In Kürze
- Für eine erfolgreiche Mobilitätswende müssen sich Wirtschaft, Wissenschaft und Politik besser miteinander vernetzen
- Die Mobilität der Zukunft braucht einen Technologiemix, aber auch einen Fokus
- Zuschüsse für den Kauf von Hybridfahrzeugen müssen auf den Prüfstand gestellt werden
Trotz manch vielversprechender Ansätze ist die Branche noch nicht in allen Bereichen soweit. Woran es noch hakt und wie der Automobilstandort Deutschland gesichert werden kann, diskutieren Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans, Grünen-Verkehrsexperte Cem Özdemir, Anish K. Taneja, President & CEO Europe North des Zulieferers Michelin, sowie Professor Michael Bräuninger von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg im DUB Digital Business Talk.
Gemeinsamer Tenor der Runde: Die Herausforderungen von morgen lassen sich nur bewältigen, wenn sich Wirtschaft, Wissenschaft und Politik besser miteinander vernetzen. Denn: „Die Frage ist nicht, ob Innovationen kommen, sondern wer sie macht“, sagt Anish K. Taneja, President & CEO der Region Europe North bei Michelin.
Staatliche Förderprogramme kurbeln Verkauf von E-Autos an
Bei den Elektroautos scheint dieses Rezept – auch dank stattlicher Förderprogramme – langsam aufzugehen: Mit Kaufprämien und Steuervorteilen hat Deutschland im vergangenen Jahr die USA bei den Neuzulassungen von Elektroautos und Hybrid-Fahrzeugen überholt. Laut einer Studie des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) wurden 2020 hierzulande 395.000 Elektrofahrzeuge und Plug-in-Hybride angemeldet. Im weltweiten Vergleich belegt Deutschland damit Platz zwei hinter China. Die Richtung stimmt, eine echte Trendwende weg vom Verbrenner sei das aber noch nicht, so der Wirtschaftswissenschaftler Bräuniniger. Schließlich fehlt es bundesweit vielerorts an der nötigen Ladeinfrastruktur. „Hier hinken wir noch hinterher“, muss Tobias Hans, Ministerpräsident des Saarlandes, zugeben.
Özdemir: Hybrid-Prämie nur bei Einsatz des E-Antriebs
Der Grünen-Politiker Cem Özdemir will die steuerliche Förderung von Kraftfahrzeugen mit Hybridantrieb aufsplitten und an Nachweise koppeln, damit in Zukunft noch mehr Elektroautos verkauft werden. Hybridantriebe dürften keine Mogelpackung sein, der Anreiz für den Einsatz des Elektroantriebs müsse größer werden, so der Verkehrsexperte. Seine Forderung: „Die öffentliche Förderung von Plug-in-Hybriden kann an eine Leistung gekoppelt werden, die nicht nur virtuell erbracht wird. Gegenwärtig gibt es hier eine steuerliche Förderung, ohne dass Leistung erbracht werden muss. Genauso gut könnte man die Batterie ins Handschuhfach packen und mitschenken.“ Gegenwärtig gäbe es eine steuerliche Förderung für eine Leistung, die vielleicht gar nicht stattfindet, kritisiert Özdemir und fordert, dass es erst eine Förderung geben soll, wenn die Fahrleistung zu mehr als der Hälfte elektrisch erfolgt. „Man kann das über die Hauptuntersuchung oder über die Tankkarte regeln. Es gäbe viele Möglichkeiten“, so der Grünen-Politiker.
Antriebstechnologie: Batterie oder Wasserstoff?
Doch ist der aktuelle Fokus auf das Elektroauto überhaupt die richtige Lösung für die Herausforderungen von morgen? Bräuninger, der auch das Economic Trend Research leitet, sieht darin nicht die einzige Antwort: „E-Mobilität ist nicht die Lösung für alles. In vielen Bereichen, gerade in der Stadt, ist sie sinnvoll. Dennoch glaube ich, dass wir in anderen Bereichen weiterhin Hybrid-Lösungen benötigen.“ Der Wissenschaftler beobachtet hierzulande erhebliche Probleme im Ausbau der Energieinfrastruktur und ist sich sicher, dass Deutschland auch in Zukunft von Energieimporten abhängig sein wird. Deshalb setzt er perspektivisch auf Wasserstoff und Wasserstoff-Anwendungen. Bräuninger ist sich sicher: „Die Batterie kann nur eine Übergangslösung sein.“
Özdemir macht sich zwar für einen Technologiemix, aber darin für einen klaren Fokus stark. Die Wasserstofftechnologie sieht er einsetzbar noch nicht am Horizont. „Weil es mit der Klimakrise ernst ist, brauchen wir jede verfügbare Klimatechnologie – aber nicht alles überall“, so Özdemir. Für den Automobilstandort Deutschland bedeute das vor allem, die Zielmarken Wirtschaftlichkeit, Verfügbarkeit, Preis und Sinnhaftigkeit in den Blick zu nehmen. „Dafür müssen wir auf die Wissenschaft hören. Wir brauchen weniger Ideologie und mehr Praxisnähe“, fordert der Vorsitzende des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur im Deutschen Bundestag.
Wie Automobilzulieferer den Wandel in der Mobilität aktiv steuern
Ein Blick in die Praxis macht durchaus Hoffnung: Es gibt bereits viele kleine und einige große Unternehmen, die hochinnovative Lösungen für die Automobilbranche entwickeln und damit wesentlich zu einer nachhaltigen Transformation beitragen. Gerade auch aus dem Bereich der Zulieferer. So investiert Michelin beispielsweise 140 Millionen Euro in Bereiche, die mit dem originären Geschäftsfeld auf den ersten Blick eher am Rande zu tun haben, so Taneja. In Zukunft will der zweitgrößte Reifenhersteller der Welt auch mit Wasserstoffantrieben erfolgreich sein. Dafür hat Michelin zusammen mit Faurecia das Joint Venture Symbio gegründet. „Das machen wir nicht, weil wir hoffen, dass in 20 Jahren vielleicht mal etwas zurückkommt. Wir gehen davon aus, dass der Return on Investment schon früher einsetzt“, so Tanejas Erwartung.
Auch der Ministerpräsident das Saarlands glaubt, dass den Zulieferern bei der Neuausrichtung hin zu mehr Nachhaltigkeit eine besondere Bedeutung zukommt. Nicht selten sind Zulieferbetriebe oder Start-ups die eigentlichen Technologietreiber, während die Mühlen bei den Automobilherstellern langsamer mahlen. „Deshalb baue ich in der Transformation auf hochinnovative Unternehmen, die weniger auf Tarifverträge und mehr auf Work-Life-Balance setzen. Dort arbeiten junge Menschen und dort werden ganz andere Produkte entwickelt als in den Industrieunternehmen“, sagt Hans.
Warum neue Mobilität bessere Vernetzung braucht
Am Automobilstandort Saarland setzt sich der Ministerpräsident, der zugleich Wissenschaftsminister ist, dafür ein, den Wissenstransfer von den Hochschulen an die Werkbänke zu ermöglichen. Hans hat es sich auf die Fahnen geschrieben, die politischen Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Wissenschaft und Wirtschaft eng zusammenarbeiten. Für einen wirklichen Wandel in der Automobilbranche braucht es aber noch mehr. Nämlich Early Adopter, attraktive Angebote für die Konsumenten und Vertrauen in die Technologie. „Die Zukunft liegt im autonomen und vernetzten Fahren. Dafür braucht es sichere Lösungen“, unterstreicht Hans. Auf Nachfrage nimmt er auch sich selbst in die Pflicht: Zunächst müsse die Politik dafür sorgen, dass die nötige Netzinfrastruktur aufgebaut wird. Denn ohne flächendeckende Glasfaseranbindungen und 5G-Mobilfunkstandard bleibt diese Mobilitätsperspektive in Deutschland vorerst wohl ein Traum.
Helfen Verbote bei der Mobilitätswende?
Fest steht: Die Wende braucht Planungs- und Investitionssicherheit. Dafür kann und muss die Politik sorgen, indem sie langfristige Entscheidungen trifft. „Es wäre wünschenswert, wenn es eine Verständigung unter den demokratischen Parteien über die Ausrichtung gibt, damit auch im Falle eines Wechsels der Mehrheiten über Dekaden hinweg eine Orientierung möglich ist und weiterhin Investitionen getätigt werden“, wünscht sich Özdemir.
Er sieht seinen Job und den der Politik darin, den Rahmen für die Mobilität der Zukunft zu setzen. Auch mit entsprechender Verbotspolitik? „Mein Ansatz ist eine ermöglichende Politik und nicht so sehr eine, die auf Verbote setzt. Ich glaube, dass die Menschen die richtigen Entscheidungen treffen, wenn sie gute Alternativen haben.“ Entwickelt werden diese Alternativen von Unternehmen, die bei der Entwicklung neuer Mobilitätslösungen vor einer gewaltigen Herausforderung stehen: „Wir müssen aber die Balance finden zwischen gesellschaftlicher Verantwortung und Produkten, die unsere Kunden auch bezahlen können“, stellt Taneja klar.