Schon Udo Lindenberg besang Ende der 1970er-Jahre in „Wir sind Rocker“ den Mythos Motorradfahren und erzählte davon, wie einem ein Ausflug auf zwei Rädern den Kopf freiblasen und einen echten Ausgleich zum stressigen Berufsalltag mit einem Hauch Freiheit und Abenteuer liefern kann.
Das gilt annähernd ein halbes Jahrhundert später in unserer hoch technisierten und zunehmend auch digitalisierten Welt umso mehr. Kein Wunder also, dass veritable Motorräder längst zu begehrten Klassikern oder technisch hoch gerüsteten Lifestyle-Produkten fernab von jeglicher „Geiz ist geil“-Mentalität geworden sind. Das gilt natürlich erst recht für die legendären Maschinen von Harley-Davidson.
Harley-Davidson verkörpert Freiheit, Individualität und Nonkonformismus
Das bestätigt auch Matthias Meier, Vorstand des Verbands der Harley-Davidson-Vertragshändler DACH und Europa: „Der wichtigste Grund für die Anschaffung einer Harley-Davidson ist die Erfüllung eines Traums. Einen erheblichen Beitrag dafür liefern die Werte, die die Marke verkörpert: Freiheit, Individualität und Nonkonformismus.“
So unangepasst und eigenständig Harley-Davidson nach eigener Darstellung auch ist, so heterogen und bunt ist seine Kundschaft. Den typischen Harley-Fahrer gibt es deshalb nicht. „Das Spektrum ist weit gefächert und reicht vom Auszubildenden, der sich die Anschaffung und das Halten seines Motorrads vom Munde abspart, bis zum Manager, der bereits mehrere Harleys in der Garage hat“, erklärt Meier. Und weiter: „Die meisten Kunden sind Ende 40 oder Anfang 50, angestellt oder selbstständig.“
Dabei scheint alle ein Motto zu verbinden: einmal Harley, immer Harley – erst recht im Jubiläumsjahr zum 120-jährigen Bestehen der Kultmarke. Das börsennotierte US-Unternehmen mit Sitz in Milwaukee, Wisconsin/USA, wurde bereits 1903 gegründet, beschäftigt heute nach eigenen Angaben weltweit mehr als 5.000 Mitarbeitende und hat 2022 global rund 180.000 Motorräder verkauft – mit einem Umsatzerlös von 5,76 Milliarden US-Dollar.
Fahrtraining für Neu- und Wiedereinsteiger
Aber auch an der Milwaukee Iron, so der Spitzname einer Harley-Davidson, geht die Mobilitätswende nicht spurlos vorbei, wird der Spagat zwischen rustikalem Verbrenner-Chopper und stylischem Elektro-Bike immer anspruchsvoller. Denn für die begehrte US-Marke gilt ebenfalls: Die Zukunft ist elektrisch. Deshalb vertreibt Harley-Davidson seine E-Modelle jetzt quasi separat unter der Marke LiveWire.
Davon wollen freilich die allermeisten Wiedereinsteiger erst mal wenig bis gar nichts wissen. Sie sind eher gierig auf das tief blubbernde, basslastige Wummern aus dem vergrößerten Auspufftopf einer Fatboy oder Streetbob sowie den markanten Spritgeruch, der sich oftmals bereits vor Jahrzehnten auf der Biker-Festplatte eingebrannt hat.
Damit beim Wiederaufstieg auf die zwei Räder nichts schiefgeht, bietet Harley-Davidson Wiedereinsteiger-Kurse an. Bei vielen Ex-Bikerinnen und Ex-Bikern, darunter Unternehmer, Manager oder Abteilungsleiter, sind die Kinder inzwischen aus dem Haus, und die Karriere ist weitgehend gemacht. Es kommt wieder die Zeit für Hobbys und dafür, die angestaubten Fahrkenntnisse auf einer Milwaukee Iron aufzupolieren. Die Harley-Trainings finden in der Regel bei Vertragspartnern statt. Deutschlandweit gut verteilt gibt es 67 davon.
Wem es also in den Fingern juckt, obwohl er Jahre oder gar Jahrzehnte nicht mehr auf einem Motorrad gesessen hat, der oder die kann sich auf diese Weise ganz soft wieder an das einmalige Gefühl herantasten. „Unsere ‚Back to Biking‘-Kurse sind extra dafür ausgerichtet und passen auch für Neueinsteigerinnen und -einsteiger“, verspricht Roger Gierz, Geschäftsführer von Harley-Davidson Nord in Hamburg-Farmsen.
Hamburg ist ein Hotspot für Harley-Davidson
Die Hansestadt ist traditionell ein absoluter Harley-Hotspot mit einer sehr hohen Fahrerdichte. Eröffnete doch am 1. Februar 1910 an der Marktstraße im Karolinenviertel Georg Suck die erste Harley-Davidson-Vertretung in Deutschland, womöglich sogar in Europa. Das ist aber längst Geschichte. Ganz real sind und bleiben die Wiedereinsteiger-Workshops. Gierz: „Der Kurs kostet 69 Euro, ist online oder telefonisch buchbar und dauert vier Stunden.“ Als Instruktor fungiert ein motorradaffiner Fahrlehrer, der maximal bis zu acht Personen betreut.
„Wir stellen zwar die Maschinen und gegebenenfalls auch Helm und Co., halten uns aber ansonsten raus. Denn gerade das Gruppengefühl und der Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmenden sowie mit dem Dozenten sind wichtig und wertvoll“, betont Gierz. Zunächst werden Basics auf dem Harley-Gelände in Farmsen geübt, dann geht es freiwillig auf die Straße. Gierz: „Das wird immer gut angenommen, und die Leute haben richtig viel Spaß dabei.“