James Bond kennt die Frage, ebenso erfolgreiche Geschäftsmänner wie Businessfrauen: Welche Uhr zum blauen Kammgarneinreiher oder Twinset? Ihre Antwort lautet immer: „Im Zweifel ist weniger mehr.“ Die bunte Surfuhr kann in der Schublade bleiben, die schwere Taucheruhr ebenso. Stattdessen hat die Anzuguhr oder Dresswatch ihren Auftritt. Eine Uhrengattung, die wenig aufträgt und sich optisch nicht in den Vordergrund drängt. Langweilig, könnte man meinen. Und doch haben sich Anzuguhren zu einer ganz eigenen Klasse entwickelt.
Zurück zu den Wurzeln
In den nackten Zahlen etwa des Schweizer Uhrenverbands Federation of the Swiss Watch Industry FH lässt sich diese Entwicklung nicht nachvollziehen. Sie beleuchten vor allem die unterschiedlichen Preisklassen. Hingegen ist es für viele Hersteller so etwas wie kaufmännisches Kalkül, solche Uhren im Portfolio zu haben. Der Grund liegt auf der Hand: Dresswatches sind ein wenig ein Jedermann-Produkt im besten Sinne des Wortes, gehen zurück zu den Wurzeln des Armbanduhrenbaus.

Verständlich wird das aus einem anderen Blickwinkel: Eine knallbunte Digitaluhr? Ist nicht jedermanns Sache. Die wuchtige Taucheruhr? Trägt manchmal eben zu dick auf. Was als einendes Element bleibt, ist jene Dresswatch.
Dazu kommt, dass die Definition dieser Kategorie den Herstellern beim Design und bei der Ausstattung durchaus Spielraum bietet, um dort auch eine unternehmenseigene Formensprache aufzugreifen. Kein Wunder also, dass die allermeisten Hersteller ein oder mehrere entsprechende Modelle im Portfolio haben. Bei Union Glashütte zum Beispiel nennt man auf Nachfrage Modelle wie die Linie „1893 Johannes Dürrstein“, „Belisar Chronograph Mondphase“ und „Noramis Chronograph“. Weil sie in den Augen des Unternehmens für zeitlose Eleganz stehen, mit hochwertigen Materialien und präziser Verarbeitung aufwarten. Genau das macht eine Dresswatch aus. Im Auftritt etwas filigraner, der Durchmesser nur bis zu 40 Millimeter. Drei-Zeiger-Design ist beinah Standard. Und vom Material her greifen die Hersteller eher auf althergebrachte Werkstoffe zurück, etwa Gold, Platin oder auch Edelstahl – ergänzt vielfach um ein Lederarmband.

Preisfrage, aber nicht nur
Klassisch eben. Das ist nicht zwingend eine Frage des Geldbeutels. Freilich lassen sich fünfstellige Beträge für eine Dresswatch ausgeben, etwa für die „Lange & Söhne Saxonia Thin“. Ihr Werk ist nicht einmal drei Millimeter hoch, sodass der schlanke Auftritt gewährleistet ist. Zu haben ist die Uhr in unterschiedlichen Ausstattungen, etwa in Weißgold für über 24.000 Euro. Oder die „Omega De Ville Ladymatic“. Die Baureihe beginnt mit einem Modell aus Stahl, schlicht, mit einem Hauch Extravaganz durch das Zifferblatt aus Perlmutt. Der Preis liegt bei 9.500 Euro. Uhren in dieser Preisklasse finden zunehmend ihre Käufer, zeigt auch eine Untersuchung der Unternehmensberatung McKinsey. Sie prognostiziert, dass das Interesse an Luxusmarken bis 2025 leicht zunehmen werde. Schrumpfen soll dagegen die Nachfrage nach dem Mittelsegment. In der Klassifikation von McKinsey ist das die Preisspanne zwischen 180 und 3.600 Dollar. Kampflos räumen wird aber kein Hersteller seinen einmal erworbenen Marktanteil in dieser Preisgruppe. Entsprechend gibt es eine Menge Dresswatches auch in dieser Preisklasse.

Geschmack statt Jahreszeit
Denn tatsächlich sind die Dresswatches für so manchen Anbieter eine wichtige Kategorie. Für Mido beispielsweise erklärt CEO Franz Linder auf die Frage nach der Bedeutung: „Das hängt vom Land ab. In einigen Märkten machen Dresswatches den größten Teil des Geschäfts aus. In Europa ist der Anteil etwas geringer.“ Weihnachten spielt dabei übrigens nicht die alles überstrahlende Rolle, die sich vermuten ließe. „Etwas Saisonalität gibt es immer, aber weniger ausgeprägt als früher. Der Kunde kauft primär nach Geschmack und nicht nach Jahreszeit.“ Bei Mido fällt zum Beispiel die „Multifort Patrimony“ in diese Kategorie mit ihrem Preis von 1.020 Euro. Oder beim Konkurrenten Mühle Glashütte die „Teutonia IV Großdatum“ ab 3.150 Euro.
Mit anderen Worten: Dresswatches bieten in der Regel zwar nicht das technologische Feuerwerk einer Großen Komplikation, dafür aber einen zurückgenom- menen Auftritt, mit dem Träger oder Trägerin eigent- lich nie falsch liegen können. Damit sind sie ein loh- nender Markt für Unternehmen. Und das nicht nur zur Weihnachtszeit.
