Nico Rosberg Rennfahrer Formel 1
24.06.2020    Madeline Sieland
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Eine Ära geht zu Ende: Ab 2021 wird es keine Formel-1-Rennen mehr im deutschen Free-TV geben. RTL, wo die Rennen seit 1991 zu sehen sind, verliert die Übertragungsrechte an den Pay-TV-Sender Sky. „Das ist schade, weil viel weniger Deutsche dann Zugang zu dem Sport haben werden“, sagt Nico Rosberg, Formel-1-Weltmeister von 2016, im Gespräch mit DUB UNTERNEHMER-Verleger Jens de Buhr.

Rosberg ist auch in dieser Saison, die am 5. Juli startet, als Experte für RTL bei den Rennen im Einsatz: „Ich liebe die Formel 1 und werde immer einer ihrer größten Fans sein.“ Nach dem Ende seiner aktiven Karriere hat sich Rosberg allerdings einem Bereich zugewandt, der auf dem ersten Blick nicht wirklich zum Motorsport passt: Er macht nun Karriere als Nachhaltigkeitsunternehmer und Investor in grüne Technologien.

Rosberg ist unter anderem an den Mobilitäts-Start-ups Volocopter, Lilium, Tier und Chargepoint beteiligt. Er ist außerdem Investor und Anteilseigner der elektrischen Rennserie Formel E. Zudem hat er das GreenTech-Festival initiiert, das vom 16. bis 18. September in Berlin stattfand.

Im Interview spricht er über die Klimakrise, Flugtaxis und Tesla-Chef Elon Musk.

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Im Schnitt haben im vergangenen Jahr vier Millionen Zuschauer die Formel-1-Rennen bei RTL verfolgt; 2018 waren es noch 4,5 Millionen pro Rennen. Wie lassen sich die Übertragungen für TV-Zuschauer attraktiver gestalten?

Nico Rosberg: Da lohnt der Blick in eine andere Rennserie: Die Formel E ist ein Pionier, wenn es darum geht, die Interaktion mit den Zuschauern zu fördern. In der Rennserie kann man per Social Media für seinen Lieblingsfahrer abstimmen. Wer die meisten Stimmen hat, bekommt im Rennen mehr PS. Das finde ich sensationell; da ist man als Zuschauer voll integriert und weiß, dass man jemandem dank des Votings vielleicht zum Rennsieg verhilft.

Die Formel 1 schläft aber auch nicht. Denken Sie nur an die Netflix-Serie „Drive to Survive“. Ich hätte es vor fünf Jahren nie für möglich gehalten, dass es eine Serie über die Formel 1 bei Netflix gibt und dass man damit 30 Millionen Menschen erreichen kann.

Und um einmal in die Zukunft zu schauen: Ich sehe in Virtual Reality großes Potenzial. Der Zuschauer sitzt auf seinem Sofa, zieht die Brille auf und hat so quasi das Gefühl direkt im Boliden von Lewis Hamilton zu sitzen. Das sorgt nicht nur für mehr Spaß und Spannung während des Rennens, sondern wäre auch gut für die Umwelt. Denn so ließen sich die Zuschauerzahlen an der Strecke reduzieren. In der Tourenwagen-Rennserie DTM hat man gemessen, dass die Zuschauer für 90 Prozent der Emissionen verantwortlich sind.

Sie haben 2016 fünf Tage nach dem Gewinn des Weltmeistertitels überraschend Ihren Rücktritt bekannt gegeben. Haben Sie das bereut?

Rosberg: Der Exit auf dem Höhepunkt der Karriere – das war natürlich sehr gewagt. Aber vier Jahre später kann ich sagen: Für mich persönlich war es definitiv die richtige Entscheidung. Ich schwebe immer noch auf Wolke sieben. Und das wird immer so bleiben, denn der letzte war auch der schönste Moment in meiner 20-jährigen Karriere als Rennfahrer.

Inzwischen fokussieren Sie sich als Unternehmer und Investor auf Nachhaltigkeit. Motorsport und Nachhaltigkeit – ist das nicht ein Widerspruch?

Rosberg: Ich bin nicht der neue Öko-Papst, ich bin keine Greta Thunberg – auch wenn ich sie enorm respektiere. Ich bin Unternehmer mit Leidenschaft. Und bei allem, was ich angehe, spielt der Impact, also die mögliche Veränderung zum Positiven, neben den finanziellen Aspekten eine gleichwertige Rolle.

Und: Auch in der Formel 1 wird man immer umweltbewusster. Die Rennserie will bis 2030 CO2-neutral sein. Man darf zudem nicht vergessen, welche technologischen Innovationen für Straßenautos in der Formel 1 ihren Anfang nahmen – zuletzt etwa die Hybridmotoren.

Skizzieren Sie bitte Ihre Vision von der Mobilität der Zukunft.

Rosberg: Ich glaube, Mobilität ist künftig komplett emissionsfrei und sehr effizient. Dank eines Abo-Modells sind die Verkehrsmittel zudem schnell und einfach zu buchen. Wir zahlen in der Basis-Variante als Beispiel 49,90 Euro im Monat und haben damit Zugang zu diversen Anbietern.

Das kann dann in der Praxis zum Beispiel so aussehen: Ich buche mir morgens ein Carsharing-Auto und fahre damit zum Bahnhof – autonom natürlich. Mit der Bahn geht es dann von Berlin nach München. Dort wartet schon das Flugtaxi. Es hat einen Elektromotor und fliegt autonom, also ohne Pilot. Damit lande ich dann auf einer Wiese in der Nähe meines Ziels und fahre die letzten Meter mit dem E-Scooter zum Geschäftstermin oder zum Grillabend mit Freunden.

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Stichwort Flugtaxi: Sie sind in die Start-ups Volocopter und Lilium investiert. Welches Potenzial sehen Sie in der sogenannten 3-D-Mobilität?

Rosberg: Eine Studie von Porsche Consulting prognostiziert, dass bis 2035 rund 23.000 Flugtaxis im Einsatz sind. Sie werden die Staus und den Dreck in den Städten reduzieren, aber auch den Lärm. Denn sie sind batteriebetrieben, und damit ist der Geräuschpegel gering. Schon das steigert die Lebensqualität. Flugtaxis erleichtern zudem das Pendeln zum Arbeitsplatz und ermöglichen es so mehr Menschen, außerhalb der Städte auf dem Land zu leben.

Bis dahin sind allerdings auch noch ein paar Herausforderungen zu meistern. Die Batterieentwicklung muss noch Fortschritte machen; Batterien müssen leichter werden, damit die Flugtaxis auch über größere Entfernungen fliegen können. Und es müssen neue Luftwege entstehen zwischen der Stadt und dem bestehenden Luftverkehr. So etwas dauert. Da will niemand zu früh zu viel Risiko eingehen. Deshalb werden wir die ersten kommerziellen Flüge wohl auch nicht in Europa sehen. Die Ersten werden wahrscheinlich Singapur, Dubai, vielleicht Hongkong sein.

Sie sind ein Verfechter von Elektromobilität. Wird Tesla-Chef Elon Musk von der deutschen Automobilindustrie immer noch unterschätzt?

Rosberg: Ich hatte kürzlich ein Dinner mit einem Vorstand aus der Automobilindustrie, und er hat mir gesagt: „Ich glaube immer noch, dass Elon Musk mit Tesla den Bach runtergehen wird.“ Es ist also tatsächlich nach wie vor so, dass selbst die Experten der Branche es nicht für möglich halten, dass Musk mittelfristig weiter erfolgreich sein wird.

Die Seltenheit bei Musk ist: Er ist ein unglaubliches Ingenieur-Genie und gleichzeitig ein unglaubliches Marketing-Genie. Es ist wahnsinnig selten, dass ein Mensch diese beiden Fähigkeiten vereint. Und dadurch ist es ihm ganz allein gelungen, die Mobilitätsindustrie auf den Elektromotor zu bringen. Die Mission von Tesla ist es allerdings nicht, so viele Elektroautos wie möglich zu verkaufen. Die Mission von Tesla ist, die Energiewende zu beschleunigen.

Wird es uns leichter fallen die Klimakrise zu meistern, wenn wir die Corona-Pandemie bekämpft haben?

Rosberg: Derzeit steht die Klimakrise klar hinter der Corona-Pandemie zurück. Die Erderwärmung ist zudem ein Prozess, der viel langsamer vonstattengeht als die Pandemie. Diese hat uns gefühlt von heute auf morgen überrollt. Und das macht es leichter, gemeinsam konsequent dagegen anzugehen.

Dennoch sehe ich gerade trotz Krise positive Signale von Regierungen, vor allem Frankreich war führend. Die Air France wurde von der Regierung gerettet – unter der Bedingung, dass die Airline eine der grünsten der Welt wird und vermehrt in innovative Technologien bis hin zu Biokraftstoff investiert. Zudem wurden der Air France die Kurzstreckenflüge im Inland weggenommen. Die Verbindungen bedient die Bahn, die in Frankreich sowieso schon emissionsfrei unterwegs ist.

24.06.2020    Madeline Sieland
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