Illustration von drei Fahrradfahrern die durch eine bergige Landschaft fahren
19.05.2021    Arne Gottschalck
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5 Millionen, nein, mehr als 5 Millionen Fahrräder wanderten 2020 in Deutschland über den vielzitierten Ladentisch. Rekord. Und auch in diesem Jahr sieht es blendend aus für die Bike-Industrie. Das hat Folgen. Doch von Anfang an.

Ähnlich wie in der Autobranche ist der Fahrradbau längst ein arbeitsteiliges Geschäft. Der Rahmen kommt aus Taiwan, die Schaltung aus Italien und so weiter. In Deutschland wird das Ganze nur noch zusammengebaut. Der Ansatz funktioniert so lange, bis ein Ereignis wie die Corona-Pandemie das Räderwerk knirschend verlangsamt. So geschah es 2020. Die Blockade des Suez-Kanals, sagt Arne Sudhoff von Derby Cycle, sorgte dafür, dass benötigte Teile teilweise noch unterwegs sind.

Demgegenüber steigt die Nachfrage nach Bikes unter anderem Corona-bedingt weiter. Das zeigen die über 5 Millionen verkauften Fahrräder. Die Gründe liegen auf der Hand: Die Pandemie zwang viele Menschen ins Homeoffice und schnitt sie von den geschlossenen Sportclubs ab. Statt Studio lockten die Straße und das Radfahren. Das hat Folgen auch für das laufende Jahr.

Schon 2020 gab es Probleme mit der Verfügbarkeit der Waren – im Handel wie in der Industrie, sagt David Eisenberger, Leiter Marketing im Zweirad-Industrie-Verband ZIV. In aller Kürze: „Die Lager waren leer.“ Er rechnet damit, dass es auch 2021 knapp sein werde, besonders in den Sommermonaten. Die sind die klassische Zeit des Bike-Kaufs.

Beispiel Schaltungen: Shimano ist einer der dominanten Player. Michael Wild vom Importeur Paul Lange erklärt: „Shimano hatte im zweiten Halbjahr 2020 einen höheren Output als je zuvor. (…) Dennoch blieb und bleibt das Angebot hinter der exorbitanten Nachfrage zurück, die auch 2021 im Fahrradmarkt herrscht.“

Europa im Visier

Fazua baut schlanke Motoren für sportliche E-Bikes. Herstellt werden die Kraftpakete im Süden Münchens, doch auch die Bayern sind auf Bauteile von anderen Herstellern angewiesen. Immerhin: „Es konnten keine Lieferprobleme von Bauteilen verzeichnet werden“, sagt Geschäftsführer Fabian Reuter. „Das liegt unter anderem auch daran, dass ein Großteil der Bauteil aus Europa stammt und kontinuierlich an einer europafreundlichen Sourcing-Strategie gearbeitet wird. Aktuell bereiten wir uns auf einen starken Produktionsanstieg aufgrund hoher Nachfrage sowie der anstehenden Produkt-Roadmap vor.“ Man könnte sagen, dass die Industrie erwachsen wird.

Und 2021? „Das Jahr 2021 ist weiterhin geprägt von einer nie dagewesenen Nachfrage nach Fahrrädern. Aber die Knappheit an Komponenten und Produktionskapazitäten hält ebenfalls weiter an.“

Das spüren auch die Bike-Hersteller. „Die Pandemie hat das Bedürfnis nach Freiheit und Unabhängigkeit gesteigert“, sagt Thomas Eichentopf von Diamant. „Der Trend zum Rad ist ein positiver Ausdruck davon. Im letzten Frühjahr habe ich flapsig gesagt: Fahrräder sind das neue Toilettenpapier.“ Bedeutet: Wer jetzt Räder bestellt, muss länger warten. Und möglicherweise auch höhere Preise bezahlen.

Der Direktversender Rose Bikes hat seine Kunden auf »Verzögerungen bis zu sechs Monaten« vorbereitet. Der Grund? Fehlende, fix zugesagte Teile und Komponenten aus Asien für die Bike-Montage.

Die Hersteller versuchen daher, sich entsprechend aufzustellen. Natürlich seien die Hersteller nicht ganz so „just in time“ aufgestellt wie Autohersteller, sagt Sudhoff. „Aber es gibt eine klare Produktionsplanung, in welcher Woche welche Modelle gebaut werden sollen. Wenn der Nachschub ausbleibt und die Lagerbestände runtergehen, kann es im Extremfall schwierig werden.“ Er erklärt aber auch, dass viele Anbieter durch das Jahr 2020 gelernt und großzügig geordert haben.

Alles ändert sich

Corona verändert aber auch die Dienstleistungen abseits des Radkaufs. Matthias Faber beispielsweise bietet mit Eriderz in Hamburg Sicherheitstrainings vor allem für E-Bikes an. „Die Nachfrage ist in den Jahren stetig gestiegen“, sagt er. „Derzeit kann ich aber keine Gruppen-Kurse anbieten, wegen des Lockdowns. Und auch die Firmen-Schulungen sind erst mal auf Eis gelegt. Dafür ist die Nachfrage nach Radmieten sehr hoch.“

Rückenwind spürt beim Bike-Leasing, etwa bei JobRad. „Im Corona-Jahr 2020 setzte unmittelbar nach der bundeweiten Öffnung der stationären Fahrradläden im April ein regelrechter „Dienstrad-Boom“ ein“, sagt Rita Leusch von JobRad. „Viele Menschen erkannten (und erkennen) Fahrräder und E-Bikes für sich als optimale Verkehrsmittel: Man ist vergleichsweise infektionssicher mobil, tut viel für die eigene Fitness und Gesundheit – und gerade für Personen, die viel im Homeoffice arbeiten, kann Radeln oder E-Biken ein toller Ausgleich sein. Dementsprechend wird JobRad aktuell besonders stark nachgefragt: Im vergangenen Jahr gab es vermehrt Tage, an denen über 1.000 JobRadler neu aufgestiegen sind.“ Gerade E-Bikes profitieren von der Nachfrage der Fahrradpendler – immerhin ermöglichen sie, bequem im Büro anzukommen. Für die Zukunft ist Leusch optimistisch: „Wir erwarten, dass unsere Dienstleistung mindestens so stark nachgefragt wird wie 2020 und dass zahlreiche Unternehmen aller Branchen und Größen ihr JobRad-Angebot an den Start bringen werden.“

Vielleicht reicht es ja, den Rekord aus dem Jahr 2020 zu knacken.

19.05.2021    Arne Gottschalck
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