Titelbild Signal Iduna Interview: Mann in Businesskleidung auf Skateboard
18.04.2023    Daniela Tabarelli
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Angesichts von Krieg, Inflation und Fachkräftemangel ist in der Wirtschaft ständige Anpassungsbereitschaft gefordert. Gleichzeitig dürfen die großen Herausforderungen unserer Zeit – der Klimaschutz und die Digitalisierung – nicht in den Hintergrund geraten.

Wie richtet sich eine der großen Versicherungsgruppen Deutschlands in einem solchen Umfeld für die Zukunft aus? Darüber hat der Vorstandsvorsitzende der SIGNAL IDUNA Gruppe, Ulrich Leitermann, im DUP Digital Business Talk mit der ehemaligen Bundeswirtschaftsministerin und heutigen DUP-Herausgeberin Brigitte Zypries gesprochen. 

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Zur Person

Porträtfoto Ulrich Leitermann, Vorstandsvorsitzender Signal Iduna Gruppe

Ulrich Leitermann

ist Vorsitzender
der Vorstände
der SIGNAL IDUNA Gruppe und unter anderem zuständig für Personalentwicklung und Risikomanagement

Zur Person

Porträtfoto Brigitte Zypries

Brigitte Zypries

ist Bundesjustizministerin und Bundeswirtschaftsministerin a. D. sowie Herausgeberin von DUP UNTERNEHMER

Sie haben bei SIGNAL IDUNA 2018 das Transformationsprogramm „Vision 2023“ gestartet, um flexibler auf Veränderungen am Markt reagieren zu können. Wie weit sind Sie damit in den vergangenen fünf Jahren gekommen?

Ulrich Leitermann: Auslöser war damals das veränderte Kundenverhalten. Wir müssen uns als Versicherungsbranche insgesamt darauf einstellen, dass sich die Kunden anders verhalten, andere Ansprüche formulieren – an den Service, aber auch an digitale Kommunikationsformen. Wir haben heute weit über 1.000 Mitarbeitende in agilen Arbeitsformen und sind in der Produktentwicklung um ein Vielfaches schneller geworden.

Ich gebe allerdings zu, das ist kulturell ein gravierender Shift für ein Unternehmen. Heute sind wir so weit, dass sehr viele Mitarbeitende begeistert sind von den neuen Arbeitsformen. Wir haben jetzt einen Weg beschritten, der uns in die Lage versetzt, auch auf künftige Veränderungen schnell reagieren zu können.

Die Herausforderungen bei der Fachkräftegewinnung machen auch vor der Versicherungsbranche nicht halt. Wie schaffen Sie es aktuell, Nachwuchs zu gewinnen?

Leitermann: Wir haben fünf professionelle Recruiter, die den ganzen Tag in den sozialen Medien unterwegs sind, um Menschen anzusprechen. Über diesen Weg gelingt es uns aktuell, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bekommen. Wir lernen, dass in Gesprächen auch die Teams schon präsentiert werden sollten. Die Kandidatinnen und Kandidaten wollen sehen, mit wem sie zusammenarbeiten, und etwas über die Unternehmenskultur erfahren. Bewerberinnen und Bewerber sind sich ihrer Möglichkeiten bewusst; sie wissen, dass wir einen Arbeitnehmermarkt haben. Darauf müssen wir uns einstellen und entsprechend reagieren.

Welche Rolle spielt dabei das Thema Nachhaltigkeit?

Leitermann: Wir merken, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Recruiting danach fragen. Wir sind auch verpflichtet, die Kunden bei der Beratung nach ihrer Nachhaltigkeitspräferenz zu fragen. Da stellen wir allerdings fest, dass viele Menschen noch keine klare Nachhaltigkeitspräferenz äußern können, sondern eher Fragen haben.

Wir haben eine neue Lebensversicherung gegründet, um dem Nachhaltigkeitsthema gerecht zu werden. Und dann geht es darum, als Unternehmen nachhaltig zu werden. Wir wollen zum Beispiel bereits 2025 klimaneutral sein und mit allen Assets unser Management bis 2040 klimaneutral haben. Das ist mal so locker dahergesagt. Hier sind aber noch große Anstrengungen nötig. Und wir müssen aufpassen, dass wir am Ende des Tages noch Kunden haben, die bereit sind, all das zu bezahlen. Denn das erfordert hohe Investitionen.

Welche Digitalisierungsprojekte bringen Sie in Ihrem Unternehmen voran?

Leitermann: Wir sind dabei, unsere IT-Transformation in Richtung Cloud voranzutreiben und weitere Prozesse im Unternehmen zu digitalisieren. Wir haben gerade unser Kundenportal grundlegend überarbeitet. Wir haben eine der bestbewerteten Apps im Versicherungsbereich im Markt, die ständig überarbeitet und modifiziert werden muss, weil sich die Kundenanforderungen ändern. Wir sind der erste Versicherer in Deutschland, mit dem Google eine strategische Partnerschaft eingegangen ist. Ich verspreche mir davon zudem eine Sogwirkung für interessierte Bewerberinnen und Bewerber.

Digitalisierung brauchen wir auch deshalb – da sind wir wieder beim Fachkräftemangel –, weil wir künftig nicht mehr die Beschäftigten haben werden, die die Arbeit erledigen, die maschinell erledigt werden kann. Das Ganze greift ineinander und sollte seitens der Politik nicht begleitet werden von einer überbordenden Dokumentationswut und Bürokratie. Bitte also nicht nur an die Großunternehmen denken; der Mittelstand muss mitziehen können.

Aktuell beschäftigt viele Menschen die hohe Inflation. Wie reagiert Ihre Branche darauf?

Leitermann: Was wir im Moment erleben, sind deutlich steigende Preise, zum Beispiel im Kfz-Versicherungsbereich. Die Reparaturpreise steigen massiv an. Das führt dazu, dass wir in den nächsten Jahren Beitragsanpassungen haben werden. Das wird auch bei Wohngebäudeversicherungen und der Krankenversicherung der Fall sein. Das heißt, wir werden Nachlaufeffekte bekommen, selbst wenn die Inflationsrate wieder zurückgeht.

Mit den gestiegenen Preisen gehen auch gestiegene Zinsen einher. Inwieweit profitieren Sie davon?

Leitermann: Es gibt Generationen von Sparern, die in den zurückliegenden Jahren massiv gelitten haben, weil sie von den Zinsen leben wollten und an die Substanz gehen mussten. Für sie wird das perspektivisch wieder etwas besser. Für uns im Unternehmen heißt es zunächst einmal, dass wir in den Kapitalerträgen einen deutlichen Einbruch haben vor dem Hintergrund der Wertberichtigungen. Also bauen wir gerade stille Lasten auf, was für uns allerdings unproblematisch ist. Das werden wir in den Bilanzen der Versicherer des Jahres 2022 sehen. Wir haben immer gefordert, dass die Zinsen wieder steigen müssen. Ein bisschen langsamer hätte es aber auch getan.

Wir sind mit Ihrer Vision 2023 in das Gespräch eingestiegen. Was ist Ihre Vision für 2030? Was muss sich ändern in Ihrer Branche und in Deutschland?

Leitermann: 2030 wünsche ich mir Rahmenbedingungen, die eine verlässliche Planung und eine vernünftige Unternehmensführung zulassen – also selbstverständlich Frieden und weltweite Strukturen, die vernunftgeprägter sind als das, was wir gerade erleben. Ansonsten gilt es, in der Digitalisierung und Nachhaltigkeit weiterzumachen. Wirtschaftswachstum muss auch unter ökologischen Gesichtspunkten stattfinden können, sonst werden wir massive Wohlstandsverluste erleiden. Wir müssen realisieren, dass Veränderung ein Dauerzustand ist. Das ist mein großes Ziel für unser Unternehmen: dass Veränderung Spaß macht, ein Modus, in dem Mitarbeitende Veränderungen als neue Normalität wahrnehmen.

18.04.2023    Daniela Tabarelli
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