Kommunikation und Fürsorge

Darauf kommt es bei Remote-Leadership an

Führen aus der Ferne – ist das tatsächlich die „neue Normalität“? Ja, wenn Unternehmen sich darauf einlassen, sind sich die Teilnehmer des „TUM Talks“ einig.

23.10.2020

Eine Überraschung nennt es Thessa von Hülsen auf der Bühne des „TUM Talks“ der Technischen Universität München School of Management. Die Überraschung – das war der Umzug ins Homeoffice, den die weltweit mehr als 6.000 Mitarbeiter der Börse Frankfurt im März coronabedingt stemmen mussten. Mit dieser Meinung dürfte von Hülsen, die Personalverantwortliche des Finanzunternehmens, nicht allein dastehen. Und auch nicht mit der unternehmerischen Antwort.

Denn das plötzliche Remote-Leadership, das Mitarbeiterführen aus der Ferne, aus dem Homeoffice – das ist eine große Herausforderung. Vor allem weil mit dem Homeoffice der gefühlte oder reale Kontrollverlust einhergehe, sagt Claudia Peus, Professorin am TUM Institute for Life Long Learning.

Eine Situation, die den Führungskräften mehr Kommunikation abverlangt, vielleicht auch mehr Fürsorge und Empathie. Immerhin haben die Folgen der Krise zum Beispiel zu einer steigenden Angst vor dem Jobverlust geführt. 55 Prozent der Arbeitnehmer treibt diese Sorge um, zeigt das Randstad Arbeitsbarometer. Gute Führung muss dieser Angst entgegenwirken. 

Chefs bauen Vorbehalte ab

Die große Frage, die nun im Raum steht, lautet: Bleibt die Veränderung, die in der akuten Krise erzwungenermaßen nötig wurde, oder gilt bald wieder business as usual? Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation zeigt, dass 70 Prozent der befragten Unternehmen all ihre Mitarbeiter auch weiterhin im Homeoffice arbeiten lassen. Und 47 Prozent der Befragten stellen fest, dass Führungskräfte ihre Vorbehalte gegen Remote-Work in den vergangenen Monaten abgebaut haben.

Eva Boesze, Personalchefin des Agrar- und Energiekonzerns BayWa, nennt die Krise „das beste Assessment-Center für Führungskräfte“. Weil sich herausstelle, wer etwa den Mut zu Entscheidungen habe, wer Kommunikation und Motivation beherrsche. Und genau das sind die derzeit entscheidenden Parameter.  

Ein Umdenken hat stattgefunden

Remote-Führung bedeutet zudem, ergebnisorientierter zu führen, Entscheidungen im Team zu fällen. Man könnte auch sagen: loszulassen. Und das funktioniert? Ja, lautet die Antwort – aber mit einer Einschränkung: „Man kann remote führen, wenn man eine bestehende Beziehung zu Mitarbeitern hat“, sagt Boesze. Man müsse bereits vorher zusammengearbeitet haben. Darauf könne aus der Ferne aufgesetzt werden. Denn die Nähe zu den Kollegen lässt sich auch anders herstellen, etwa über eine „Virtual Kitchen“ oder Gruppenchats, berichtet von Hülsen. Schwieriger sei es, wenn neue Mitarbeiter dazustoßen. Schlussendlich sei aber die Mischung aus digitalem und persönlichem Umgang der richtige Weg, so der Konsens im „TUM Talk“.

Ein Satz vor allem bleibt hängen: „Was früher nicht ging, ist nun möglich“, sagt Robert Friedmann, Sprecher der Konzernführung von Würth. Für die Zukunft der Arbeit und der Führung lässt das hoffen.