Ein Meeting folgt aufs nächste, weil ein wichtiges Ersatzteil nicht geliefert werden kann, droht die Produktion stillzustehen, das Angebot für einen großen Kunden ist überfällig, und das Projektteam für Künstliche Intelligenz im Unternehmen wartet dringend auf eine Entscheidung. Stress, Krisen, Zeitdruck – viele Unternehmerinnen, Unternehmer und Führungskräfte kennen solche Szenarien. Häufig meistern sie diese souverän.
Doch was, wenn der Adrenalinpegel regelmäßig am Anschlag ist? Dann leiden Wohlbefinden und Belastbarkeit der Führungsperson – und oft auch der Belegschaft. „Der Job ist nach wie vor die häufigste Stressquelle. In den vergangenen Jahren haben Stress und psychische Erkrankungen stetig zugenommen“, sagt Dr. David Surges, Psychologe und Experte für psychosoziale Gesundheit bei Die Techniker.
Psychische Erkrankungen nehmen zu
Unternehmen und Volkswirtschaft spüren die gravierenden Folgen. Denn psychische Erkrankungen sind die zweithäufigste Ursache für Krankschreibungen. 2023 fielen die 5,7 Millionen erwerbstätigen Versicherten der Techniker statistisch gesehen durchschnittlich 3,6 Tage aufgrund von psychischen Problemen aus. Vor der Coronapandemie waren es nur 2,9 Tage.
Stress betrifft nicht nur Menschen in Managementpositionen, doch sie tragen eine besondere Verantwortung. „Führungspersonen spielen eine zentrale Rolle, wenn es um eine nachhaltige Förderung der mentalen Gesundheit im Unternehmen geht. Sie agieren als Vorbilder und prägen durch einen authentischen, an den Mitarbeitenden orientierten Führungsstil die Kultur im Unternehmen“, sagt Surges.
Achtsamkeitstechniken erlernen
Genau hier setzt auch Céleste Kleinjans an. Sie hat mit ihrem Start-up Mindzeit die gleichnamige App für Achtsamkeitstraining entwickelt (siehe auch Interview unten). Und sie coacht Führungspersonen dabei, Achtsamkeit in ihren (Arbeits-)Alltag zu integrieren. „In unserer heutigen Welt, in der unser Geist ständig Reize und eine Flut von Informationen verarbeiten muss, wird es immer wichtiger, Techniken zu erlernen, die uns helfen, uns selbst zu reflektieren und unsere Gedanken wie Emotionen zu regulieren“, weiß die studierte Philosophin und Achtsamkeitsexpertin. Und sie ergänzt: „Wenn Führungskräfte die Vorzüge und die Bedeutung von Achtsamkeit für sich verstanden haben, können sie diese Haltung auch in ihr Unternehmen tragen.“
Achtsamkeit wirkt nachweislich
Achtsamkeit hat nichts mit Esoterik zu tun. Vielmehr ist die Wirkung von beispielsweise speziellen Meditationen hinlänglich wissenschaftlich erforscht. So konnte etwa der Mediziner Tobias Esch von der Hochschule Coburg belegen, dass achtsames Meditieren den Hormonpegel im Blut beeinflussen und Stress verringern kann. Hirnforschende wiesen zudem nach, dass sich bei längerer Meditationspraxis das Gehirn positiv verändert. Beispielsweise zeigten Forschende vom Massachusetts General Hospital in Boston, dass Achtsamkeitsmeditation chronische Schmerzen lindern kann. Durch sie werden Regionen des Gehirns, in denen eine Umdeutung von Erlebtem stattfindet, weniger stark aktiviert. Die Probanden konnten Schmerzen dadurch unvoreingenommener wahrnehmen, was ihr Schmerzempfinden spürbar verringerte.
Stress reduzieren, den Fokus schärfen
Céleste Kleinjans coacht Führungskräfte, die wissen möchten, wie sie mit Achtsamkeit ihren beruflichen Erfolg und ihr Wohlbefinden steigern können. Die Expertin zeigt dabei effektive Wege auf, wie sich mit Achtsamkeit der Fokus schärfen, Stress reduzieren und sogar die Schlafqualität verbessern lässt. Solche Achtsamkeitstrainings böten eine wertvolle Ressource für alle, die ihr Potenzial voll ausschöpfen und Achtsamkeit als Schlüsselkompetenz in ihren beruflichen Alltag integrieren möchten, so Kleinjans.
Achtsamkeit als Unternehmenskultur
Mehr noch: Indem Achtsamkeit von der Führungsebene gefördert werde, könne sie zu einem integralen Bestandteil der Unternehmenskultur werden. Dies steigere nicht nur das individuelle Wohlbefinden der Mitarbeitenden, sondern könne auch zu einer verbesserten Teamdynamik, erhöhter Produktivität, Kreativität und einer generell positiveren Arbeitsatmosphäre führen.
Damit trifft das Konzept einen Nerv: Themen wie gesunde Führung und Achtsamkeit gewinnen in Unternehmen an Bedeutung. Das belegt die Studie „#what’s next – Gesund arbeiten in der hybriden Arbeitswelt“ der Techniker Krankenkasse, des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) und des „Personalmagazins“. Sie zeigt allerdings auch: Erst 38,3 Prozent der Befragten setzen Maßnahmen für gesunde Führung ein.
Unterstützung für gesunde Führung
Dabei lassen sich Strategien zur betrieblichen Gesundheitsförderung einfach umsetzen. „Die Techniker unterstützt Unternehmen auf unterschiedliche Weise dabei, die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden zu fördern. Etwa mit punktuellen Webinaren, Gesundheitstagen oder der Etablierung eines ganzheitlichen betrieblichen Gesundheitsmanagements – je nachdem, was im Unternehmen benötigt wird“, erklärt Surges. Und: „Wird die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden gefördert, kann das viele positive Effekte haben hinsichtlich ihrer Zufriedenheit, der Bindung ans Unternehmen, Produktivität und ihres Engagements“, so der Psychologe.
Davon profitieren alle im Unternehmen. Denn stressige Tage und Phasen wird es immer geben. Gut, wenn Management und Belegschaft dann die Resilienz besitzen, um damit souverän umzugehen.