Uhren-Trend

Jetzt kommt Farbe ins Spiel

In diesem tristen Corona-Winter setzen viele Uhrenhersteller auf schrille Töne. Das Ziel: Die bunte Attacke soll Aufmerksamkeit generieren. Aber haben damit auch die bisherigen Lieblingsfarben der Hersteller – Grau, Schwarz, Blau – ausgedient?

21.01.2021

Die trauen sich was! Zuletzt mussten Uhrenfans und -kenner immer öfter zweimal hinschauen, wenn namhafte Marken ihre neuen Produkte vorstellten. Da hatte Zenith ein skelettiertes Werk in einem kräftigen Violett beschichtet, Rolex präsentierte seine neue „Oyster Perpetual“ unter anderem mit Blättern in Zitronengelb und Bonbonpink. Carl F. Bucherer legte eine Color-Edition seiner markigen „TravelTec“ in vier poppigen Zifferblattfarben mit passenden Kautschukbändern vor. 

ZENITH DEFY 21 ULTRAVIOLET
Zenith: „Defy El Primero 21 Ultraviolett“, Chronographenwerk, Titangehäuse 44 mm, Kautschuk-Armband, 13.100 Euro

Leuchtendes Türkis, Kirschrot und Apfelgrün sind Töne, die von preiswerten Modeuhren bekannt sind, von femininen Accessoires. Allenfalls auf Sportuhren waren funktionale Akzente in typischen Signalfarben okay. Klassische hochwertige Zeitmesser, vor allem jene für Herren, zeigten bisher ihre Exzellenz durch farbliche Zurückhaltung. Schließlich ist Zeit eine ernste Sache – und die Armbanduhr seit 100 Jahren Teil einer bürgerlichen Uniform, die auch Band und Zifferblatt vorgibt: Schwarz, Weiß, Silbergrau und Beige.

Wird die Ausnahme zur Regel?

Zwar gab es in den vergangenen Jahren vereinzelt schrille Uhren mancher Hersteller. Uhren für jene, die schon alles haben. Hublot etwa besitzt eine große Expertise darin, solche Stücke aus ungewöhnlichen Materialien zu entwickeln, die – am Arm der Reichen und Schönen – die Marke im Gespräch halten. In einem Jahr ohne Uhrenmessen liegt der Verdacht nicht fern, dass auch andere Unternehmen auf diesem Wege auf sich aufmerksam machen wollen.

Chronoswiss setzt seit Jahren ungewöhnliche, laute Farben ein, die inzwischen das Bild der Kollektion mitbestimmen. Chefdesigner Maik Panziera sagt: „Als kleine Marke müssen wir ja auch gesehen werden.“ Zunächst gilt es, die Entwürfe intern durchzusetzen. „An meinen Vorschlägen wird sich natürlich zunächst mal gerieben. Und im Handel haben wir die Dosis langsam gesteigert – erst ein paar farblich extreme Stücke lanciert, die aber gut angenommen wurden.“

Tatsächlich sprächen die farbenfrohen Uhren auch andere Käufer an, so Panziera. „Nicht etwa eine jüngere Altersgruppe, sondern Leute mit einem anderen Mindset. Die wollen das, was eben nicht alle haben.“ Zum Beispiel eine Chronoswiss in „Electric Blue“. Panziera neigt bei seinen Kreationen zu Nebentönen, „kein Blaublau, sondern ,Electric Blue‘. Dem einen tut’s im Auge weh, der andere sagt: Die muss es sein!“

Blau ist das neue Schwarz

Herkömmliches dunkles Blau wurde vor etwa sieben Jahren zum großen neuen Thema auf der Zifferblatt-Palette, erinnert sich Manfred Brassler, Gründer von MeisterSinger: „Inzwischen ist Blau gar keine Farbe mehr, sondern der Uhrenanzug schlechthin, das neue Schwarz.“

MeisterSinger Metris Mellow Yellow
MeisterSinger: „Metris Mellow Yellow“, Einzeigeruhr, Edelstahlgehäuse 38 mm mit DLC-Beschichtung, Lederband, 1.690 Euro

MeisterSinger hat sich auch an anderen kräftigen Tönen versucht, an dunklem Rot und tiefem Grün. „Nicht zuletzt, um mehr Aufmerksamkeit zu erzielen“, sagt Brassler. „Auch der Fachhändler zeigt gern mal etwas Ungewöhnliches. Eine quietschige Uhr im konventionellen Sortiment als Angelhaken. Der Juwelier wird den Mann finden, dem das gut steht. Aber er findet nicht so schnell noch einen und bestellt die ‚riskante Farbe‘ eher zögernd nach.“ 

Grün neben Blau als weitere Farbe zu etablieren ist MeisterSinger so wenig gelungen wie anderen Marken. Nicht zuletzt vielleicht, weil es sich bei der Anprobe am Arm von Männern in weißen und blauen Hemden immer deplatziert ausnimmt.

Trend – oder kein Trend?

Uwe Beckmann leitet die Wempe-Niederlassung in Frankfurt am Main. Er sieht in seinem Sortiment noch keinen Trend zu auffallenden Farben: „Unser Angebot ist im hochwertigen Bereich eher konservativ, mit wenigen extrovertierten Highlights.“ Bei Rolex, bei Hublot und auch bei Breitling hätten Uhren in kräftigen Tönen schon eine längere Tradition – vor allem im sportlichen Bereich. Zum Beispiel beim Kult um die zweifarbigen „Pepsi“-Lünetten, die erste Wegbereiter für das Farbthema gewesen seien.

„Wenn andere Marken Farbe präsentieren, dann sind diese Uhrenmodelle Highlights der Marke im Schaufenster. Verkauft werden dann aber die konventionelleren Varianten“, hat Beckmann beobachtet. Und er vermutet: „Manche Marken produzieren besonders auffällige Modelle wohl auch, um damit in den Lifestyle-Magazinen präsent zu sein und die Influencerinnen und Influencer zu begeistern. Produziert und verkauft werden diese Uhren vermutlich nur in geringen Stückzahlen.“

Neue Techniken plus Tradition

Chronoswiss-Designer Panziera sieht eine Generation neuer Kunden heranwachsen, die im Alltag von immer mehr Farben umgeben ist und die ein anderes Luxusverständnis ausprägt: „Das klassische bürgerliche Bild gibt es nicht mehr. Darum sehen auch die Boutiquen der großen Lifestyle-Marken heute alle unterschiedlich aus, vor allem entspannter, lässiger.“

Big Bang Unico Blue Magic von Hublot
Hublot: „Big Bang Unico Blue Magic“, Keramikgehäuse 42 mm, Kautschukband, 19.600 Euro

Panzieras Spezialität ist ein Überzug transparenter Emaille auf guillochierten Oberfächen. Er sucht dafür immer neue Varianten. „Emaille kann man allerdings nicht anmischen“, erklärt er, „und bei den wenigen Emaille-Herstellern wächst die Farbpalette sehr langsam. Aber es gibt immer mehr Möglichkeiten zur Farbbeschichtung. Wir arbeiten mit DLC, PVD, CVD – und kombinieren die neuen Techniken mit traditionellem Handwerk.“

Markttauglichkeit nicht außer Acht lassen

So experimentierfreudig ist auch MeisterSinger-Gründer Brassler: „Bei der Gestaltung einer Uhr denke ich nicht an einen bestimmten Kundentyp. Die Uhr soll für sich stehen, wie ein Objekt, das seine Gültigkeit lange behält. Dafür bin ich immer auf der Suche nach neuen Farben.“

Zugleich müsse er aber an die Markttauglichkeit des Produkts denken und könne sich darum wenig Extravaganz erlauben. „Die gelbe ,Metris‘ habe ich heimlich gemacht – der Produktausschuss wäre sicherlich dagegen gewesen – und sie auf der Messe in unsere Vitrine geschmuggelt. Das brachte uns eine Menge Aufmerksamkeit. Und die Uhr verkaufen wir sehr gut.“

Mut haben und etwas verrücktes wagen

Beckmann bleibt neuen Farbideen gegenüber aufgeschlossen: „Markenübergreifend haben Uhren in den vergangenen Jahren mehr Aufmerksamkeit in Deutschland bekommen: Die hiesigen Kundinnen und Kunden besitzen mittlerweile mehr Uhren, etwa drei Modelle mit silbernem Zifferblatt, zwei mit schwarzem. Ich freue mich, wenn etwas mehr Farbe ins Spiel kommt. Das Angebot wird dadurch interessanter und vielfältiger.“ Und in Zeiten der Pandemie gelte womöglich auch für viele, die ihr Geld nicht auf Reisen ausgeben können: „Jetzt gönne ich mir eine echt verrückte Uhr!“

Den Mehrwert der mutigen Töne erlebt Panziera schon bei der Arbeit: „Wenn ich so einen Prototyp am Handgelenk trage, wenn die Farbe in der Sonne wechselt – das macht gute Laune!“