Foodtrends

Fleischersatz-Innovation aus der Schweiz

Das Fleischalternativen-Start-up Planted ist groß geworden. Im wahrsten Sinne. Fünf Jahre nach der Gründung ist aus dem einfachen Tisch in der Experimentierküche eine große Produktion geworden, aus einem kleinen Team wurden mehr als 200 Mitarbeitende. Ein weiteres Werk in Bayern startet 2025. Ein Ortstermin.

Ein Koch beim Anrichten von kleinen Gerichten mit Fleischersatz

06.03.2025

Im schlichten Teamraum hängt ein Foto. Um die 80 Menschen grinsen in die Kamera. Einer davon ist Christina. 2000 war sie die erste Mitarbeiterin von Planted. Heute ist sie eine von mehr als 200 Angestellten rund um das Gründerquartett Pascal Bieri, Christoph Jenny, Eric Stirne­mann und Lukas Böni. Und es werden mehr. Im Frühjahr 2025 eröffnet das Unternehmen einen weiteren Standort in Memmingen mit 50 Arbeitsplätzen. Grund genug für einen Besuch am Keimort der Protein-Revolte: der Firmensitz inklusive gläserner Produktion und Bistro im schweizerischen Kemptthal.

Ansicht auf eine Pinnwand mit Grünpflanzen und einer Leuchtschrift, auf der "eat planted" steht
Bio-Banksy im eigenen Bistro: Eine Kooperation mit „Hiltl“, dem ältesten vegetarischen Restaurant der Welt

Pflanzliche Schlachtkörper

Auf dem Gelände, von wo aus einst Julius Maggi mit der gleichnamigen Würzsauce die Küchen beglückte, befindet sich heute eine Art Haus im Haus: ein gut 1.500 Quadratmeter großes Glashaus mit zwei Produktionslinien. Hier wird aus Pflanzenmehl, Wasser und Öl ein Teig gemischt, der in einem Extruder zu einem proteinhaltigen Rohstoff verdichtet wird. Dieser „Schlachtkörper“ – wie es ein Fleischer tatsächlich mal nannte – hat eine faserige längliche Struktur, ähnlich tierischem Muskelfleisch. Über Laufbänder, Sortiermaschinen und Fermentationsanlagen wird es zu Chicken Natur, Kebab Original oder Pulled BBQ verarbeitet. Ingesamt 20 Tonnen werden so täglich produziert. 2019 in der kleinen Experimentierküche waren es 30 Kilo pro Tag. Nicht nur deshalb gilt Planted als Vorzeigeunternehmen in Sachen FoodTech.

Fleischersatz: Preisbewusst oder -Frust?

Herz des Unternehmens sind Technologien, mit der pflanzliche Proteine zu fleischartigen Produkten mit einem entsprechend hochwertigen Proteingehalt umgewandelt werden, ohne dabei den Umweg über ein Tier zu gehen. Die eigentliche Reihenfolge „Pflanzen füttern, Tier schlachten, umgewandeltes Protein konsumieren“ wird so unterbrochen. „Wir wollen bei der ökolgisch sinnvollen Ernährung nicht einfach nur ein bisschen mitspielen, sondern wir sind überzeugt, die beste Lösung für das Protein-Problem unserer Zeit zu haben“, sagt Pascal Bieri.

Aber auch aus ökonomischer Sicht sind die Verfahren wichtig. „Wir wollen eine nachhaltige, gesunde, schmackhafte und nicht zuletzt auch günstige Alternative anbieten“, sagt Bieri. Denn gerade in Deutschland, mit 80 Prozent Export der größte Markt für Planted, steht der Preis im Vordergrund. „Der Handel erwartet von dir, dass du mitspielst, nicht zu teuer bist“, so Bieri. „Also haben wir uns gesagt: Dieses Argument wollen wir möglichst gar nicht erst gelten lassen. Und da sind es eben Technologien und Automatisierungen, die inhärent definieren, wie weit etwas skalierbar ist. Das sind unsere Stellschrauben.“

Ein Foto aus der Produktion der Planted Fleischersatz Produkte
Hier wächst was: Die gläserne Produktion steht für Transparenz und Effektivität. 20 Tonnen „Fleisch-Alternative“ gehen hier pro Tag raus

Planted hat sich seine Verfahren zudem patentieren lassen. „Das ist etwas, das uns von jeglicher Konkurrenz unterscheidet. Und es ist natürlich wichtig, dass wir das auch selbst in der Hand haben. Randaspekte wie zum Beispiel das Packaging können andere beisteuern. Aber die Kerntechnologie eines Unternehmens muss sein Eigen und im Bestfall sogar selbst entwickelt sein“, betont Bieri.

Dafür braucht es natürlich eine entsprechende Umgebung, einen idealen Nährboden. Für Planted war das die renommierte ETH – Eidgenössische Technische Hochschule – Zürich. Hier wurden die Gründer Teil einer hauseigenen Foundation. „Das hat uns sehr viel ermöglicht“, so Bieri. „Ohne die ETH gäbe es uns nicht. Dieses Ökosystem aus Förderung, Expertise, Talenten und Entwicklungsgeist war Gold wert.“ Und dann natürlich der Name. ETH ist gerade in der Schweiz ein Qualitätssiegel und genießt beim Großteil der Bevölkerung viel Vertrauen. „Das bringt aber auch viel Verantwortung mit sich und zum Teil sicher auch eine Vorbildfunktion.“ Bieri sieht sich als Sparringspartner für andere junge Unternehmen. Zudem hat einer der Gründer gerade eine Professur an der Hochschule übernommen: „Das ist natürlich schade für uns; andererseits ist er auch nicht richtig weg. Wir sind ja eng verbunden.“

Rein in die Szenelokale

Verschiedene Gerichte mit Fleischersatzprodukten
So kann FoodTech sein: Wie für alle anderen Planted-Produkte gilt auch für das neue Steak die Maxime „nur natürliche Zutaten und keine Zusatzstoffe“

Während sich intern viel um Technologien und Skalierbarkeit dreht (noch ist das Unternehmen nicht rentabel, wächst aber zweistellig), sieht Bieri bei Kunden und Kundinnen ganz andere Aspekte im Vordergrund. „Das interessiert die nicht. Da müssen wir ganz klar das Produkt in den Fokus stellen. Natürlichkeit ist gefragt.“ Planted netzwerkt und geht viele Partnerschaften ein. Zunächst war es Ziel, die Marke über die lokale Gastronomie bekannter zu machen. „Wir wollten in jedem Viertel den angesagtesten Laden finden und da auf der Karte stehen“, so Bieri. Große Namen wie „Tim Raue“ und „Hiltl“ kochen mit den Produkten auf Sterneniveau. „Dean&David“ serviert sie in den Städten, das Bordbistro der Deutschen Bahn auf den Strecken dazwischen. Edeka, Rewe, Billa, Tesco, Carre four führen den Fleischersatz. Und jetzt das neue Werk in Bayern.

Beim Rundgang durchs Glashaus grüßt Bieri viele Mitarbeitende persönlich mit Namen. Wie viele kennt er noch? „Drei Viertel. Oder, na ja, eher zwei Drittel.“ Das habe er am Anfang unterschätzt: was es bedeutet, sich für so viele Menschen verantwortlich zu fühlen.

Pascal Bieri

ist einer von vier Planted-Gründern und Flexitarier zu Marktforschungszwecken