Luxusuhren: Fälscher an die Blockchain-Kette legen
02.10.2020    Arne Gottschalck
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Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Blockchain und hochwertige Uhren zusammenzubringen?

Leonie Flückiger: Die Blockchain war eher Mittel zum Zweck. Wir haben festgestellt, dass es auf dem Secondhand-Markt ein Misstrauen von Seiten der Marktteilnehmer gibt. So stellt sich schnell einmal die Frage, ob die erworbene Uhr tatsächlich echt und was ihr Hintergrund ist. Handelt es sich vielleicht sogar um Hehlerware?

Mit diesem Problem im Hinterkopf suchten wir Lösungswege. Die Blockchain kommt dann sehr gelegen, wenn es Vertrauensprobleme gibt: Eine Möglichkeit, Daten zu speichern, welche anschliessend unveränderbar sind und eine Überprüfung zulassen, war die perfekte Lösung für unser Problem. Immer mehr Firmen nutzen die Technologie, um die Lieferkette rückverfolgbar und sichtbar zu machen. Uhren wiederum begeistern seit vielen Jahren, teils über Generationen. Somit ist es naheliegend, dass ein Einblick in die Geschichte viele Emotionen weckt. Wir bieten allen Teilnehmern des Uhren-Ökosystems eine sichere und digitale Lösung, diese Geschichte zu bewahren.

Wie lange hat die Entwicklung Ihrer Anwendung gedauert?

Flückiger: Angefangen haben wir mit einem sechsmonatigen Projekt an der ETH Zürich; danach stand der erste Prototyp für die Uhrenhersteller. Diese konnten dann mit wenigen Klicks ihr Sortiment digital erfassen und auf der Blockchain speichern. Darauf folgten dann weitere sechs Monate Need-Finding sowie endlose Gespräche mit Herstellern, Fachhändlern und Endkunden. Wir haben Hypothesen aufgestellt, getestet und verworfen. So haben wir ausgearbeitet, was die Industrie für Probleme hat und welche die beste Lösung ist. Danach stand der Plan für die weitere Entwicklung. Was dann Anfang 2019 folgte, war das Produkt für die Endkonsumenten – die Uhrenträger. Der Fokus lag dabei stark auf dem Design und der Mobile-Experience. Jetzt ist das genau eineinhalb Jahre her und wir können den Prozess vom Hersteller über Fachhändler bis in das Produktportfolio vom Endkonsumenten abbilden.

Mit Everledger gibt es ja ein ähnliches Konzept. Was glauben Sie: Wie groß ist der Markt für solche Produkte?

Flückiger: Wir sind der Meinung, dass unterschiedliche Produkte – etwa Taschen, Uhren oder eben Diamanten – unterschiedliche Anforderungen an die Lösung haben. Zudem gibt es Produkte, welche Supply-Chain-Tracing anbieten, also vor allem eine Rückverfolgung der Lieferkette vom fertigen Diamanten bis zur Miene.

Unser Produkt hat einen starken Fokus auf den Endkonsumenten und wir befinden uns eher im Bereich des Supply-Chain-Tracking. Der Endkonsument soll in unserem Ökosystem die Echtheit und Geschichte der Uhr nachvollziehen können – von der Herstellung über den Service bis zu einem Handwechsel. Es geht also um die Nachverfolgbarkeit. Im persönlichen Luxusgütermarkt wird laut Bain & Company bis zum Jahr 2025 zwischen 320 und 330 Billionen Euro Umsatz gemacht. Dieser Markt ist sehr groß. Dennoch beobachten wir die Tendenz, dass Firmen mit bestehenden, etablierten Lösungen fahren. Umso wichtiger ist es für uns, Partnerschaften einzugehen. Diese Partnerschaften – beispielsweise mit Versicherungen, Banken, Polizei oder dem Zoll – sollen vor allem dem Endkonsumenten den größtmöglichen Vorteil bieten. Wir sind überzeugt, dass die Lösung mit dem größten Fokus auf die Konsumenten gewinnen wird.

Läuft es also auf ein Amazon der Authentizität hinaus?

Flückiger: Der Konsument soll alle seine physischen Investments an einem Ort digital und sicher abgespeichert haben. Ich habe dann einen grafischen Überblick für Gespräche mit Gleichgesinnten, aber auch alle Dokumente an einem Ort. Das erleichtert dann vor allem Gespräche mit Versicherung, Polizei oder Zoll. Nachdem die Produkte authentifiziert sind, kann der Kunde dann bei einem Wiederverkauf Sicherheit schaffen. Zudem kann er Einblicke in die Geschichte seines Produktes geben und somit Vertrauen schaffen. Wir fokussieren uns hier stark auf den Secondhand-Markt, der immer wichtiger wird und laut BCG mit zwölf Prozent wächst. Damit wir Produkte wie Uhren, Kleider oder Musikinstrumente sicher und reibungslos in die zirkulare Ökonomie lassen können, braucht es eine verlässliche Zertifizierungs- und Authentifizierungsmethode. Unsere Vision ist es, Uhrmachern und Künstlern die Kontrolle über ihre Produkte zurückzugeben und Fälschungen uncool zu machen. Was, wenn in Zukunft nur noch Produkte mit einem originalen, digitalen Zwilling Wert haben und den entsprechenden Status repräsentieren?

Wie werden Sie daran verdienen, was kostet das Angebot?

Flückiger: Aktuell zahlen die Hersteller für unser Produkt, da diese ihren Kunden so einen besseren und maßgeschneiderten Service anbieten können. Die Hersteller verkaufen mehrheitlich über Fachhändler und sind daher bereit, für Informationen über den Absatz und seine Endkunden zu bezahlen. Der Kunde hat die Entscheidungsfreiheit, welche Daten er mit wem teilen möchte. Um die Bereitschaft des Kunden zu erhöhen, ist es wichtig, ihm die richtigen Anreize zu bieten. Wir bieten Sicherheit, vereinfachte digitale Services und mehr Nähe zur Marke. Das Produkt ist für die Endkonsumenten kostenlos – sie können aber Dienstleistungen direkt über die Applikation buchen, wie beispielsweise eine Versicherung oder eine Schätzung des Werts.

Mit Blick auf Ihre Kunden: Ist Blockchain ein Verkaufsargument oder eher abschreckend, da so tech-lastig?

Flückiger: Unsere Kunden sind aktuell die Uhrenhersteller. Dieser Industrie ist das Thema Blockchain gut bekannt und sie sind zurzeit sehr offen für Innovation. Am Ende des Tages lösen wir ihr größtes Problem – und zwar das Wissen über ihr Produkt und ihre Kunden. Blockchain ist, wie das Internet, einfach die Technologie dafür. Sehr große Marken haben neben dem E-Commerce auch Blockchain in die Strategie aufgenommen und somit sind wir genau richtig in der Zeit. Dennoch bedingt unser Produkt auch, dass die Endkunden Vertrauen in die Technologie haben. Da sind wir aber überzeugt, dass in den nächsten Jahren immer mehr Bewusstsein zur Blockchain und zu digitalen Zertifikaten existieren wird. Das wird vor allem durch Kryptowährungen vorangetrieben, die prominenteste Anwendung der Technologie.

02.10.2020    Arne Gottschalck
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