Kolumne

Anlagestrategien

Wie nachhaltig sind nachhaltige Investments?

Nachhaltigkeit ist en vogue, ESG-Anlagen sind es ebenfalls. Doch gilt auch nach der „Zeitenwende“ durch den Ukraine-Krieg noch die Faustregel von den langfristig tendenziell höheren Renditen im Vergleich zu konventionellen Investments? Oder holen sich Anlegerinnen und Anleger mit einem komplett „grünen“ Portfolio unerwünschte (Klumpen-)Risiken ins Haus? Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun von der Neunundvierzig Honorarberatung geben Antworten.

15.03.2023

Nicht erst seit den „Fridays for Future“-Demos legen immer mehr Anlegerinnen und Anleger Wert auf nachhaltige Investments: Die ESG-Regeln (Enviromental, Social, Governance) beziehungsweise die strengeren SRI-Regeln (Social Responsible Investing) werden zunehmend wichtig für die Investment-Entscheidung. Entsprechend stark steigen seit Jahren die Volumina in nachhaltig gescreenten ETFs und anderen „grünen“ Anlagen.

Nachhaltige Investments brachten von 2015 bis 2022 bessere Renditen

Kolumne Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun

Verstärkt hat diesen Trend sicherlich, dass die Renditen in den entsprechenden Produkten und Indizes in der Tat in der Zeit von 2015 bis 2022 überdurchschnittlich gut waren. Und so war dies ein willkommener Trend für Produktverkäufer, um auf den Zug aufzuspringen.

Viele nahmen das zum Anlass, Nachhaltigkeit zu einem Verkaufskriterium zu machen – nach dem schönen Motto „Mit gutem Gewissen in die Zukunft investieren und auch noch eine Überrendite erzielen“. Keine Fondsgesellschaft kam mehr ohne wohlklingende nachhaltige Strategien aus.

Nachhaltige aktive Fondslösungen bringen keinen Mehrwert

Dabei gibt es – wie nicht anders zu erwarten – zwei grundlegende Probleme.

Zum einen ist es sicher keine Überraschung, dass ein Unternehmen wie die Deutsche Bank, bei der man schnell die Übersicht über ihre Skandale verliert, mit ihrer Tochtergesellschaft DWS zum „Greenwashing Champion“gewählt wurde.

Illustration Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun
Dr. Nikolaus Braun und Stefan Heringer sind die Gründer der Neunundvierzig Honorarberatung. Ihre Kernkompetenz ist die langfristige Begleitung Ihrer Mandanten rund um die Frage wie Vermögen Lebensqualität schaffen kann. Als Vermögensverwalter der Deutschen Wertpapiertreuhand stehen sie für finanzwissenschaftlich informierte Anlagestrategien. Braun ist zudem Autor des Finanzratgebers „Über Geld nachdenken“

Zum anderen kommt auch nachhaltiges Investieren an einer grundlegenden Erkenntnis des Investierens nicht vorbei: Aktive Fonds sind zu teuer und schlagen einen fairen Vergleichsindex nur zufällig und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht dauerhaft. Schlimmer: Nachhaltige aktive Fonds sind im Schnitt noch mal teurer. Dahinter liegen ein wohlkalkuliertes Muster sowie Kalkül. Wenn einem Anleger schon ethisches nachhaltiges Investieren wichtig ist, dann wird er wohl bei den Kosten weniger sensibel sein.

Wenn Sie also das nächste Mal einen „Global Sustainable New Energy Future Trend“-Fonds angeboten bekommen, ist das mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Fall für die Giftliste.

Wie nachhaltig ist die Überrendite nachhaltiger Fonds?

Aber auch unter unabhängigen Finanzwissenschaftlern wird diskutiert, ob Nachhaltigkeit ein belastbarer Faktor ist, der langfristige Überrenditen erwarten lässt. Wir beobachten diese Entwicklung, sind aber sehr zurückhaltend, ob das Versprechen einer Überrendite von Nachhaltigkeit konsistent dauerhaft haltbar ist.

Wir glauben, dass die gute Entwicklung von ESG-/SRI-Indizes von 2015 bis 2022 eher der Sonderkonjunktur weniger großer, sehr erfolgreicher Tech-Werte geschuldet war. Denn die Alphabets, Amazons und Microsofts sind in Nachhaltigkeits-Indizes stark vertreten. Nach den gängigen Bewertungsmaßstäben verursachen diese Konzerne weniger Umweltschäden als die klassische Industrie vom Chemiekonzern bis zum Gas- oder Ölförderunternehmen. Und diese Tech-Werte haben nun mal zweifellos eine fantastische Entwicklung hingelegt – zumindest bis Anfang 2022.

Zeitenwende auch beim Investieren?

Und dann kam der Februar 2022 mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Und die Investmentwelt hat sich – zumindest temporär – schlagartig geändert. Die Technologie-Sonderkonjunktur brach schon kurz vor dem Krieg abrupt ein. Korrekturen von über 50 Prozent waren keine Seltenheit: Netflix, Facebook (Meta), Tesla…

Damit waren die Verluste in einem schwierigen Umfeld noch mal deutlich höher als beim ohnehin schon gebeutelten Gesamtmarkt. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass sich die oft propagierte und scheinbar so naheliegende Strategie, einfach die „besten Tech-Aktien“ der Welt ins eigene Portfolio zu legen, als der erwartbare Unsinn herausgestellt hat, der er ist.

Auf einmal war die klassische Industrie wieder gefragter. Energiekonzerne profitierten von massiv gestiegenen Preisen und erzielten Rekordgewinne. Die Rüstungsindustrie erlebt ebenfalls gerade eine beeindruckende Sonderkonjunktur.

Ist der Boom bei nachhaltigen Strategien also vorbei? Gibt es auch im Investmentbereich eine Zeitenwende? Werden nachhaltige Werte tatsächlich dauerhaft unattraktiver? Und soll man deswegen aufhören, sein Portfolio nachhaltig auszurichten?

Was unterscheidet normale Indizes von nachhaltigen Investments?

Wie so häufig bei der Vorhersage signifikanter Veränderungen sind wir extrem skeptisch. Schauen wir stattdessen mal strukturell auf das Thema „nachhaltige Investments“.

Wenn man sich den Unterschied zu den herkömmlichen Indizes ansieht, fällt bei den ESG-Indizes von den ursprünglich investierbaren Werten etwa ein Viertel durchs Raster; bei den strengeren SRI-Kriterien fallen sogar gut drei Viertel der Wertpapiere für eine Investition aus. Dadurch kommt es zwangsläufig zu einer Reduzierung der Diversifikation. Das Portfolio wird konzentrierter und in der Folge etwas schwankungsanfälliger. Dieser Effekt wird häufig ignoriert, ist aber nicht von der Hand zu weisen.

Gleichwohl sind diese Nachteile vernachlässigbar, wenn man dies mit der Art und Weise vergleicht, wie viele Privatanlegerinnen und -anleger aufgestellt sind. Der MSCI SRI hat immer noch deutlich mehr Wertpapiere und ist immer noch sehr breit regional und über Branchen diversifiziert.

Ebenso sind die Kosten kein entscheidender Faktor für die Entscheidung. Die ESG- oder SRI-ETFs haben zwar eine leicht höhere Kostenstruktur, aber bei Unterschieden von wenigen Basispunkten handelt es sich in unseren Augen um vernachlässigbare Werte.

Nachhaltige Investments sind keine renditegetriebene Entscheidung

Es wird auch in Zukunft immer wieder Zeiträume geben, in denen man mit nachhaltigen Indizes bessere oder auch schlechtere Ergebnisse erzielen wird. Das ist mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eher Zufall als ein dauerhaft messbarer Effekt. Die Renditeerwartungen von herkömmlichen und nachhaltigen Indizes werden sich nicht wesentlich unterscheiden.

Die Entscheidung, auf nachhaltige Investments zu setzen, sollte entsprechend keine renditegetriebene, sondern eine Wertentscheidung sein! Wenn mir eine ethische Anlage wichtig ist, dann sollte ich auch bereit sein, die skizzierten – in unseren Augen marginalen – Nachteile zu akzeptieren und als Preis dafür zu verbuchen. Und ich sollte mich nicht beschweren, dass ich den Boom bei fossilen Energieproduzenten und Rüstung verpasst habe.

Alles Liebe,

Ihr Stefan Heringer und Nikolaus Braun

P.S.: Wir freuen uns sehr: Am 12. April 2023 erscheint das neue Buch „Geld oder Leben. Wie Sie aufhören, Unsinn mit Ihrem Geld zu treiben“ von Nikolaus Braun. 30 reale Geschichten darüber, was Geld mit Reichtum, Erfolg, Angst, Betrug, Männern, Luxus und Zeit zu tun hat. Geschichten darüber, was wir mit unserem Geld machen und Geld mit uns. Wenn Sie nach Erscheinen ein vom Autor signiertes Exemplar erwerben wollen, schreiben Sie uns eine kurze E-Mail an nachdenken@neunundvierzig.com

P.P.S.: Mehr zum Thema rationale Anlagestrategien, Strategien zum Vermögensaufbau, aber auch darüber, wie Ihr Umgang mit Geld Sie glücklicher machen kann, finden Sie im Blog der Neunundvierzig Honorarberatung.

Drei unserer Lieblingsblogs, die Ihnen helfen, in Krisenzeiten gelassen zu bleiben: