Vereinfacht gesagt gibt es zwei Typen von Schenkern und Erblassern.
Zum einen die Patriarchen (meist sind es tatsächlich Männer), die das aufgebaute Vermögen wie einen Schatz am liebsten behalten und vor dem Zugriff der gierigen Erben schützen möchten. Selbst aus dem Grab heraus wollen sie noch möglichst lange die Geschicke des Vermögens leiten und die nachfolgende(n) Generation(en) an ihre eigenen Wertvorstellungen binden. Für diese Art von Neurose gibt es spezialisierte Juristen und Steuerberater, die solche Konstruktionen erstellen und dieses Mindset befriedigen.
Der andere Typus – in unseren Augen die deutlich sympathischere Variante – möchte nicht sein Vermögen vor seinen potenziell übergriffigen Erben schützen, sondern das Gegenteil ist das Fall: Er möchte seine Erben vor seinem Vermögen schützen oder diese zumindest möglichst behutsam darauf vorbereiten.
Kinder haben ein Recht, ihren eigenen Weg zu gehen
Es kann nämlich durchaus eine ungeheure Belastung sein, zu wissen, dass die Familie unternehmerisch sehr erfolgreich war beziehungsweise ist, teils über Generationen etwas aufgebaut wurde und von einem selbst erwartet wird, in diese großen Fußstapfen zu treten.
Wolfgang Grupp, der bekannte Chef von Trigema, hat in einem Interview einmal sinngemäß gesagt: „Wenn die eigenen Kinder das eigene Unternehmen nicht übernehmen wollen, hat man bei der Erziehung etwas falsch gemacht.“ Wow, das sitzt! Mehr Druck geht nicht.
Wir fragen uns, welche Möglichkeiten ein junger Mensch noch hat, bei so einer Ansage dennoch seinen eigenen Weg zu gehen, seine eigenen Erfahrungen zu machen. Schließlich ist es doch völlig legitim, wenn man partout keine Lust hat, die familiäre Unternehmensgeschichte weiterzuführen, sondern andere Interessen hat und andere Prioritäten setzen will.
Vermögen kann auch ein Fluch sein
Auch die Aussicht auf eine signifikante Schenkung und später Erbschaft hört sich im ersten Moment unglaublich reizvoll an. Und es gibt zugegebenermaßen Schlimmeres. Aber man sollte die Risiken und Nebenwirkungen dabei nicht unterschätzen: Geld ist letztlich flüssige Energie, es hat eine unglaubliche Kraft – und die ist nicht immer beherrschbar.
Stellen Sie sich vor, Sie sind ein junger Student, wohnen in einer WG mit drei guten Studienfreunden und durch einen blöden Zufall sehen ihre Mitbewohner ein an Sie adressiertes Schreiben von einer kleinen Privatbank, bei der man unter einer Million Euro nicht Kunde wird.
Könnten Sie mit ihren Freunden offen über das vorhandene Familienvermögen sprechen? Und wenn ja: Wäre das überhaupt klug? Wie wird sich das Verhältnis innerhalb der WG danach verändern? Fürchtet man sich vor Neid? Wird man danach beim nächsten Kneipenbesuch automatisch gebeten, die Rechnung zu bezahlen? Werden einen die Freunde beim nächsten klammen Moment um einen kleinen Betrag anpumpen? Werden Sie ihnen das Geld geben? Besteht die Gefahr, dass es die Freundschaft spürbar verändert, wenn Sie es tun oder auch nicht tun? Es kann sehr herausfordernd sein, wenn man finanziell völlig anders aufgestellt ist als sein unmittelbares Umfeld.
Killt Geld die Motivation?
Potenziell kann sich das Übertragen von größeren, aber auch kleineren Vermögen als großer Vertrauensbeweis sehr positiv auf junge Menschen auswirken: Sie lernen, Verantwortung zu übernehmen und ihre eigenen Erfahrungen zu sammeln. Genauso besteht natürlich die Gefahr, dass man als junger Mensch mit so einem Vermögen völlig überfordert ist.
Gerade noch war man ein Jugendlicher, der 50 Euro monatliches Taschengeld so lange hortet, bis genug Geld für die neue Playstation angespart ist. Und kurze Zeit später bekommt man mit der Volljährigkeit die Zugriffsrechte auf einen mittleren sechsstelligen Betrag, der vor Jahren übertragen wurde, um die steuerlichen Freibeträge auszunutzen. Das kann einem schon den Kopf sprengen.
Im zweitschlimmsten Fall kann es einem die Motivation rauben, den Antrieb, etwas Eigenes zu schaffen, wenn man weiß, es ist ausreichend Vermögen vorhanden. Muss ich mich wirklich durch das Studium quälen, wenn meine finanzielle Zukunft ohnehin gesichert ist? Gerade jetzt, wo meine Freundin mit ihren Mädels nach Griechenland fährt, während ich auf das dämliche Staatsexamen büffle?
Im schlimmsten Fall wird das Geld zu einem selbstzerstörerischen Medium, das sich gegen den Beschenkten richtet.
Auch wenn diese Szenarien nicht sehr wahrscheinlich sind, insbesondere wenn man seinen Kindern ein gewisses Wertegerüst mitgegeben hat – aber bis zu einem gewissen Grad wird der Vermögensübertrag in jedem Fall die Rolle des selbstverdienten Geldes entwerten.
Die Auswirkungen des Vermögensübertrag im Vorfeld bedenken
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man sehr genau überlegen sollte, wann und in welcher Form man der nächsten Generation Vermögen überträgt. Die steuerliche Optimierung in Form der Ausnutzung von Freibeträgen ist nur einer von mehreren Aspekten, die dabei wichtig sind. Sie sollten sich darüber hinaus im Vorfeld weitere Fragen stellen:
- Wie transparent mache ich zu welchem Zeitpunkt die eigenen Vermögensverhältnisse vor meinen Kindern?
- Wann kann ich ihnen diese Verantwortung übertragen? Sind meine Kinder bereit dafür?
- Sind sie gut genug informiert, um nicht dem Provisionsvertrieb zum Opfer zu fallen?
- Was bewirkt dieser Schritt bei meinen Kindern? Werden Sie dadurch potenziell überfordert?
- Wie sollen die Zugriffsrechte auf die Vermögenswerte sein?
- Soll es gegebenenfalls Rückholklauseln für Sie in bestimmten Fällen geben?
Enorm wichtig ist: Bereiten Sie Ihre Kinder behutsam darauf vor. Führen Sie intensive Gespräche innerhalb der Familie. Welche Erwartungen haben Sie, welche Ihre Kinder? Bestehen potenzielle Interessenskonflikte?
Suchen Sie sich einen neutralen Sparringspartner
Zu den Gesprächen kann es sinnvoll sein, einen unabhängigen Mentor hinzuzuziehen, der hilft, die unterschiedlichen Beweggründe und Erwartungen zu reflektieren und zu moderieren.
Wir sind der festen Überzeugung, dass ein guter Berater neben den reinen finanziellen und steuerlichen Optimierungsmöglichkeiten auch bei diesen Themen sprechfähig sein sollte und Sie und Ihre Familie dabei unterstützen kann, sich diesem herausfordernden Thema zu stellen. Denn es gibt hier keine Standardlösung, keinen Königsweg. Am Ende geht es um das Abwägen von Chancen und Risiken – nicht nur finanziellen. Und es geht um individuelle Wertvorstellungen.
Alles Liebe,
Ihr Stefan Heringer und Nikolaus Braun
P.S.: Wir machen regelmäßig Workshops für junge Anleger, um sie gegen die Erreger der Finanzindustrie zu impfen. Wenn Sie automatisch dazu eingeladen werden wollen, abonnieren Sie am besten den Blog der Neunundvierzig Honorarberatung.
Drei unserer Lieblingsbeiträge zum Thema Generationen und Honorarberatung: