Illustration: Eine schmelzende Eiskugel, die aussieht wie der Planet Erde.
21.03.2022    Martin Hintze
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Nachhaltige Investments – so lautet das Zauberwort der Finanzindustrie. Geld anlegen, dabei Gutes für den Planeten Erde tun und zudem noch ordentliche Renditen einfahren: Das versprechen mittlerweile im Prinzip sämtliche Fondsgesellschaften, Vermögensverwalter und Banken. Beinahe täglich werfen sie neue Produkte auf den Markt. Und die Anleger beißen in Scharen an. Laut dem Analysehaus Morningstar werden in Europa mittlerweile mehr als 40 Prozent der in Fonds investierten Gelder in nachhaltige Produkte investiert, in den USA sogar knapp zwei Drittel.

Doch halten die „grünen Investments“ tatsächlich das, was sie versprechen? Liefern sie tatsächlich einen wichtigen Beitrag, um die globale Erderwärmung zu begrenzen? Nein.

Vorwurf: Finanzindustrie will schärfere Umweltschutzauflagen verhindern

Schlimmer noch: Die Finanzindustrie treibe das Engagement für ESG-Investments deswegen so stark voran, um eine weitere Regulierung – die negative Folgen für die Unternehmensgewinne hätte – zu blockieren. So lautet zumindest das Ergebnis einer aktuellen Studie mit dem vielsagenden Titel „The role of capital markets in saving the planet and changing capitalism – just kidding“ („Die Rolle der Kapitalmärkte bei der Rettung des Planeten und der Veränderung des Kapitalismus – nur ein Scherz.“). Matthew Zook von der University of Kentucky und Michael Grote von der Frankfurt School of Finance and Management haben in dieser Metastudie wissenschaftliche Beiträge ausgewertet.

Die beiden Forscher führen drei Hauptargumente für ihre Kritik ins Feld:

  1. „Die tatsächliche, von den Kapitalmärkten vorangetriebene Prävention des Klimawandels in der realen Welt ist eher winzig“, schreiben Zook und Grote. „Etwas höhere Kapitalkosten führen nicht zu bedeutenden Preisänderungen, und die Nachfrage weist ohnehin oft eine sehr geringe Elastizität auf.“ Anders ausgedrückt: Klimaschädliche Unternehmen müssen zwar etwas mehr zahlen, um an frisches Kapital zu kommen, weil nachhaltige Anleger einen Bogen um sie machen. Das macht die Produkte, die sie herstellen, aber nicht wesentlich teurer. Und selbst wenn die Preise etwas steigen, kaufen die Konsumenten die Waren in der Regel trotzdem weiter.
  2. Einige Anleger seien zwar bereit, Renditen für die Prävention des Klimawandels zu opfern. Die meisten Intermediäre, also Banken oder Finanzberater, sind es jedoch nicht. „Das Risiko, das die Finanzwelt am meisten beunruhigt, ist nicht ein sich erwärmender Planet, sondern eine möglicherweise bevorstehende Regulierung des Klimawandels“, so die Ökonomen. Ohne klare Standards zur Messung der Auswirkungen auf den Klimawandel könnten viele Standardfinanzprodukte leicht „grüngewaschen“ werden. Die Finanzbranche hätte dadurch die Möglichkeit, höhere Gebühren einzustreichen; die tatsächlichen Auswirkungen für die Umwelt seien aber gering.
  3. Grüne Investitionen bekämpfen den Klimawandel nur dann, wenn eine nachhaltige Aktivität eines Unternehmens ohne die grüne Finanzierung nicht umgesetzt worden wäre. Diese „Additionalität” sei aber sehr selten gegeben. Denn viele grüne Investitionen wären ohnehin getätigt worden.

„Grüne Kapitalmärkte werden den Planeten nicht retten“

„Angesichts dessen argumentieren wir, dass selbst vollständig grüne Kapitalmärkte den Planeten nicht retten werden und insofern kontraproduktiv sein können, als sie Argumente und politische Deckung gegen die Verabschiedung strengerer realer Vorschriften liefern“, warnen die Autoren.

Ähnlich kritisch äußerten sich Ende vergangenen Jahres bereits Experten des ifo Instituts, des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE und der ESMT Berlin in einer gemeinsamen Studie.

 

21.03.2022    Martin Hintze
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