Ein Apfel als Preisschild mit der Bezeichnung
09.11.2021    Jan Köpper
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Der wahre Wert eines nachhaltigen Apfels

Sie stehen im Supermarkt und möchten Äpfel kaufen. Vor Ihnen liegen palettenweise Äpfel, und Sie wollen sich für den „richtigen“, den nachhaltigen Apfel, entscheiden. Ideal wäre es, wenn ein Blick aufs Preisschild die Unterschiede zwischen den konventionellen Äpfeln aus Neuseeland und den Bio-Äpfeln aus Ihrer Region offenbaren würde. Denn über die Marktpreise sollten Sie doch alle nötigen Informationen, wie Herstellungskosten oder Knappheit des Apfels im jeweiligen Land, erkennen können, mithin also den wahren Wert Ihres Apfels sehen. Doch: Die Preise, die Sie sehen, bilden nicht die Wirklichkeit ab.

Schwerpunkte von Kolumnist Jan Köpper

Enkelkinder zahlen die Rechnung

Der vermeintliche Kostenvorteil von nicht ökologisch angebauten Äpfeln existiert nur auf dem Preisschild. Tatsächlich sind die Marktpreise für konventionelle Lebensmittel stark verzerrt, weil sich die sozial-ökologischen Kosten ihrer Herstellung zurzeit nicht im Produktpreis wiederfinden. Der landwirtschaftliche Nitrat- und Pestizideinsatz etwa verursacht in Deutschland allein Wasseraufbereitungskosten in Höhe von mindestens 650 Millionen Euro pro Jahr.

Diese stolze Summe zahlen Sie nicht an der Supermarktkasse. Sie finanzieren sie aber über Ihre Steuern beziehungsweise geben die Rechnung für die Schäden an der Natur an spätere Generationen weiter. Denn selbstverständlich müssen die Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Böden, das Klima und die Biodiversität berücksichtigt werden. In Wirklichkeit ist der konventionelle Apfel also mit allen anfallenden Schadenskosten womöglich deutlich teurer.

Würden sich all diese externen Kosten im Preis wiederfinden, den Sie im Supermarkt sehen, hätten Sie einen wirtschaftlichen Anreiz, Ihr Konsumverhalten in sozial verantwortliche und umweltgerechte Bahnen zu lenken: Der Bioapfel wäre dann preiswerter als die konventionelle Alternative. Es braucht deshalb mutige gesetzliche Rahmenbedingungen, die Ihnen bei Ihrer Entscheidung im Supermarkt helfen, eine nachhaltige Wahl nicht nur für Ihren Geldbeutel zu treffen. Dies betrifft nicht nur Lebensmittel, sondern alle Konsumgüter und Dienstleistungen. Hersteller und Anbieter, die die Umwelt zerstören oder Menschenrechte verletzen, sind bereits jetzt „ethisch insolvent“. Wären die durch sie verursachten Schäden Teil der Produktpreise, wären sie auch ökonomisch unter Druck. Wahre Preise würden Anreize setzen. Ideen und Instrumente, wie wir zu wahren Preisen gelangen, liegen längst auf dem Tisch. Dazu zählen beispielsweise eine ehrliche CO2-Bepreisung sowie eine Abgabe auf Spritz- und Düngemittel oder auch auf Methan.

Illustration von Jan Köpper

Jan Köpper leitet die Stabsstelle Wirkungstransparenz & Nachhaltigkeit in der GLS Bank eG gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Laura Mervelskemper. In dieser Funktion verantwortet er die Konzeption und Umsetzung der gesellschaftlichen Wirkungsmessung, der Übersetzung von Nachhaltigkeitsrisiken sowie die
Integration von Nachhaltigkeit und Wirkung in die
Kunden- und Steuerungsprozesse der Bank.

Dem System den Spiegel vorhalten

Wenn mehr Menschen Ihre Entscheidungen im Supermarkt stärker an Nachhaltigkeitsaspekten orientieren können, werden das vor allem die Unternehmen spüren, die auf ein unreflektiertes „Weiter so“ setzen. Stellen wir uns vor, dass alle Schadenskosten in den Produktpreis einfließen: Nicht nachhaltige Produkte würden sich dann merklich verteuern, sodass Sie solche Produkte im Supermarkt öfter liegen lassen. Dadurch erwiesen sich entsprechende Geschäftsmodelle perspektivisch als unrentabel. Darauf aufbauend könnten wiederum Subventionen und Steuern neu organisiert werden und die ganzheitliche Qualität von Produkten, Dienstleistungen und Herstellungsverfahren würdigen.

Das Szenario zeigt: Die grüne Transformation ist für nachhaltige Unternehmen eine echte Chance, für den Rest werden die Risiken eines „Weiter so“ enorm zunehmen. Deshalb werden sich auch Banken vermehrt mit den bisher versteckten Nachhaltigkeitsrisiken ihrer Kundinnen und Kunden befassen müssen. Dafür müssen sie die Abhängigkeit der jeweiligen Firmenkunden sowie deren Einfluss auf ihre soziale und ökologische Umwelt in die Bonitäts- und Risikobewertung integrieren. Ein aufgeklärter Umgang mit diesen Nachhaltigkeitsrisiken ist der Weg für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Banken in einer Welt, die die planetaren Grenzen respektiert und das Gemeinwesen stärkt.

Um die Schadenskosten eines Produktes oder einer Leistung vollständig einzupreisen, braucht es detaillierte Informationen über die Zusammenhänge und Auswirkungen unseres Handelns auf unsere soziale und ökologische Umwelt. Während für Klimaprozesse bereits viele Erkenntnisse vorliegen, stehen wir etwa bei der Bilanzierung von Biodiversität oder sozialen Aspekten noch am Anfang. Sobald die gesetzlichen Vorgaben klar sind und das gesellschaftliche Bewusstsein für Nachhaltigkeit noch größer geworden ist, werden die bereits vielversprechenden Ansätze schnell weiterentwickelt. Das Potenzial ist da, wir müssen es nur noch gemeinsam entfesseln.

Wenn es uns gelingt, Kostenwahrheit herbeizuführen, können Sie in den Supermarkt gehen und Ihre Äpfel guten Gewissens einfach anhand des niedrigsten Preises auswählen.

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09.11.2021    Jan Köpper
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