Kapitalertragsteuern

Wertpapiere: Warum Anlegende auf das Finanzamt achten müssen

Freistellungsauftrag, Haltefristen, Auslands-Dividenden – wer in Wertpapiere investiert, sollte nicht nur die Rendite, sondern dringend auch die Steuerregeln berücksichtigen. Das gilt insbesondere in Hinsicht auf den Nachwuchs.

Ein Paragraph, bestehend aus Euromünzen, der Wertpapiere symbolisiert

04.09.2024

Wer bei der Auswahl des richtigen Fonds oder der richtigen Aktie ein glückliches Händchen beweist, tut nicht nur sich, sondern auch dem Finanzamt einen großen Gefallen. Denn egal, ob ein hoher Kursgewinn beim Verkauf, eine erkleckliche Dividendenzahlung oder respektable Zinserträge – die Beamtinnen und Beamten vom Finanzamt halten dabei gerne die Hände auf. Immerhin meldete das Bundesministerium der Finanzen für das vergangene Jahr Steuereinnahmen in Form von Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge in Höhe von rund 8,4 Milliarden Euro.

Für das Jahr 2023 wurden beeindruckende 57,2 Millionen Meldungen – Einzel- und Gemeinschaftsmeldungen – über tatsächlich freigestellte Kapitalerträge durch Verpflichte an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) übermittelt. Zum Kreis der Verpflichteten gehören neben Kreditinstituten auch Genossenschaften und andere Kapitalgesellschaften. Den Meldungen lässt sich allerdings nicht entnehmen, welche Kapitalerträge (Zinsen, Dividenden) durch den Verpflichteten von einer Besteuerung freigestellt wurden, teilt das BZSt mit.

Häufiger Fehler des Vergessens

Wer sein erstes Wertpapierdepot eröffnet, sollte deshalb unbedingt seiner Bank oder seinem Brokerhaus einen Freistellungsauftrag erteilen. Sie werden damit instruiert, Erträge im Rahmen des Sparer-Pauschbetrag von aktuell 1.000 Euro jährlich ohne Steuerabzug gutzuschreiben. Erfolgt dieser Auftrag nicht, zieht die Bank automatisch 25 Prozent etwa von sämtlichen Veräußerungsgewinnen zwischen Anfang Januar und Ende Dezember ab. Und bei dem „Viertel für den Staat“ bleibt es noch lange nicht. Obendrauf kommen  noch Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer. Umso wichtiger ist es, auch für schon länger am Kapitalmarkt aktive Sparende, zu prüfen, ob ein Freistellungsauftrag erteilt oder dies versäumt wurde. Ein häufiger Fehler von Anlegenden, wie Steuerexperte Stefan Buschmann aus Hamburg die Erfahrung zeigt. Dann bleibt nur der Weg über die Einkommensteuererklärung, um sich den Freibetrag zurückzuholen.

Wertpapiere: An die ganze Familie denken

Der Bankenverband wies gerade darauf hin, dass für zusammenveranlagte Ehepaare und eingetragene Lebenspartnerschaften der doppelte Freibetrag gilt, der flexibel aufteilbar ist: „Auch für Einzelkonten oder -depots, die nur auf den Namen eines Partners lauten, kann ein gemeinsamer Freistellungsauftrag erteilt werden. So können Sie bis zu 2.000 Euro Zinsen, Dividenden et cetera pro Jahr steuerfrei vereinnahmen.“

Übrigens: Auch für Kinder mit Depot, die noch nicht die Volljährigkeit erreicht haben, kann ein Freistellungsauftrag über je 1.000 Euro pro Jahr gestellt und muss von den gesetzlichen Vertretern unterschrieben werden. Das kann sich durchaus lohnen, beispielsweise wenn Eltern oder Großeltern einen Wertpapiersparplan für den Nachwuchs eingerichtet oder Aktien respektive Fonds auf sie übertragen haben.

Kapitalerträge können auch total steuerfrei sein

Ein weiterer Tipp des Bankenverbands: „Wer aufgrund geringer Einkünfte keine Einkommensteuer zahlt, unterliegt nicht der Abgeltungsteuer und kann beim Finanzamt eine Nichtveranlagungsbescheinigung beantragen. Derzeit beträgt der Grundfreibetrag 11.604 Euro pro Jahr zuzüglich des Sonderausgaben-Pauschbetrags in Höhe von 36 Euro.“ Wenn die Bank die Bescheinigung – die meist für drei Jahre gilt – erhalten hat, zahlt sie Kapitalerträge bis zu dieser Grenze ohne Steuerabzug aus, auch wenn der Sparer-Pauschbetrag damit überschritten wird. Die entsprechenden Formulare gibt es beim Finanzamt oder auf den Webseiten der Finanzverwaltung, so der Bankenverband.

Vorteil für die Altvorderen am Markt

Glücklich kann sich schätzen, wer schon vor vielen Jahren investierte. Fachanwalt für Steuerrecht Buschmann: „Wurden Aktien vor 2009 erworben, dann ist deren Veräußerung unverändert steuerfrei. Wurden Investment-Anteile vor 2009 erworben, dann sind die Wertveränderungen ab 2018 – im Zeitpunkt des Verkaufs – steuerpflichtig, soweit diese den Freibetrag von 100.000 Euro übersteigen – die Wertsteigerungen bis einschließlich 2017 bleiben also steuerfrei“ (siehe Interview unten). Davon profitieren womöglich auch Erben oder etwa von Verwandten beschenkte. Buschmann: „Der Erwerber führt die Anschaffungskosten des Übergebers fort – das ist die sogenannte ‚Fußstapfen-Theorie‘ – und muss im Falle einer späteren Veräußerung die Differenz zwischen Veräußerungspreis und fortgeführten Anschaffungskosten regulär versteuern. Die Erbschaft- oder Schenkungsteuer greife aber gänzlich unabhängig von dieser Gewinnbesteuerung – nur auf Basis des übergegangenen Vermögens, so der Steuerfachmann.

Ungeduldiger Fiskus

Für die Fondsfans unter den Anlegenden, die Anteile von Investmentprodukten halten, die Gewinne nicht (thesaurierende Fonds) oder nur beschränkt ausschütten, gilt eine weitere Sonderregel: Die Vorabpauschale. Diese orientiert sich am jeweiligen Basiszins und wird seit 2019 am Jahresanfang erhoben. „Für 2024 beträgt sie etwa 1,6 Prozent“, so der Bankenverband. Der Fiskus will eben einfach nicht warten, bis sich Anlegende eines Tages von ihren Fondsanteilen trennen.

„Unbedingt Freistellungsaufträge erteilen“

Stefan Buschmann, Experte von der Hamburger Kanzlei BSP. LEGAL AND TAX, über die steuerliche Behandlung von Kapitalerträgen und häufige Fehler, die Anlegenden mit Aktien oder Fonds im Depot, unterlaufen.

Stefan Buschmann

Stefan Buschmann

ist als Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht Partner der Kanzlei BSP. LEGAL AND TAX in Hamburg und betreut vor allem mittelständische Unternehmen und Unternehmer insbesondere zu gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Fragen

DUP UNTERNEHMER-Magazin: Steuerberaterinnen und Steuerberater fragen bei der Vorbereitung der Einkommenssteuererklärung oft nach den Jahressteuerbescheinigungen der Depotbanken. Weshalb sind diese nötig, obwohl doch die Banken automatisch die Steuern auf Kursgewinne, Zinsen und Dividenden abführen?

Stefan Buschmann: Diese sind in der Tat in den meisten Fällen nicht nötig. Sogar die Abgabe der Anlage KAP, mit der die Kapitaleinkünfte im Rahmen der Einkommensteuer-Veranlagung erklärt werden, ist häufig entbehrlich. Allerdings fordern Steuerberater diese Bescheinigungen häufig an, weil die Abgabe der Anlage KAP dann sinnvoll sein kann, wenn eine Steuererstattung zu erwarten ist – weil etwa der Bank kein Freistellungsauftrag erteilt wurde oder der persönliche Steuersatz unter 25 Prozent liegt. Dies gilt auch, wenn Verluste aus Kapitalvermögen verrechnet werden sollen oder die Bank zu hohe Steuern berechnet und einbehalten hat – was durchaus vorkommt. Die Anlage KAP ist auch dann nötig, wenn ausländische Kapitalerträge vorhanden sind oder es über deutsche Zinsen und Dividenden hinaus weitere Kapitaleinkünfte gibt – wie etwa private Zinsen oder Erstattungszinsen vom Finanzamt. Das Formular ist zudem dann notwendig, wenn zum Beispiel trotz Kirchensteuerpflicht diese von der Bank nicht berechnet wurde.

Das klingt sehr aufwendig …

Buschmann: … Ja das ist es auch oft. Eine Überprüfung, welche Voraussetzungen im Detail gegeben sind, ist für den Steuerberater häufig zeitraubender und kostenintensiver, als die Daten der Steuerbescheinigungen vollständig aufzunehmen und dann über die eingesetzte Berater-Software den Handlungsbedarf zu erkennen.

Welche sind aus steuerlicher Sicht die häufigsten Fehler, die Anlegende im Zusammenhang mit Wertpapieren begehen?

Buschmann: Da sind das Versäumnis der Erteilung eines Freistellungsauftrages an die Bank und der Verzicht auf die Abgabe einer Steuererklärung zu nennen. Die Folge: Besteuerung der Kapitalerträge auch in Höhe der Freibeträge. Ebenfalls ein Fehler: Keinen Antrag auf die Erstattung der Quellensteuer bei ausländischen Kapitaleinkünften zu stellen. Die Folge ist eine echte Doppelbesteuerung. Ein anderer Fauxpas: Das Hinausschieben der Realisierung von Verlusten. Folge: die Besteuerung von Gewinnen in einem Kalenderjahr und die Realisierung der – ohnehin erkennbaren – Verluste erst im Folgejahr, gegebenenfalls ohne die Möglichkeit zur Verrechnung mit Gewinnen. Ähnlich problematisch: Wird kein Antrag auf eine Verlustbescheinigung bei Gewinnen und Verlusten in Depots bei unterschiedlichen Banken bis zum 15.12. des Jahres gestellt, ist keine Verlustverrechnung in diesem Kalenderjahr möglich. Stattdessen erfolgt ein Verlustvortrag in diesem Depot. Eine weitere Fehlentscheidung ist der Kauf etwa von Gold oder Kryptowährung über sogenannte Inhaberschuldverschreibungen wie zum Beispiel Zertifikate, ohne eine Regelung, nach welcher der Anleger eine Auslieferung in physischer Form verlangen kann. Die Folge: der Gewinn aus dem Verkauf ist immer steuerpflichtig, andernfalls nach einjähriger Haltefrist steuerfrei.

Welche Steuerregeln gelten beim Verkauf von vor dem Jahr 2009 erstandenen Aktien und Fonds?

Buschmann: Wurden Aktien vor 2009 erworben, dann ist deren Veräußerung unverändert steuerfrei. Wurden Investment-Anteile vor 2009 erworben, dann sind die Wertveränderungen ab 2018 – im Zeitpunkt des Verkaufs – steuerpflichtig, soweit diese den Freibetrag von 100.000 Euro übersteigen. Die Wertsteigerungen bis einschließlich 2017 bleiben also steuerfrei.

Welche Aspekte sollten Anlegende bei Dividendenzahlungen von Aktiengesellschaften aus dem Ausland beachten?

Buschmann: Ein Engagement in eine ausländische Aktie birgt regelmäßig ein erhöhtes Renditerisiko, etwa durch Wechselkursschwankungen und unter Umständen höhere Gebühren bei einem Erwerb an einem ausländischen Börsenplatz. Unter steuerlichen Gesichtspunkten steht bei ausländischen Dividenden das Risiko einer Doppelbesteuerung im Raum. Der Staat des die Dividenden auszahlenden Unternehmens behält Quellensteuern von bis zu 35 Prozent ein. Deutschland besteuert sie davon unabhängig mit 25 Prozent Kapitalertragsteuer und rechnet die im Ausland gezahlte Quellensteuern zumeist nur mit 15 Prozent an. Die im Ausland überzahlte Quellensteuer kann in der Regel zurückgefordert werden. Die entsprechenden Regelungen und Formulare werden aber von jedem Quellensteuer-Staat unterschiedlich gehandhabt und bisweilen so kompliziert ausgestaltet, dass man das als Versuch verstehen darf, die Rückforderung der Quellensteuer zu verhindern. Zudem kann die Erstattung mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Eine häufig mögliche Antragstellung durch die depotführende Bank ist zudem gebührenpflichtig. Fazit: Vor einem Engagement in ausländische Aktien sollte die jeweilige Handhabung der Quellensteuer geprüft werden. Insbesondere bei dem Erwerb einer nur geringen Anzahl von ausländischen Aktien dürfte der damit verbundene Aufwand in keinem angemessenen Verhältnis zum Ertrag stehen.