Für welche Aktien steht der Begriff „Nebenwerte“?
Per Definition sind das alle Titel, die nicht zu den Standardwerten oder Blue-Chips zählen. Sie weisen also eine niedrigere Marktkapitalisierung auf und werden seltener gehandelt. Hierzulande bildet der Deutsche Aktienindex Dax, der ab September auf 40 Unternehmen erweitert wird, die Standardwerte ab. Der MDax, der im Januar seinen 25. Geburtstag feierte, umfasst Aktien mit mittlerem Börsenwert (Mid Caps) und der SDax Aktien mit niedrigem Börsenwert (Small Caps).
Weisen Nebenwerte eine bessere Wertentwicklung als Standard-Titel auf?
Im Vergleich zwischen MDax und Dax lautet die klare Antwort: ja. Seit seinem Start vor 25 Jahren hat der MDax eine Rendite von mehr als 1000 Prozent erzielt, während der Dax um rund 500 Prozent zulegte. So richtig abgehängt wurden die Standardwerte in den vergangenen zehn Jahren.
Wie schlagen sich Small Caps, wenn es an den Börsen bergab geht?
Aktien mit einem geringeren Börsenwert gelten in der Regel als risikoreicher und anfälliger für Krisen, weil ihre Liquidität geringer ist. Die Corona-Krise im vergangenen Jahr ist dafür ein gutes Beispiel: „Mitte März fielen die Kurse von Nebenwerten deutlich schneller. Im Anschluss daran haben sie sich jedoch dramatisch besser erholt und Blue-Chips deutlich abgehängt“, sagt Birgitte Olsen, Portfoliomanagerin bei Bellevue Asset Management.
Sind Nebenwerte im Vergleich zu Blue-Chips derzeit günstig bewertet?
Nein, auch Small Caps sind nicht mehr billig. „2021 müssen Unternehmen liefern und in einem besseren wirtschaftlichen Umfeld Gewinne erzielen“, erklärt Olsen. Die hohen Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) erinnern an die übertriebenen Bewertungen während der Dotcom-Blase Ende der 90er-Jahre. Doch diesmal basieren die KGVs auf den massiv eingebrochenen Gewinnen während der Krise im vergangenen Jahr. Die Chancen auf deutliche Gewinnsteigerungen stehen gut – vor allem in der zweiten und dritten Börsenliga. Denn kleineren Unternehmen fällt es in der Regel leichter, ihren Gewinn mit Rückenwind von der Konjunktur nach oben zu schrauben. Das würde auch die Bewertungen wieder sinken lassen.
Warum gilt der Markt für Nebenwerte als weniger effizient?
Über kleinere Unternehmen sind in der Regel weniger Informationen für Anleger verfügbar. Das liegt vor allem daran, dass es weniger Analysten gibt, die sie beobachten. „Large Caps verfolgen im Schnitt 20 Analysten. Die Hälfte unserer Positionen im Fonds haben jeweils nur drei Analysten im Blick“, sagt Olsen, die den Fonds BB Entrepreneur Europe Small managt. Dieses Informationsdefizit versucht sie zu nutzen. „Diese Ineffizienz macht unsere Arbeit reizvoll. Wir erstellen eigene Modelle und Kursziele.“
Welche Besonderheiten weisen familiengeführte Unternehmen auf?
Gerade in Deutschland befindet sich eine große Zahl kleinerer Unternehmen über Generationen in den Händen der Eigentümerfamilien. „Bei der Finanzierung sind solche Firmen häufig sehr konservativ aufgestellt. Sie weisen Eigenkapitalquoten von 60 bis 70 Prozent auf. Das macht sie fast unkaputtbar“, sagt Olsen. Laut Einschätzung der Fondsmanagerin werden sie gestärkt aus der Krise hervorgehen, weil sie mehr in Innovationen investieren können. Zudem seien viele „echte Unternehmer“, die auf der einen Seite sehr kostenbewusst, auf der anderen Seite ständig auf der Suche nach Verbesserungen sind. „Sie denken langfristig und nicht nur von Quartal zu Quartal wie manche angestellten Manager“, sagt Olsen. In familiengeführten Unternehmen beträgt die Amtszeit in der Führungsetage acht bis neun Jahre, bei nicht-familiengeführten Unternehmen sind es im Schnitt 3,6 Jahre. „Das ermöglicht uns eine langfristige Beziehung zum Management. Gute Aktien zu finden ist nur möglich, wenn man auch die Führungskräfte richtig einschätzen kann.“ Ihr Fazit: „Familienunternehmen bieten ein dynamischeres Wachstum bei besserer Substanz.“