Luftaufnahme von Menschen, die miteinander vernetzt sind
17.04.2023
  • Drucken

Der Ausbruch der Coronapandemie im Frühjahr 2020 hat auch für Aktionäre und Aktiengesellschaften zahlreiche Veränderungen mit sich gebracht. Durch eine temporäre Notfallregelung wurde es den Unternehmen damals ermöglicht, nicht aufschiebbare und wichtige Entscheidungen weiterhin treffen zu können.

Jahreshauptversammlungen in Präsenz waren zu jener Zeit, als die Regelung eingeführt wurde, bekanntlich nicht umsetzbar. Den 14.000 Aktiengesellschaften in Deutschland wurde daher trotz Pandemie und Kontaktbeschränkungen die Möglichkeit eingeräumt, ihre Treffen rechtssicher durchführen zu können – nämlich im Internet. Dieser Regelung stimmten auch die Aktionärsschützer zu – allerdings nur widerwillig. Dadurch wurden schließlich fundamentale Aktionärsrechte auf Eis gelegt.

Zahlreiche Konzerne setzen weiter auf rein virtuelle Formate

Seitdem ist einiges passiert. Mit dem „Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen“ können Aktiengesellschaften nämlich seit Juli 2022 ihre Hauptversammlungen auch weiterhin rein virtuell stattfinden lassen. Und das, obwohl die Corona-Einschränkungen mittlerweile aufgehoben sind.

Zahlreiche namhafte börsennotierte Unternehmen nutzen die sich ihnen bietende Option. Die Folgen sind klar ersichtlich: Kamen vor Ausbruch der Pandemie bei den klassischen Aktionärstreffen in der Regel Tausende Anteilseigner zusammen, findet jetzt kaum noch direkter Austausch mit- und untereinander statt. Stattdessen sind die Versammlungen überwiegend in den virtuellen Raum verlagert worden.

So macht derzeit nur eine Minderheit der Aktiengesellschaften von der Möglichkeit Gebrauch, wieder Präsenzversammlungen durchzuführen. Die überwiegende Mehrheit der im deutschen Leitindex Dax notierten Konzerne – unter anderem BMW, Mercedes, Siemens und die Allianz – plant dagegen, ein rein virtuelles Aktionärstreffen auszurichten. Begründet wird dies seitens der Unternehmen mit mehr Umweltfreundlichkeit, besserem Gesundheitsschutz und einer erhöhten Planungssicherheit. Außerdem wird oftmals auch der Aspekt der Kostenersparnis angebracht.

Aktionäre werden in ihren Rechten benachteiligt

Allerdings liegen die Vorteile für jene Unternehmen, die auf rein virtuelle Hauptversammlungen setzen, bei genauerer Betrachtung woanders. Ihnen geht es nämlich in erster Linie um die Minimierung von Risiken. Unangenehme Überraschungen oder gar Eskalationen, die sich infolge kontroverser und oftmals hitzig und emotional geführter Debatten bei Präsenzversammlungen entsponnen haben, drohen im virtuellen Format nicht. Somit droht auch keine schlechte Presse und vieles weitere Negative mehr.

Klar ist: Die Abschaffung der Präsenzpflicht ist aus Anlegersicht eine Beschädigung der Aktionärsdemokratie. Gegenüber der physischen Ausgestaltung sollten die Aktionärsrechte laut Koalitionsvertrag ursprünglich auch in einer virtuellen Form der Hauptversammlung gleichwertig sein. So war es angedacht. Die Realität zeigt mittlerweile aber, dass das nicht der Fall ist. So sind Aktionäre etwa im Hinblick auf das Antrags- und Fragerecht benachteiligt. Hinzu kommen Probleme bei der einwandfreien technischen Umsetzung virtueller Hauptversammlungen. Und der kritische Dialog zwischen Aktionären und Unternehmen ist nur bei Präsenzveranstaltungen adäquat umsetzbar. Er fällt im virtuellen Format allerdings nahezu komplett weg.

Eine hybride Lösung wäre zu bevorzugen

Das Argument, dass die Einführung von virtuellen Hauptversammlungen zu einer signifikanten Erhöhung der Teilnehmerzahlen bei den Aktionärstreffen führen würde, da die Anfahrt zum Tagungsort wegfalle, ist mittlerweile ebenfalls widerlegt. Denn die Präsenz des stimmberechtigten Kapitals stagniert im Dax bei rund 67 Prozent; die Teilnehmerzahlen sind folglich nicht gesteigert worden.

Von Aktionärsschützern wird daher eine hybride Lösung – das heißt, die Kombination einer Präsenzversammlung mit online hinzugeschalteten Teilnehmern – ins Spiel gebracht. Diese Lösung ist im Vergleich zu rein virtuellen Hauptversammlungen klar zu bevorzugen. Nicht zuletzt deshalb, weil die rein virtuelle Form der Aktienkultur nicht förderlich ist.

Allerdings hat sich bislang noch keine große Gesellschaft an die hybride Lösung herangetraut, da die Unternehmen hier momentan zu viel Rechtsunsicherheit sehen. Auch im Gesetz ist dazu nichts zu finden. Es ist an der Zeit, dass sich daran etwas ändert. Und zwar möglichst rasch – im Sinne der Aktionärsdemokratie.

Zur Person

Robert Peres, Rechtsanwalt

Robert Peres

ist Rechtsanwalt mit Sitz in Berlin und Wiesbaden sowie Vorsitzender der Initiative Minderheitsaktionäre. Diese setzt sich für die Stärkung der Aktionärsrechte in Deutschland ein

Kolumnen, Kommentare und Gastbeiträge auf DUP-magazin.de geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.
17.04.2023
  • Drucken
Zur Startseite