Ein Autofahrer möchte an einer stark befahrenen Straße in Hamburg ausparken, übersieht den von hinten kommenden Verkehr und streift dann ein vorbeifahrendes Auto, das Vorfahrt gehabt hätte. Es knallt, kleiner Schaden, die Schuldfrage ist schnell geklärt. Die herbeigerufene Polizei bestätigt sofort: Der Ausparkende hat die Vorfahrt nicht beachtet. Die Schadensabwicklung sollte daraufhin eigentlich kein Problem sein. Aber die Versicherung des Unfallverursachers – in diesem Fall die HUK-COBURG – bietet dem Geschädigten statt der vollen zunächst nur die Hälfte der Schadenssumme zur Auszahlung an.
Als der Geschädigte dies empört ablehnt und einen Anwalt einschaltet, erhöht die Versicherung auf 75 Prozent. „Doch auch damit war ich nicht zufrieden, weil die Schuldfrage für mich als Laien ja eindeutig geklärt war. Ich wollte den vollen Schadensausgleich und bin vor Gericht gezogen“, erklärt der Geschädigte. Heute weiß er: Es hat sich gelohnt. Vor dem Landgericht Hamburg bekam er inzwischen recht (AZ-306 S 2/21 31c C 176/20 AG Hamburg) – und von der gegnerischen Versicherung den vollen Reparaturbetrag überwiesen.
Kfz-Versicherer machen defensive Angebote
Recht haben und recht bekommen – das sind bekanntlich zwei Paar Schuhe. Der Vorfall aus Hamburg ist kein Einzelfall. Es ist eine kalkulierte Strategie von Versicherungsunternehmen, Geschädigten schlechte Angebote zu machen. „Wenn eine Versicherung bei 10.000 Fällen im Jahr herumzickt und jeweils 5.000 Euro spart, bleiben 50 Millionen Euro in der Kasse“, beschreibt ein Insider das Prinzip der Assekuranz, bei Ansprüchen zu mauern. Wer zofft sich schon gern vor Gericht mit Giganten wie Allianz, HUK oder R+V? Viele akzeptieren deshalb zähneknirschend das erste Angebot – obwohl sie mehr verdient hätten.
Eva-Maria Sahm von HUK-COBURG verteidigt die Versicherungsstrategie so: „Bei der Schadenregulierung geht es immer um die Bewertung des Einzelfalls. Es ist nicht nur unsere vertragliche Pflicht, sondern auch im Sinne unserer Kunden, dass wir keine unberechtigten Ansprüche bezahlen. Schließlich finanzieren wir die Regulierungskosten mit den Prämien unserer Kunden.“
Tipp: Anwalt und Gutachter nehmen
Stiftung Warentest empfiehlt deshalb, sich auch schon bei geringen Blechschäden juristischen Beistand zu holen. Der muss schließlich nicht bezahlt werden, wenn der Unfall nicht selbst verschuldet ist. Der Unfallverursacher zahlt. Bei Schäden über 1.000 Euro sollte laut Versicherungsexperten auch ein unabhängiger Kfz-Gutachter hinzugezogen werden, damit die Schadenssumme nicht im Sinne der gegnerischen Versicherung zu gering angesetzt wird. Dafür hilft ein Blick auf die Website des Sachverständigen-Bundesverbands BVSK, des größten Zusammenschlusses freiberuflich tätiger Kfz-Sachverständiger in Deutschland.
Ein Tipp von DUP UNTERNEHMER: Wer Prozessrisiken scheut, sollte eine Rechtsschutzversicherung abschließen.