Es gibt Momente, in denen muss man einfach hinschauen. Bei dem „Star“ im Werbespot der ING zum Beispiel. Der kleine, etwas rundliche Junge nimmt an einem Wettbewerb in rhythmischer Sportgymnastik teil – und zwar ohne darüber nachzudenken, was andere davon halten mögen. Er hat offenkundig Spaß an den Bewegungen. Doch dieser Auftritt erfordert auch Mut, ein gesundes Selbstbewusstsein ist vonnöten.
„Wir wollen Menschen motivieren, sich etwas zu trauen und keine Angst davor zu haben, auch mal ungewöhnliche Dinge zu tun – im Banking wie im Leben“, sagt Waltraud Niemann, Leiterin Marke und Kommunikation bei der ING in Deutschland. „Dabei geht es nicht darum, andere zu bewundern für das, was sie tun. Wichtig ist es, ganz bei sich selbst zu bleiben.“ Empowerment eben. Dabei handelt es sich um einen Ansatz aus der psychosozialen Praxis. Beim Empowerment geht es primär darum, Menschen zu motivieren, ihre Stärken zu entdecken und weiterzuentwickeln sowie selbstbestimmt zu handeln. Passend dazu lautet der Name der Kampagne „#dukannst“. Eine Botschaft, mit der sich die ING nicht nur an ihre Kunden richtet, sondern zugleich an die Mitarbeiter.
Alles eine Frage der Einstellung
Die ING hat im Sommer die letzte Phase ihres Transformationsprozesses abgeschlossen. Alle Organisationseinheiten arbeiten nun konsequent agil. So will die Bank schneller auf sich dynamisch ändernde Kundenbedürfnisse reagieren und Produkte sowie Services in kürzester Zeit entwickeln. „Eine New-Work-Struktur allein macht noch nicht innovativ“, sagt Laura Wirtz, Leiterin Strategy & Business Development bei der ING in Deutschland. „Erfolgsentscheidend sind vor allem ein deutlich zügigeres Time-to-Market und Time-to-Volume. Dieser grundlegende Wandel gelingt nur mit einer neuen Denkweise, einer reduzierten Zahl an Hierarchiestufen und vor allem interdisziplinären Teams, die autonom arbeiten.“
Nicht zuletzt mit der Empowerment-Kampagne möchte man nun die Mitarbeiter motivieren, den damit einhergehenden Veränderungen und Herausforderungen selbstbewusst zu begegnen. Der Wandel startet eben in den Köpfen der Mitarbeiter. „Eine starke Marke fängt intern an“, betont Niemann. „Wenn die Kollegen das, was sie nach draußen tragen sollen, nicht auch selbst leben, kann es dem Kunden nicht glaubhaft vermittelt werden.“
Auf Augenhöhe
Was den Kunden angeht: Der soll es bei den als eher lästig empfundenen Bankgeschäften möglichst einfach haben. Deshalb werden Produkte und Services nicht mehr nur aus der Bankperspektive entwickelt, sondern Kunden mit einbezogen. „Wir prüfen früh, ob es für das, was wir im Kopf haben, einen Bedarf gibt, ob das wirklich ein konkretes Kundenproblem löst“, sagt Niemann. „So sparen wir uns langwierige Entwicklungsprozesse und hohe Investitionen.“
Der Knackpunkt: Die deutschen Kunden sind nicht die mutigsten. „Sie sind ein bisschen konservativer und lassen sich nicht schnell begeistern“, sagt Niemann. So wurde beispielsweise in der ING-Heimat Niederlande eine Peer-to-Peer-Bezahlmethode eingeführt. Die Resonanz war positiv. Ein Test vor rund drei Jahren in Deutschland zeigte, dass die Lösung nicht funktionieren würde. „Deswegen möchten wir Menschen inspirieren, Neues auszuprobieren und Dinge einfach mal zu testen, um festzustellen, dass sie das Leben erleichtern“, so Niemann. Die Schlussfolgerung daraus: Es gilt, die Hürden für Kunden gerade bei neuen Technologien wie etwa Mobile Payment möglichst niedrig zu halten. Das ist ein Balanceakt. Denn: „Die Regulatorik verlangt uns einiges ab, wodurch Banking für Kunden meist komplizierter wird“, sagt Niemann. Und das wiederum heißt: „Wenn wir mit Kunden kommunizieren, dann auf Augenhöhe. Das heißt: Wir sprechen unbänkisch.“