Das Erfolgsgeheimnis des Multiunternehmers

Elon Musk: Genie braucht Wahnsinn

Seine Ideen? Mitunter abgedreht. Seine Versprechen? Groß. Genau wie sein Ego – und sein Erfolg. Elon Musk disruptiert eine Branche nach der anderen. DUB UNTERNEHMER ist seinem Erfolgsrezept auf den Grund gegangen. Experten standen dabei Pate. Das Ergebnis sind zehn Tipps, die Unternehmer beflügeln.

04.12.2020

Entweder – oder. Entweder man bewundert und verehrt Elon Musk. Oder man kritisiert ihn, steht seinem Werk skeptisch gegenüber. Ganz klar: Der gebürtige Südafrikaner polarisiert. Die einen halten ihn für genial, für einen Visionär, einen Tech-Messias. Und andere denken, wenn sie seinen Namen hören, vor allem an Attribute wie größenwahnsinnig, kompromisslos, exzentrisch und impulsiv.

Eines aber können selbst die größten Skeptiker nicht leugnen: Nach einigen Beinahe-Pleiten seiner Unternehmen ist Musk inzwischen extrem erfolgreich. Laut „Bloomberg Billionaires Index“ ist er mit einem Vermögen von 108 Milliarden Euro aktuell der zweitreichste Mensch der Welt.

Und: So umstritten der studierte Physiker aufgrund seines zeitweilig erratischen Verhaltens sein mag, gilt er vielen doch als Vorbild. Unter anderem im „Brand Health Report“ der Job-Suchmaschine Hired sowie in der Studie „State of Start-ups“ der Venture-Capital-Firma First Round Capital betrachten die Teilnehmer Musk als inspirierendsten Leader im Tech-Bereich. Als jemanden, der große Träume hat, von Leidenschaft getrieben wird und der Wort hält, sich also von einem einmal eingeschlagenen Weg nicht abbringen lässt. „Wenn ich etwas verspreche, dann passiert das meist auch. Vielleicht nicht termingerecht, aber es passiert meist“, sagt Musk über sich selbst.

Doch was ist es konkret, das ihn so erfolgreich macht? Was treibt ihn an? Was zeichnet ihn als Unternehmer aus? Und was können Mittelständler von ihm lernen? Um Antworten darauf zu finden, hat die DUB UNTERNEHMER-Redaktion Aussagen von Musk über sich selbst analysiert sowie mit Experten aus den Bereichen Automotive, Management und Finanzen gesprochen. Das Ziel: die Musk-DNA, seinen Erfolgs-Code zu entschlüsseln. Das Ergebnis: zehn Tipps, die Unternehmer beflügeln.

1. Arbeiten Sie hart

„Niemand mit einer 40-Stunden-Woche hat je die Welt verändert“, twitterte Musk einst. Seine Grundeinstellung: Wer doppelt so viel arbeitet wie die Konkurrenz, kommt auch doppelt so schnell ans Ziel. Doch ein Workaholic zu sein – das allein reiche nicht, um Erfolg zu haben, sagt Dr. Nicolas von Rosty, Managing Partner bei der internationalen Personalberatung Heidrick & Struggles. „Musk kann sich extrem gut fokussieren und seine gesamte Energie auf ein Thema bündeln. Das ist eine faszinierende Eigenschaft, die vielleicht sogar noch wichtiger ist als Intelligenz.“

2. Legen Sie sich ein dickes Fell zu

„Was Musk in meinen Augen auszeichnet: Er hat die Fähigkeit, Visionen entwickeln zu können, und versucht diese gegen alle Widerstände auch zu realisieren“, sagt Professor Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management. Etwa 15 Jahre habe es gedauert, bis die alteingesessenen Autobauer Tesla ernst genommen haben – jetzt werden sie von ihm getrieben. „Das Durchhaltevermögen zu haben, trotz Gegenwind zu seinen Ideen zu stehen – das ist schon eine große Leistung.“

3. Stellen Sie den Status quo infrage

„Ein wirklicher Entrepreneur möchte den Status quo nicht akzeptieren“, sagt Sebastian Holmer, Head of Practice Group Digital/Technology and Specialist Automotive bei der Beratung Kienbaum Consultants International. „Er hat die Ambition, Dinge neu zu denken und auf ein neues Level zu heben.“

Eine Fähigkeit, die Musk bereits mehrfach unter Beweis gestellt hat. Denn was oft vergessen wird: Viele seiner Unternehmen befassen sich im Kern mit Dingen, die nicht neu sind. E-Autos gab es schon, als Musk 2004 bei Tesla einstieg. Doch er hat es geschafft, E-Mobilität salonfähig zu machen. Menschen waren natürlich schon im All, ehe SpaceX gegründet wurde. Jetzt fliegen sie aber in teils wiederverwendbaren Raketen. Und das Bohren von Tunneln hat The Boring Company definitiv nicht erfunden. Die Firma hat allerdings einen Weg erdacht, Tunnel für ein Zehntel des normalen Preises zu graben. Heißt also: Musk ist vor allem gut darin, mit neuen Technologien tradierte Branchen zu disruptieren. 

4. Folgen Sie nicht blind jedem Trend

Immer machen, was die Konkurrenz macht? Keine gute Idee. Wer nur nach rechts und links schaue, um zu sehen, was die Wettbewerber machen, verbrauche zu viel Energie, sagt von Rosty. Und kommt in der Folge nicht vom Fleck. Besser dagegen ist: nach vorn schauen und an etwas komplett Neuem arbeiten.
Zum einen ist man dann in der Entwicklung freier und traut sich, auch mal ungewöhnliche Wege zu gehen. Und zum anderen kann sich nur von der Konkurrenz abgrenzen, wer als Unternehmer in neuen Maßstäben denkt. Im Fall von Musk heißt das: Selbst Weiterentwicklungen von Bestehendem sind disruptiv, haben revolutionären Charakter – und machen Musk so zum Trendsetter.

5. Denken Sie ein Produkt oder einen Service nur vom Kunden her

„Der Weg zum Büro des CEO sollte nicht über das Büro des CFO führen, und er sollte nicht über die Marketingabteilung führen. Er muss durch die Technik- und Designabteilung führen“, so Musk. Denn nur so könne sichergestellt werden, dass das Produkt beziehungsweise der Service exzellent ist, sich von der Konkurrenz abhebt und vor allem die Bedürfnisse des Kunden befriedigt.

6. Gehen Sie bewusst Risiken ein

Bei vielem, was er anpackt, gilt Musk als Vorreiter. Um seine selbst gesteckten Ziele zu erreichen, geht er bewusst teils hohe wirtschaftliche Risiken ein. Frei nach dem Motto: Schlimmer als verlieren ist nur, es gar nicht erst zu probieren.

„Ich glaube, Elon Musk ist kein kompletter Hasardeur. Aber er hat Eigenschaften, die man bei leicht narzisstisch veranlagten Persönlichkeiten oft sieht: Er ist angstbefreit und schamlos, dazu hat er eine überragende Intelligenz – und diese Kombination macht ihn erfolgreich“, sagt von Rosty. 

Narzissmus – eine Eigenschaft, die vielen Führungskräften zugeschrieben wird. Narzissten gelten als selbstbewusst, ehrgeizig und machtgierig. Eine Studie der Universität Erlangen-Nürnberg zeigt allerdings auch: Je narzisstischer der CEO ist, desto innovativer sind Unternehmen und desto mehr Geld fließt in neue Technologien.

7. Arbeiten Sie auf ein Höheres Ziel hin

Unternehmer sollten danach streben, ein höheres Ziel zu erreichen, um so etwas zum Gemeinwohl beizutragen. „Ich interessiere mich für Dinge, die die Welt zum Guten verändern oder die Zukunft beeinflussen“, so Musk. „Und ich interessiere mich für wundersame neue Technologien, bei denen Sie sich fragen: ‚Wow, wie ist das überhaupt passiert? Wie ist das möglich?‘“

Beide Interessen fließen in seinen Firmen zusammen. Neuralink etwa entwickelt einen Chip für das Gehirn, der die Behandlung neurologischer Störungen verbessern, den Menschen aber auch vor der Übermacht Künstlicher Intelligenz schützen soll. Tesla schont mit emissionsfreien Autos das Klima, SolarCity motiviert mit bezahlbaren Solaranlagen zum Umstieg auf erneuerbare Energien. The Boring Company und Hyperloop arbeiten an einem umweltfreundlichen unterirdischen Mobilitätskonzept.

8. Seien Sie attraktiv für Fachkräfte

Der Erfolg eines Unternehmens hängt maßgeblich von den Mitarbeitern ab. „Wenn die richtigen Leute mit dem richtigen Mindset und dem richtigen Leadership zusammenkommen – dann kann man echt innovative Dinge auf den Markt bringen“, sagt Anish Taneja, President und CEO Europe North bei Michelin. Daher ist es wichtig, alles dafür zu tun, die besten und qualifiziertesten Fachkräfte anzuziehen. Und Musk gelingt das – trotz seines eher schlechten Arbeitgeber-Images. 

„Ich habe noch nie jemanden getroffen, der ihn für einen großartigen Personalmanager hält“, sagt Maëlle Gavet. Die Französin hatte bereits Führungspositionen bei mehreren Tech-Unternehmen inne, war unter anderem CEO bei OZON.ru, der größten E-Commerce-Plattform Russlands. „Elon Musk ist berüchtigt dafür, die Leute zu wahnsinnigen Arbeitszeiten zu zwingen und ein extremer Mikromanager zu sein.“ Ihr Urteil: Wie so viele andere Tech-Konzerne haben auch die von Musk geführten Unternehmen ein Empathie-Problem.

Warum also möchten dennoch so viele Menschen für ihn arbeiten? Es liege nicht nur am Geld, sagt Bratzel. „Es ist dieses Gefühl, an etwas wirklich Großem mitzuarbeiten.“ Denn Elon Musk hat eine Vision und ist entschlossen, diese wahr werden zu lassen. Sein Biograf Ashlee Vance schreibt dazu: „Manche Mitarbeiter lieben ihn. Andere hassen ihn, bleiben aber aufgrund von Respekt für seine Energie und Mission eigenartig loyal zu ihm.“

Musk setzt – wie auch Apple-Ikone Steve Jobs, mit dem er oft verglichen wird – auf den sogenannten transformatorischen Führungsstil. Das heißt: Solche Führungskräfte haben die Fähigkeit, ihre Teams zu inspirieren und zu motivieren – und sie arbeiten operativ sehr eng mit ihren Mitarbeitern zusammen, um gemeinsam außergewöhnliche Ergebnisse zu erzielen. 

„Ich denke, wir werden Führungskräfte in fünf bis zehn Jahren vor allem danach beurteilen, wie sehr es ihnen gelingt, Follower zu kreieren“, sagt Taneja. „Was wir brauchen, sind Führungskräfte, die Menschen von ihren Vorhaben authentisch überzeugen und auf dem Weg mitnehmen können.“ 

Und manchmal reicht ein Tweet, um zu überzeugen: „Bitte bitte arbeiten Sie bei Tesla Giga Berlin! Es wird super Spaß machen!“, twitterte Musk im September 2020. Gesucht werden für die Tesla-Produktion in Grünheide derzeit 12.000 Mitarbeiter.

9. Holen Sie konstant Feedback ein

Offenes Feedback und berechtigte, gut formulierte Kritik sind Gold wert. Um Feedback sollten Unternehmer immer und überall bitten, insbesondere im Freundeskreis. „Ich halte es für sehr wichtig, eine Feedback-Schleife zu haben, in der man ständig darüber nachdenkt, was man getan hat und wie man es noch besser machen könnte“, so Musk. „Und auch wenn Sie mit der Kritik von jemandem nicht einverstanden sind, sollten Sie zumindest sehr genau zuhören, was er zu sagen hat.“

10. Scheitern? Gehört dazu – aber da stehen Sie drüber

Unternehmer werden immer wieder mit Problemen und Konflikten konfrontiert, für die Lösungen gefunden werden müssen. Dabei läuft nicht immer alles so wie gewünscht; manches geht auch schief. Musk selbst betont: „Scheitern ist immer eine Option. Wer nicht scheitert, ist nicht innovativ genug.“ 

Und gescheitert ist er oft. Infolge der Finanzkrise 2008 standen Tesla und SpaceX kurz vor der Pleite. Musk entschied sich damals, sein letztes Geld aufzuteilen, damit beide Firmen überleben konnten. Sowohl bei der Luxuslimousine Tesla Model S als auch beim Model 3 versank die Produktion zeitweise im Chaos. Und die unzerbrechlichen Fenster des Tesla-Pick-ups Cybertruck brachen bei der Präsentation des Prototypen im November 2019 gleich zweimal.

Die Kunst ist es, trotz Rückschlägen immer weiterzumachen. Denn: „Wenn etwas wichtig genug ist, tut man es auch dann, wenn die Erfolgsaussichten nicht günstig für einen sind“, so Musk.

Was also zeichnet einen erfolgreichen Unternehmer wie Musk nun aus? Mehr als reine Leistungsorientierung, ist von Rosty überzeugt. Und damit tanzt Musk aus der Reihe, gehört einer Minderheit in den Chefetagen an. „In Deutschland sind vermutlich 90 Prozent der Führungskräfte leistungsorientiert. Musk dagegen ist ein Influencer, er ist power-driven.“ Und solche Personen werden in der Regel schon zu Beginn ihrer Karriere kleingehalten. „Denn das sind Typen, die anecken, die nerven, weil sie disruptiv denken und andere aus ihrer Komfortzone zwingen“, so von Rosty.

Wer sich gegen alle Widerstände dennoch nach oben kämpfen will, der baucht ein gesundes bis übersteigertes Selbstbewusstsein, grenzenlosen Optimismus, Durchhaltevermögen – Resilienz also. Und neben den richtigen Ideen auch die richtige Menge Wahnsinn. Wenn die stimmt, wird auch das Unmögliche möglich. Mit Bescheidenheit bringt man es sicher nicht zum viertreichsten Mann der Welt.