Gastbeitrag von M&A-Berater Christian Saxenhammer

Darum ist die Nachfolge am besten in der Krise zu regeln

Die Coronapandemie hat Unternehmen aller Branchen dazu gezwungen, stärker auf digitale Technologien zu setzen. Wem es gelingt diesen Schwung aufrechtzuerhalten und seine Transformation weiterhin konsequent zu verfolgen, erarbeitet sich klare Vorteile im Wettbewerb. Gerade jetzt ist es daher an der Zeit, die totale Digital Readiness ins Unternehmen zu bringen – und zwar mit einem Generationenwechsel.

31.12.2020

Homeoffice, Kontaktbeschränkungen, Nachfrageschwankungen, Störungen in den Lieferketten, Bedarf an neuen digitalen Services: Covid-19 hat die Gesellschaft und die Arbeitsweise in vielen Unternehmen binnen weniger Tage fundamental verändert. Selbst die traditionell eher zurückhaltenden deutschen Altunternehmer waren gezwungen, verstärkt auf digitale Technologien zu setzen, um ihr Geschäft weiter aufrechtzuerhalten. Ebenso wurde der Bedarf erkannt, vorhandene Systeme und Arbeitsmodelle zu modernisieren, um auch in Zukunft auf Situationen dieser Art gut vorbereitet zu sein.

Ungeplant entstand durch die Coronakrise also eine grundlegende Digital Readiness. Die nächste Ausbaustufe ist allerdings nur durch einen grundlegenden Wandel der Unternehmenskultur möglich, welche ein konsequentes digitales Mindset erfordert. Dieses ist wiederum vordergründig in der jungen Unternehmergeneration verankert. Exakt an dieser Stelle kommt die Thematik der Unternehmensnachfolge ins Spiel.

Generationenwechsel: Der Zeitpunkt ist günstig

Im Gegensatz zu Altunternehmern ist die Nachfolge-Generation mit digitalen Werkzeugen aufgewachsen. Für sie ist es nicht nur selbstverständlich, über Tools wie Kollaborationsplattformen oder Videokonferenzen mit virtuellen Teams zusammenzuarbeiten. Sie besitzen auch die Aufgeschlossenheit und den Mut, mit innovativen Technologien wie Künstlicher Intelligenz, Big-Data-Analytics oder dem Internet of Things zu experimentieren.

Auch der Einführung moderner Softwarelösungen für Geschäfts- und Produktionsprozesse stehen Jungunternehmer allgemein aufgeschlossen gegenüber. Ebenso fällt es ihnen leichter, einen neuen Führungsstil – geprägt von hoher Mitarbeiter-Eigenverantwortung und flachen Hierarchien – in die Organisation zu bringen. Weiterhin sind Begriffe wie Flexibilität und Agilität in dieser Generation zum Teil bereits gelebte Praxis, etwa im Projektmanagement.

Insgesamt sind die Potenziale der Digitalisierung enorm. Sie reichen von effizienteren Abläufen über neue Vertriebswege bis hin zur Realisierung völlig neuer Geschäftsmodelle, welche den Zugang zu neuen Marktsegmenten eröffnen. Mit einer intelligenten Nachfolgeregelung kommen Unternehmen der Erschließung dieser Potenziale einen deutlichen Schritt näher. Dieser Schritt alleine ist für eine solide Wachstumsstrategie jedoch im Regelfall nicht ausreichend. Unternehmen benötigen auch frisches Kapital für die bevorstehenden Investitionen sowie einen deutlichen Zufluss von Know-how. Beides ist oftmals nur durch Zukäufe, Zusammenschlüsse und Partnerschaften zu realisieren.

Mit Zusammenschlüssen die Zukunftsfähigkeit sichern

Im Hinblick auf den technologischen Fortschritt und die Realisierung innovativer Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle können durchdachte Akquisitionen den entscheidenden Durchbruch bringen. Besonders begehrt sind bei solchen Transaktionen daher Technologieführer, innovative Start-ups und Unternehmen mit zukunftsweisenden Geschäftsmodellen.

Gerade der Erwerb komplementärer Anbieter hat Potenzial. Im klassischen stationären Handel kann dies beispielsweise so aussehen, dass ein Unternehmen einen erfolgreichen Online-Shop aufkauft. So ist die Otto Group mittlerweile an unzähligen Online-Handelsunternehmen beteiligt. Der E-Commerce ist heute die tragende Säule der Branche. Im Automotive-Sektor geht der Trend hingegen etwa dahin, dass die großen Hersteller vermehrt Anbieter von Mobilitätsdienstleistung akquirieren.

Auch die Kulturkompatibilität ist wichtig

Neben der strategischen Stimmigkeit ist es von hoher Bedeutung, dass der Übernahmekandidat kulturell zum eigenen Unternehmen passt. Denn allzu große Verschiedenheiten können Zusammenschlüsse erheblich erschweren. Teils scheitern sie aufgrund dessen sogar vollständig.

Ein alternativer Weg ist es in diesem Fall, das für Innovationen benötigte Kapital über den Einstieg von Investoren zu beschaffen. Infrage kommen hierbei Privatinvestoren, institutionelle Investoren und Family Offices.

Fazit: Nachfolge und Struktur sollten jetzt geplant werden

Die Zukunft der Unternehmen hängt von ihrem Digitalisierungsgrad und ihrer (digitalen) Innovationsfähigkeit ab: Diese Erkenntnis hat sich im Zuge der Coronakrise in den Köpfen der meisten Unternehmer verfestigt. Die Gunst der Stunde sollten sie dazu nutzen, das erreichte Level nicht nur zu sichern, sondern bereits jetzt weitere Schritte einzuleiten. Dazu zählt einerseits die Planung einer Übergabe an die „digitalisierungswillige“ Nachfolge-Generation. Auf der anderen Seite muss jetzt geprüft werden, über welchen Weg sich notwendiges Kapital und relevantes Wissen ins Unternehmen bringen lässt. Die intelligente Kombination dieser Maßnahmen wird letztlich über den langfristigen Erfolg entscheiden.

Christian Saxenhammer

ist Managing Director der Berliner M&A-Boutique Saxenhammer & Co. Corporate Finance GmbH. Zuvor arbeitete er bei Lincoln International, im Roland Berger Restructuring Team Berlin und bei der Commerzbank London