Baufinanzierung

Die Zukunft bringt Differenzierung

2018 hat Interhyp, der Vermittler privater Baufinanzierungen in Deutschland, ein Rekord-Baufinanzierungsvolumen von mehr als 22 Milliarden Euro bei über 400 Bankenpartnern platziert. Über die Zukunft der Vermittlung.

20.12.2019

Digital war der Ursprung. Multi-Channel ist die Gegenwart. Interhyp gilt als Pionier der Online-Baufinanzierungsvermittlung und hat das Geschäft stetig weiterentwickelt. Welche Impulse Interhyp setzen will und warum er nichts davon hält, seinem Unternehmen den eigenen Stempel aufzudrücken, verrät CEO Jörg Utecht.

Jörg Utecht

studierte Betriebswirtschaftslehre in Oestrich-Winkel und Computer Science in Harrisonburg/USA. Vor seinem Wechsel zur Interhyp war er als Executive Director bei J.P. Morgan für die Corporate-Finance-Beratung im deutschsprachigen Raum zuständig. 2008 wurde er in den Vorstand der Interhyp berufen, seit April 2017 ist er CEO

DUB UNTERNEHMER-Magazin: Wird die Baufinanzierung auch in einer digitalen Zukunft nie zum allein online getriebenen Business?

Jörg Utecht: Technisch wird es möglich sein, eine Baufinanzierung auch vollkommen digital abzuschließen – auch seitens der Banken. Doch erwarten wir, dass sich das in der Breite durchsetzt? Nein. Die absolute Mehrheit der Kunden – insbesondere wenn es sich um Erstfinanzierer handelt – erwartet immer auch eine ganz persönliche Beratung. Selbst Digital Natives suchen diese Unterstützung aktiv, schließlich geht es um die in aller Re
gel größte finanzielle Entscheidung im Leben. Und die Komplexität ist hoch – gerade auf den Immobilienmärkten, wie sie sich heute zeigen. Der Berater wird daher in Zukunft eher wichtiger als obsolet.

Wie sieht denn die Customer-Journey der Zukunft aus?

Utecht: Die Art und Intensität der Nutzung der unterschiedlichen Kanäle wird sich noch viel weiter ausdifferenzieren. Dement­sprechend kann man immer weniger von der einen Customer-Journey sprechen. Es sind vielmehr sehr vielfältige, die allesamt ein flexibles Hin und Her der Kanäle ermöglichen.

In welche digitalen Felder werden Sie in Zukunft investieren? Liegt es nicht nahe, das erfolgreiche System auch auf baufinanzierungsnahe Bereiche auszudehnen?

Utecht: Unser klarer Fokus gilt unserem Kernprodukt: Wir 
wollen diejenigen sein, die den Kunden das beste Baufinanzierungserlebnis bieten. Digital wie real – mit einer offenen Architektur, breiter Auswahl und kompetenter Beratung. Hier können wir auch noch einiges tun, Stichwort: Einsatz Künstlicher Intelligenz. Ergänzend aber werden wir links und rechts davon sinn-
volle Mehrwertangebote schaffen und wollen auch das Thema „Zuhause“ stärker besetzen. Zudem erproben wir nach erfolgter Baufinanzierung die Vermittlung passender Versicherungslösungen für den Kunden. Ein unabhängiger Vergleich vieler Partner – ganz nach dem Interhyp-Prinzip.

Nennen Sie uns bitte ein ganz konkretes Beispiel für Mut, ihr Credo „Mensch und Technik“. Wo kommt beides zum Tragen?

Utecht: Dieses Credo zieht sich wie eine DNA durchs gesamte Unternehmen: Für den Kunden kommt es am ehesten zum Tragen, indem er sich bei Interhyp jederzeit frei entschieden kann, wie viel digitale Services und wie viel persönliche Interaktion er nutzen möchte. Multikanal meinen wir wirklich ernst. Jüngstes Beispiel dafür ist Interhyp Home: Diese Plattform unterstützt den gesamten Prozess digital – sei es, indem man verschiedene Angebots­optionen speichern und für sich durchspielen oder auch benötigte Unterlagen uploaden kann. Es ist ein digitales Zuhause, das die Beratung unterstützt, den Prozess für den Kunden einfacher und transparenter macht – aber die persönliche Beratung eben nicht ersetzen kann oder will.

Sie ermitteln in Ihrem Geschäft valide Daten zum Baufinanzierungsmarkt. Welche Aussagen zur Verfassung des Markts – in der Entwicklung der letzten Jahre – lassen sich daraus ableiten?

Utecht: Zum einen, dass da weitaus weniger Boom ist, als gerne in den Medien kolportiert wird. Das Neugeschäftsvolumen in der privaten Baufinanzierung laut Bundesbank bewegt sich in den letzten drei Jahren eher seitwärts. Zweitens, dass unsere Kunden ausgesprochen solide finanzieren: gut drei Prozent Tilgung, über 20 Prozent Eigenkapital und immer längere Zinsbindungen.

Bleiben wir bei dem Wording: Anhaltender Baufinanzierungsboom durch anhaltende Niedrigzinsphase – ist die Rechnung so einfach?

Utecht: Natürlich beeinflussen die historisch niedrigen Zinsen die Nachfrage nach Immobilien. Allerdings spielen hier eine Reihe weiterer Faktoren eine ebenso wichtige Rolle, so die gesamtwirtschaftliche Entwicklung oder der Zuzug in die Metropolen.

Welche Entwicklungen sind im Bereich der Immobilien-Kapitalanlage zu beobachten?

Utecht: Aus Finanzierungssicht am auffälligsten ist die Tatsache, dass auch bei Kapitalanlage-Immobilien relevant Eigenkapital eingesetzt und annuitätisch getilgt wird. Wir können heute also von echter Kapitalanlage sprechen, während in der Vergangenheit oft Steueroptimierung das Hauptmotiv war.

„Wir sichern uns nicht durch ein Produkt oder eine Innovation ab, sondern durch eine Haltung.“

Und treten Sie bald auch regel­mäßig als Experten für die Marktbeurteilung auf Basis der zur Verfügung stehenden Datenmengen in Erscheinung?

Utecht: Mit unserem Geschäftsvolumen haben wir in der Tat einen breiten Überblick. Mit diesem Wissen können wir unseren Kunden in der täglichen Beratung, aber auch den ­Banken für ihre Produktentwicklung einen wertvollen Mehrwert bieten.

Von welcher Seite könnte Ihrem System Disruption drohen, und was tun Sie, um dem vorzubeugen?

Utecht: Grundsätzlich kann jeden Tag ein Start-up kommen, das eine exzellente Idee umsetzt und unser Wettbewerber wird. Und auch wenn wir über Größe und Marktpräsenz verfügen, die schwer aufzuholen ist: Unser Spirit ist, immer in Bewegung zu bleiben, nichts für gegeben hinzunehmen und mutig neue Ideen zu entwickeln. Wir sichern uns nicht durch ein Produkt oder eine Innovation ab, sondern durch eine Haltung.

Wie verfolgen Sie die anhaltend hitzige Diskussion über steigende Mieten, fehlenden sozialen Wohnraum und die Forderung nach Enteignung von Immobilienkonzernen? Inwieweit trennt sich 
die Gesellschaft gerade sozial in Hauseigner und Mieter?

Utecht: Uns beschäftigt es sehr, dass sich in bestimmten Metro­pollagen selbst gut verdienende Menschen keine eigene Immobilie mehr leisten können. Gleichzeitig warnen wir sehr vor überzogener Panikmache und realitätsfernen Forderungen wie nach der Enteignung von Immobilienunternehmen. Was wir brauchen, sind einfach mehr bezahlbare Immobilien. Enteignung schafft aber nicht einen einzigen Quadratmeter neuen Wohnraum. Es braucht vielmehr eine andere Infrastrukturpolitik – gemeinsame An­strengungen von Politik und Wirtschaft und die Bereitschaft, 
auch unkonventionelle Wege zu gehen.

Herr Utecht, Sie sind nun gut zwei Jahre Interhyp-CEO. Welchen Stempel haben Sie dem Unternehmen aufdrücken können?

Utecht: Das Aufdrücken eines Stempels war nie mein Ziel. Ich bin vielmehr sehr stolz, diese Erfolgsgeschichte weiterschreiben zu können. Ein zentrales Leitmotiv dafür ist MuT– sei es als Haltung, sei es als das Zusammenspiel von Mensch und Technik. Und den Aspekt Technik haben wir noch einmal deutlich gestärkt. 
Dass wir trotzdem 2018 ein weiteres Rekordjahr hatten und nicht müde werden, uns immer wieder zu hinterfragen, um unsere Angebote zu verbessern – das macht mich eher stolz.