Vielfalt

Die 100 wichtigsten Frauen im Mittelstand

Die Euphorie im Kampf um mehr Geschlechtergerechtigkeit ist ein Stück weit verflogen. Im Mittelstand mischt sich Erneuerungswille mit Widerstand. DUP-Unternehmer analysiert, was es jetzt braucht.

Auf dem Bild ist Christina Diem-Puello, Präsidentin Verband deutscher Unternehmerinnen e.V., zu sehen.

04.10.2024

Wenn die Diskussion rund um Geschlechtergerechtigkeit ein Fest wäre, sie wäre derzeit eine riesige Schaumparty – denn sie wird mehr denn ja mit selbigem vor dem Mund geführt. Streit um den richtigen Weg zum gemeinsamen Ziel gab es schon immer. Doch noch nie haben Nebenkriegsschauplätze wie Gendern den Blick für die operativ wirksamen Maßnahmen derart verdrängt.

Dabei sind sich über das Ziel zumindest in Sonntagsreden alle einig: Mehr Frauen in Arbeit und Führungspositionen wären gut für Unternehmen und Wirtschaft. Die Einrichtung von Quoten für weibliche Aufsichtsräte und Vorstände ist bis heute umstritten und selbst von denen, die sie befürworten, als Übergangsnotlösung klassifiziert. Doch jenseits dessen nehmen die Widerstände derzeit eher zu als ab – vor allem da, wo es keine Quoten gibt, also im familiengeführten Mittelstand.

Neue Berichtspflichten

Im Rahmen der ESG-Berichtspflicht steigen auch die Transparenzanforderungen im Hinblick auf die Frage, ob Frauen und Männer wirklich gleich behandelt werden. Ein Beispiel sind die Regelungen rund um Equal Pay, also die faire Bezahlung von Menschen unterschiedlichen Geschlechts, die auf demselben Level arbeiten. Es ist eben auch aufwendig, das überhaupt mal herauszufinden. Und gezwungen werden mag nun einmal niemand gern.

Geschlechtergerechtigkeit in die Tat umsetzen

Doch neben all den Regularien und Gesetzen gibt es noch diese andere Ebene: die menschliche. Will die Breite der Unternehmerschaft den Wandel wirklich? Glauben genug junge Frauen daran, dass sie es dauerhaft nach oben schaffen können, ohne einen zu hohen Preis zu zahlen? Dass sie dieselben Chancen haben? Und genau für diese Ebene braucht es Vorbilder. Frauen, die es geschafft haben. Und zwar nicht immer nur dieselben Gesichter aus Dax-Konzernen und Verbänden, sondern auch mitten aus dem Herzen der deutschen Wirtschaft: den mittelständischen Betrieben.

Deshalb haben wir eine maximal fachkundige Jury zusammengetrommelt (siehe rechts) und 100 Namen
zusammengetragen, hinter denen 100 Geschichten stecken, die Mut machen (siehe Tabelle Seite 50). Die zeigen, dass es geht. Maßgeblich waren zwei Dinge: Gestaltet die jeweilige Person in verantwortungsvoller Position im Vorstand oder Aufsichtsrat maßgeblich die Zukunft eines Unternehmens mit – und/oder engagiert sie sich in der Öffentlichkeit für Gleichberechtigung?

Selbsttest für Betriebe

Spannend ist zudem die Frage, welche Unternehmen genau zum „Mittelstand“ gehören – es gibt ja keine eindeutige Definition. Wir folgten der gängigen, für die weniger die Größe des Unternehmens eine Rolle spielt als die Frage, ob die Eigentümerfamilie noch eine nennenswerte Rolle spielt. Und ob man sich selbst noch als Mittelständler betrachtet.

Die Berichterstattung in diesem Magazin steht nicht allein: Wir haben in unserem Podcast „Mittelstand Reloaded“ zahlreiche Expertinnen und Experten zum Thema Geschlechtergerechtigkeit und Diskriminierung gesprochen. Und wir stellen Betrieben einen kostenlosen Test zur Verfügung, um ihren Status rund um das Thema Vielfalt zu checken.

Die Jury zum Thema Geschlechtergerechtigkeit

WIEBKE ANKERSEN
Co-Geschäftsführerin AllBright-Stiftung
„Alle wollen die besten Köpfe in der Geschäftsführung – und das sind natürlich zur Hälfte Frauen. Der in vielen Unternehmerfamilien anstehende Generationenwechsel bietet jetzt die Chance, deutlich mehr Frauen in die Führung zu holen. Ihr Talent ebenso zu nutzen wie das der Männer wird für zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg entscheidend sein.“

MARCO HENRY V. NEUMUELLER
Partner & Gesellschafter Odgers Berndtson

„Wahre Gleichberechtigung entsteht, wenn wir die Stärke in der Vielfalt erkennen und das Individuelle genauso schätzen wie das Gemeinsame. Sie bedeutet, dass wir Unterschiede nicht nur akzeptieren, sondern als wertvolle Facetten unserer Gesellschaft begreifen, die uns bereichern und voranbringen. Nur wenn wir das Potenzial jedes Einzelnen – unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Position – gleichermaßen fördern, können wir eine Zukunft gestalten, in der Gerechtigkeit und Chancen für alle Realität werden.“

ANNA-MARIA KARL
Director & Partner Kienbaum

„Gender-Diversity ist längst kein bloßes Nice-to-have mehr, sondern ein entscheidender Wettbewerbsvorteil – gerade im Mittelstand. Frauen in Führungspositionen bringen neue Perspektiven ein, fördern die Innovationskraft und erhöhen die Krisenfestigkeit von Unternehmen. Wer auf Diversität setzt, investiert nicht nur in die Zukunftsfähigkeit, sondern stärkt auch sein Employer-Branding. Denn insbesondere Top-Talente prüfen heute genau, wie divers die Führungsebene aufgestellt und ob Diversity in der Unternehmenskultur authentisch ist sowie auf allen Ebenen gelebt wird.“

CHRISTINA DIEM-PUELLO
Präsidentin Verband deutscher Unternehmerinnen (VdU)

„Die Verwirklichung von Geschlechtergerechtigkeit ist die Voraussetzung für gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt und für nachhaltiges Wachstum. Dazu gehört auch, Hindernisse zu beseitigen, die in besonderer Weise Frauen die unternehmerische Tätigkeit und Gründung erschweren, beispielsweise der schlechtere Zugang zu Kapital für Gründerinnen und Unternehmerinnen, Hürden bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, steuer- und sozialversicherungsrechtliche Fehlanreize, Rollen- und Berufsstereotype sowie die noch immer nicht gleiche Teilhabe in allen wirtschaftlichen Bereichen.“

AYSE MESE
Geschäftsführerin DUP Media GmbH

„Wenn wir Gleichberechtigung bei der Dimension ,Geschlecht‘ schon nicht hinbekommen – wie wollen wir es dann schaffen, Gleichberechtigung in den anderen Vielfaltskategorien wie ,soziale Herkunft‘ herzustellen? Zur Wahrheit gehört, dass es nicht so leicht ist, tradierte Rituale und Denkweisen über Bord zu werfen. Als Medienhaus können wir die Unternehmen nicht besser machen – dafür braucht es Gesetzgeber oder die Kräfte des Arbeitsmarktes. Aber wir präsentieren auf all unseren Kanälen immer wieder die Argumente der Expertinnen und Experten. Und zeigen Vorbilder – sowohl Frauen selbst als auch die Unternehmen, die von Gleichberechtigung profitieren.“