Wie hat sich das Recruiting durch die Coronakrise verändert?
57 Prozent der deutschen Unternehmen gaben bereits zu Beginn der Pandemie an, dass sie 2020 deutlich weniger rekrutieren und nur noch dringend benötigte Mitarbeiter einstellen wollen. Nur 14,1 Prozent der befragten Personalverantwortlichen meinten, dass sie während der Coronakrise verstärkt rekrutieren werden. Das zeigt eine gemeinsame Befragung von softgarden, einem Entwickler von Bewerbermanagement-Software, und dem Softwarehaus Haufe-Lexware.
Wenn doch rekrutiert wird, dann vor allem über digitale Wege. In einer Umfrage des Online-Stipendiums- und Karrierenetzwerk e-fellows meinten rund 70 Prozent der befragten deutschen Personalverantwortlichen, dass in ihrem Unternehmen schon zu Beginn der Coronapandemie deutlich mehr digitale Schritte im Recruiting-Prozess eingeführt worden sind. Und laut der Studie „Recruting Trends 2020“ der Universität Bamberg stimmten knapp 38 Prozent der befragten Kandidaten der Aussage zu, dass Mobile Recruiting schon jetzt einen hohen Stellenwert für Kandidaten selbst hat. Rund 52 Prozent der Befragten sprachen dieser Art des Recruitings sogar eine hohe Bedeutung für Unternehmen zu.
Für das Recruiting 2021 könnte das Folgen haben: Wenn im vergangenen Jahr weniger Unternehmen offene Stellen mit Personal besetzt haben, dann wird nun nachgeholt. Der War for Talents könnte sich damit weiter verschärfen. Somit sollten Recruiter ihre Strategie neu ausrichten und den aktuellen Gegebenheiten anpassen. Es ist davon auszugehen, dass die Digitalisierung im Recruiting nicht nur ein kurzfristiger Trend ist, sondern dass sie künftig weiter an Bedeutung gewinnen wird.
Wie lautet die Definition von E-Recruiting?
Auf den Punkt gebracht bedeutet Electronic Recruiting, also E-Recruiting, nichts anderes als die Personalbeschaffung via Internet mit dem Ziel, den gesamten Prozess effizient und kostengünstig zu gestalten. Neben dem Online-Recruiting können hier auch spezielle Software-Lösungen wie ein E-Recruiting-System genutzt werden. Aus der Sicht potenzieller Kandidatinnen und Kandidaten kann sich das Unternehmen so auch zeitgemäß präsentieren und an Attraktivität gewinnen. E-Recruiting geht deshalb weit über die Online-Bewerbung per E-Mail hinaus. Gemeint sind hier eher Recruiting-Kanäle wie die folgenden:
- Social Media: Zu den beliebtesten Kanälen gehören Xing, Facebook, Twitter und LinkedIn.
- Mobile Recruiting: Die Kontaktaufnahme von potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern erfolgt über das Smartphone oder Tablet, etwa durch spezielle Apps von Firmen und Jobbörsen.
- Online-Jobbörsen: Aufgrund der Aufteilung in unterschiedliche Berufe, Branchen und Standorte gehört dieser Kanal zu den meist genutzten – häufig auch in Verbindung mit einer Bewerbermanagement-Software.
Was sind die Vorteile und Nachteile von E-Recruiting?
Im Gegensatz zu traditionellen Printanzeigen können Unternehmen beim E-Recruiting Stellenausschreibungen schnell und kostengünstig unter potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern streuen und diesen die Möglichkeit der schnellen Kontaktaufnahme und Kommunikation bieten. Andere positive Nebeneffekte sind, dass sich Stellenausschreibungen schnell aktualisieren lassen, Verlinkungen auf Webseiten gesetzt werden können und Arbeitgeber durch die Einbindung von Videos einen besseren Eindruck vom Job und der Arbeitsumgebung vermitteln können.
Mittlerweile gibt es eine große Fülle an Jobbörsen, HR-Software und Profilen auf sozialen Netzwerken im Netz, so dass es für Recruiter herausfordernd ist, die passende Zielgruppe zu erreichen. Und das gilt übrigens auch andersherum: Bewerberinnen und Bewerber müssen viel Zeit investieren, um sich einen Überblick über Unternehmen und Stellenausschreibungen zu verschaffen, die für sie wirklich relevant sein könnten.
Vorteile E-Recruiting | Nachteile E-Recruiting |
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Stellenanzeigen können günstig und effizient publiziert werden (hohe Reichweite bei geringen Kosten) | Geringere Hürden für Bewerber könnten auch eine Fülle von unqualifizierten Bewerbungen zur Folge haben |
Eine Stellenanzeige kann schnell bearbeitet und mit Links versehen werden | Eine Bewerbung per Online-Formular kann sehr unpersönlich auf Bewerber wirken |
Die Candidate Experience wird vereinfacht, da Bewerberinnen und Bewerber schneller Kontakt zur HR-Abteilung aufnehmen können | Robotic Recruiting kann helfen, Bewerbungsunterlagen schneller zu scannen. Allerdings bedeutet die Implementierung dieser Software auf Basis von Künstlicher Intelligenz und mithilfe von Bots auch, dass Bewerbungen nur nach speziellen Keywords gefiltert wird. Dadurch könnten Bewerber durch das Raster fallen, obwohl sie eigentlich ein guter Fit gewesen wären |
Einbindung von Videos und anderen innovativen Formaten ist möglich | Es gibt viele E-Recruiting-Tools und Online-Stellenbörsen die teuer, aber wenig effektiv sind |
Eine Erfolgsmessung bei der Anzeige ist durch Analyse des Verhaltens von Bewerbern auf Karriereseiten möglich | Unternehmen können in der Fülle der Webseiten und Stellenanzeigen untergehen |
Time-to-hire, die Zeit vom Publizieren der Stellenausschreibung bis zur Stellenbesetzung, könnte minimiert werden | Recruiter müssen mehr Zeit investieren, um auch wirklich die richtige Zielgruppe zu erreichen |
Active Sourcing ist über Talentsuchmaschinen oder Social-Media-Recruiting möglich Nachteile E-Recruiting |
Tipps fürs E-Recruiting
Unternehmen sollten vor Beginn des Recruitings ihr Employer Branding hinterfragen. Wie wird unsere Unternehmenskultur auf der Unternehmenswebseite präsentiert? Was sagt der Reiter „Über uns“ wirklich aus? Wie präsentieren sich Mitarbeiter auf der Team-Seite? Und natürlich kann auch hier positives Feedback von ehemaligen Mitarbeitern auf Bewertungsplattformen wie Kununu helfen, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren. Daher bietet es sich auch an, mithilfe diverser Marketing-Maßnahmen am Employer Branding zu arbeiten. Wichtig ist es, sich genau zu fragen, ob das eigene Unternehmen sowie die in der Stellenausschreibung implizierten Benefits den Bedürfnissen der Young Professionals gerecht werden.
Neben dem Gehalt und den Aufgaben selbst gehören flexible Arbeitszeiten zwecks Work-Life-Balance, Homeoffice, Firmenveranstaltungen und Gesundheitsmaßnahmen zu den must-have-Benefits für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das zeigt eine aktuelle Befragung der Personal- und Managementberatung Kienbaum. Dabei gibt es allerdings auch Unterschiede zwischen den Hierarchieebenen. So wünschen sich Führungskräfte etwa flexible Arbeitszeiten (91 Prozent), ein Firmen-Smartphone (83 Prozent) und Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsorts (83 Prozent).
Daneben sollten Unternehmen unbedingt ihre Webseite attraktiv und modern gestalten. Interessieren sich potenzielle Kandidaten für die Stelle, ist die Webseite der erste und mitunter entscheidenste Touchpunkt innerhalb der Candidate Experience. Um sich schnell und problemlos zu informieren, wäre hier auch eine Karriereseite empfehlenswert. Besonders für Digital Natives und Vertreter der Generation Y ist der Internetauftritt eines Unternehmens entscheidend.
Besonders in kreativen Branchen kann es darüber hinaus helfen, auf Bewegbild bei Stellenausschreibungen zu setzen, um aus der Masse hervorzustechen. Denn so wie die HR-Abteilung nicht ständig Bewerbungen mit den immer gleichen Floskeln bekommen möchte, so freuen sich auch junge Talente über abwechslungsreiche und innovative Stellenausschreibungen. Bewerberinnen und Bewerber erhalten so einen Eindruck vom Unternehmen und können direkt sehen, ob es einen Teamfit gibt.
Wenn Human Resources und Recruiter all das im Blick haben, gilt es noch Antworten auf folgende Fragen zu finden: Welche Art von E-Recruiting-Maßnahme ist passend? Und welche Art von Mensch suche ich für die vakante Stelle? „Recruiter sollten offen für neue Recruiting-Instrumente sein. Sie müssen heute eine Vielzahl von Methoden beherrschen, um erfolgreich Bewerber generieren und rekrutieren zu können“, erklärt HR-Experte Matthias Höfer.
Welche Recruiting-Instrumente gibt es?
Zu den traditionellen Instrumenten zählen unter anderem:
- Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter-Programme
- Teilnahme an Job-Fachmessen
- Einbeziehung von Freelancern und Sub-Unternehmern
- Datenbank ehemaliger Mitarbeiter
- Stellenanzeigen in Print-Publikationen
- Talent Pools
- Kontakte zu Universitäten und Instituten
- Hackathons
Im Online-Bereich können Mittelständler auf folgende Instrumente setzen:
- Suchmaschinen-Recherche (Google for Jobs)
- Karriere-Website / Special-Interest-Jobbörsen
- Social-Media-Kanäle
- Active Sourcing, etwa auf Talentsuchmaschinen
- Plattformen auf mobilen Endgeräten
- Arbeitgeber-Bewertungsportale
- Online-Vermittlungsplattformen
- Virtuelle Recruiting-Messen
Bei der Wahl des richtigen Instruments sollten Recruiter überlegen, welche Zielgruppe sie erreichen wollen. So bietet zum Beispiel das Portal yourfirm seine Dienste speziell für Mittelständler an. Die Online-Jobbörse Joboo hingegen stellt – neben der Qualifikation – die mögliche Arbeitszeit der Bewerberin oder des Bewerbers in den Vordergrund.
Eine freie Stelle muss allerdings nicht zwangsläufig mit einem neuen Mitarbeiter besetzt werden. „Auch abseits vom Recruiting, im ganz normalen Arbeitsalltag, entsteht immer wieder der Bedarf nach neuen oder wechselnden Rollen“, erklären Anna Kaiser und Jana Tepe, die Gründerinnen von Tandemploy. Gerade in volatilen Zeiten wie diesen sei es wichtiger denn je, vorhandene Fähigkeiten zu nutzen und Talente richtig einzusetzen. Geeignete Kandidaten für eine vakante Stelle können somit nicht nur über externes Recruiting, sondern auch internes Recruiting gefunden werden.
Helfen kann dabei ein Talent Management oder zumindest ein Personalmanagement innerhalb des Unternehmens. Dadurch ist es möglich, einen Überblick über die Kompetenzen und Fähigkeiten der Belegschaft zu behalten. Denn: Mit der richtigen Strategie zur Personalentwicklung lassen sich auch innerhalb des Unternehmens vakante Stellen besetzen. Und: Auch eine interne Neubesetzung ist ein erfolgreiches Recruiting!