent einfordern; bei einem Stellenwechsel sind sogar bis zu 40 Prozent möglich. Diejenigen, die früher etwa 50.000 Euro verdient haben, können heute 70.000 Euro verlangen – wobei gar Gehälter von bis zu 120.000 Euro möglich sind.
Im Vertrieb sind Gehaltssteigerungen branchenabhängig
Yves Kathirithamby, Geschäftsführer von Southa Partners, ist Experte für Positionen im Vertrieb. Seine Bilanz fällt gemischt aus. Die Einstiegsgehälter sind im vergangenen Jahr um bis zu 20 Prozent gestiegen. Denn da die Gehälter für Berufsanfänger relativ niedrig sind und nur durch Provisionen aufgestockt werden können, sind sie sehr anfällig für hohe Inflationsraten.
Führungskräfte im Vertrieb mit Berufserfahrung im Technologiesektor konnten bei einem Stellenwechsel immerhin 10.000 bis 20.000 Euro mehr Grundgehalt vor Provision verlangen.
In anderen Sektoren haben leitende Vertriebsmitarbeiter allerdings weniger Erfolg. Hier stagnierte das Gehalt im vergangenen Jahr, zumal auch ein Jobwechsel keineswegs immer eine Garantie für eine Gehaltssteigerung war. In der Fertigungsindustrie – einschließlich der Automobilindustrie – ist der Gehaltsanstieg für Vertriebsmitarbeiter am geringsten ausgefallen, so Kathirithamby.
Neuer Arbeitgeber = mehr Geld?
Alle Personalverantwortlichen und -berater sind sich in einem Punkt einig: Arbeitnehmertreue zahlt sich nicht immer aus. Sie haben beobachtet, dass die größten Gehaltserhöhungen von denjenigen erzielt wurden, deren Fähigkeiten und Erfahrungen bei einem Stellenwechsel am meisten gefragt sind.
Aber: Arbeitgeber werden sich zunehmend bewusst, dass es sie insgesamt mehr kostet, qualifizierte und erfahrene Fachkräfte zu ersetzen, die wegen besserer Angebote abwandern, als sie mit einem deutlich höheren Gehalt zu halten. Entsprechend ist nicht mehr zwangsläufig ein Arbeitsplatzwechsel nötig, um am Monatsende mehr Geld auf dem Konto zu haben.