Altersvorsorge

Vermögensaufbau für Auszubildende: So gelingt der Start

Wie lässt sich mit dem Azubigehalt Geld für kostspielige Pläne oder fürs Alter ansparen? Diese Frage hat für die vielen jungen Menschen, die in diesen Wochen eine Ausbildung beginnen, vielleicht nicht die Top-Priorität. Doch es kann nicht schaden, sich darüber Gedanken zu machen, sagt Verbraucherschützer Michael Herte. Denn wer früh startet, vermag schon mit überschaubaren Beträgen einiges zu erreichen. Mit welchen Produkten und Förderungen der Vermögensaufbau für Auszubildende am besten gelingt und warum bei manchen Finfluencern Vorsicht geboten ist

Drei Auszubildende machen Notizen. Symbolbild für Vermögensaufbau für Auszubildende

05.09.2024

Wenn Hunderttausende junger Menschen in diesen Wochen zum ersten Mal ihre Ausbildungsstätte betreten, wartet neben jeder Menge neuer Erfahrungen oft auch zum ersten Mal eine monatliche feste Vergütung auf sie. Sicher, zunächst dürfte es sich kaum um Riesenbeträge handeln – 2023 bekamen Auszubildende in tarifgebundenen Unternehmen laut Bundesinstitut für Berufsbildung im Schnitt 1.066 Euro brutto. Und doch ist der Ausbildungsstart ein guter Moment, um den Umgang mit Geld zu erlernen. Gehört dazu auch schon, sich Gedanken über Vermögensaufbau und Altersvorsorge zu machen? Ja, sagt Michael Herte, Referatsleiter Markt, Recht und Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. „Auszubildende sollten sich auf jeden Fall mit dem Thema auseinandersetzen.“

Schutz vor existenzbedrohenden Gefahren

Noch wichtiger ist als der Vermögensaufbau für Auszubildende ist für den Experten im ersten Schritt allerdings, existenzbedrohende Gefahren abzusichern. Dazu gehört eine Haftpflichtversicherung. Denn wer durch eine Unachtsamkeit beispielsweise bei einem Unfall einen anderen Menschen schwer verletzt oder ein Haus in Brand setzt, auf den kommen schnell hohe Schadenersatzforderungen zu. Zum Beispiel lebenslange Rentenzahlungen an ein schwer versehrtes Unfallopfer. Vor solchen finanziellen Folgen schützt die Haftpflichtversicherung. „Solange Auszubildende zum Hausstand der Eltern gehören, sind sie meist über deren Haftpflichtpolice mitversichert. Allerdings sollten sie prüfen, ob die Versicherungsbedingungen den Nachwuchs tatsächlich einschließen“, so Herte. Braucht der oder die Auszubildende eine eigene, so gibt es Haftpflichtpolicen für zwischen 50 und 100 Euro jährlich.

Die Arbeitskraft absichern

In Erwägung ziehen können junge Menschen auch eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). Sie springt ein, wenn die versicherte Person aufgrund einer Krankheit oder bleibender Folgen eines Unfalls ihrem Beruf nicht mehr nachgehen kann. „Denn die Arbeitskraft ist für alle, die kein großes Vermögen in die Wiege gelegt bekommen haben, das Wichtigste, um den Lebensunterhalt zu sichern“, erklärt der Verbraucherschützer. Sein Tipp für alle, die früh eine BU abschließen: „Sie sollten auf die Möglichkeit einer sogenannten Nachversicherungsgarantie achten. Dann lässt sich der Vertrag bei bestimmten Lebensereignissen ohne neue Risikoeinstufung erweitern, etwa wenn Kinder kommen und die Familie im Ernstfall ein höheres Einkommen benötigt.“ Für einen Berufsunfähigkeitsschutz fallen allerdings mehrere Hundert Euro pro Jahr an. Immerhin: Je früher eine BU abgeschlossen wird, desto wahrscheinlicher ist, dass die versicherte Person noch gesund ist. Das drückt die Beiträge.

Günstiger als eine BU ist eine Versicherung gegen schwere Krankheiten, in der Fachsprache Dread-Disease-Versicherung. Anders als bei der BU, die im Ernstfall eine monatliche Rente auszahlt, wird die Versicherungssumme hier auf einen Schlag fällig. Eine Dread-Disease-Versicherung unterscheidet sich also deutlich von der BU. Daher sollten Interessierte unbedingt unabhängigen Rat einholen, bevor sie eine dieser Policen unterschreiben.

Geringe Kosten, viel Flexibilität beim Vermögensaufbau für Auszubildende

Nach der Absicherung kommen Vermögensaufbau für Auszubildende und die Altersvorsorge an die Reihe. Wie viel sollten Auszubildende dafür zurücklegen? Hertes Antwort: „So viel es geht.“ Um herauszufinden, wie viel nach Abzug der notwenigen Ausgaben im Monat dafür übrigbleibt, eignet sich ein Haushaltsbuch. Anschließend geht es um die Wahl der Spar- beziehungsweise Vorsorgeprodukte. Der Verbraucherschutz-Experte rät, vor allem auf zwei Aspekte zu achten: geringe Abschlusskosten und eine angemessene Flexibilität. Zu letzterer zählt etwa die Möglichkeit, Sparbeiträge auszusetzen, wenn das Geld mal knapp wird, oder vorzeitig über das Ersparte zu verfügen. „Wer bisher keine Erfahrung mit Geldanlage hat, für den eignet sich ein Tagesgeldkonto“, so Herte. Direktbanken böten recht attraktive Zinsen, vor allem für Neukundinnen und -kunden. „Mit den zwei bis drei Prozent Zinsen lässt sich die Inflation ausgleichen.“ Eine Übersicht attraktiver Anbieter sowie einen Zinseszinsrechner gibt es beispielsweise hier. Um das Tagesgeldkonto jeden Monat mit einer festgelegten Summe zu besparen, lässt sich diese mit einem Dauerauftrag automatisch vom Giro- auf das Tagesgeldkonto überweisen.

Geldanlageprodukte ausprobieren

Unter Umständen mehr Rendite, dafür aber auch ein höheres Risiko, bieten Sparpläne in einen passiven Indexfonds oder ETF. „Wer ein Geldanlageprodukt ausprobieren möchte, dem empfehle ich einen Indexfonds auf den MSCI World“, sagt Herte. Der Index umfasst rund 1.600 Einzelaktien von Unternehmen aus 23 Industrieländern. Durch diese breite Streuung sollte das Risiko bei einem solchen ETF relativ überschaubar sein. Das Verbrauchermagazin „finanztip.de“ empfiehlt beispielsweise die MSCI-World-ETFs von iShares (ISIN: IE00B4L5Y983), Xtrackers (IE00BJ0KDQ92) und Invesco (IE00B60SX394). Der Vorteil von ETFs gegenüber sogenannten aktiv gemanagten Fonds: Die Gebühren sind für Sparerinnen und Sparer in der Regel deutlich geringer.

Allerdings – ein Verlustrisiko besteht bei Aktien- beziehungsweise Fondsanlagen immer. Wer jung ist und das Geld für einen längeren Zeitraum anlegt, kann Phasen, in denen die Aktienkurse schlecht stehen, jedoch aussitzen. Denn Verluste fallen erst in dem Moment tatsächlich an, in dem Fondsanteile zu einem ungünstigeren als dem Einstiegskurs verkauft werden. Möchte man mit einem Fondssparplan eine bestimmte Summe für eine Anschaffung in wenigen Jahren ansparen – etwa für ein Auto oder eine Hochzeit –, ist das Risiko schon höher. Denn dann kann es sein, dass in dem Moment, in dem das Geld gebraucht wird, die Fondsanteile zu einem ungünstigen Kurs verkauft und damit Verluste realisiert werden müssen.

Unterstützung vom Chef fürs Fondssparen

Unter Umständen hilft sogar der Chef beim Vermögensaufbau für Auszubildende mit einem ETF-Sparplan – mit den sogenannten vermögenswirksamen Leistungen (VL). Diese sind freiwillig, bisweilen im Tarifvertrag festgelegt. Beim Ausbildungsbetrieb nachzufragen lohnt sich. Die Höhe variiert je nach Arbeitgeber, monatlich sind es meist zwischen sechs und 40 Euro. Die überweist der Arbeitgeber dann direkt in den Sparvertrag, etwa einen ETF-Sparplan. Zusätzlich können Auszubildende von der Arbeitnehmersparzulage profitieren. Damit fördert der Staat die vermögenswirksamen Leistungen bei einem Aktienfondssparplan mit 20 Prozent auf bis zu 400 Euro an Einzahlungen im Jahr. Für Alleinverdienende beträgt die Förderung also maximal 80 Euro jährlich. Einen Haken gibt es allerdings: VL-Fondssparverträge sind weniger flexibel als ungeförderte. „Der VL-Vertrag muss sechs Jahre lang bespart werden und ein weiteres ruhen. Eine Auszahlung ist also erst nach sieben Jahren möglich. Wer früher an sein Geld möchte, verliert die Förderungen“, erklärt Herte.

Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung

Arbeitgeber und Staat gemeinsam fördern eine weitere Vorsorgeform: die betriebliche Altersvorsorge (bAV). Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – und damit auch Auszubildende – haben einen Rechtsanspruch auf die sogenannte Entgeltumwandlung. Dabei zahlt der Arbeitgeber eine vereinbarte Summe aus dem Bruttogehalt beispielsweise in eine private Rentenversicherung. Und er muss mindestens 15 Prozent der vom Auszubildenden eingezahlten Summe obendrauf legen. Auf den eingezahlten Betrag werden für die Beschäftigten weder Steuern noch Sozialabgaben fällig. „Die betriebliche Altersvorsorge ist eigentlich ein Steuersparmodell“, sagt Herte. „Allerdings haben Azubis in der Regel noch kein Einkommen, auf das sie nennenswerte Steuern zahlen.“ Hinzu kommt: Weil durch die Entgeltumwandlung der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung sinkt, fällt später die gesetzliche Rente etwas geringer aus.

Unter Umständen kann eine bAV trotzdem für Auszubildende attraktiv sein. „Wenn sich der Arbeitgeber über die vorgeschriebenen 15 Prozent hinaus beteiligt und beispielsweise 50 Euro einzahlt, wenn die Auszubildenden selbst zehn Euro tragen, kann sich so ein Angebot lohnen“, sagt der Verbraucherschützer. Auch Arbeitgeber profitieren von so einer Investition – schließlich hilft sie, Fachkräfte und solche, die es werden wollen, an den Betrieb zu binden.

Ungeförderte Rentenversicherungen zu unflexibel

Und was ist mit ungeförderten Rentenversicherungen? Sie garantieren später eine lebenslange monatliche Rente. So können sie einen Schutz gegen das sogenannte Langlebigkeitsrisiko bieten, also gegen die Gefahr, dass das Ersparte im hohen Alter irgendwann aufgebraucht ist. Dazu Herte: „Das sind unflexible Produkte mit hohen Abschlusskosten. Für Auszubildende ist das noch nicht das richtige Produkt. Denn wenn sie im Lauf ihres Lebens eine größere Summe benötigen, ist das Geld in einer Rentenversicherung gebunden.“

Vorsicht vor Betrügern

Wer sich beim Vermögensaufbau für Auszubildende angesichts der Fülle der Möglichkeiten überfordert fühlt, kann sich von unabhängigen Expertinnen und Experten beraten lassen. Vorsicht sei bei manchen Finfluencern geboten, warnt Verbraucherschützer Herte. „Wir haben hier wöchentlich neue Opfer von Betrügern etwa rund um Aktien-Tradinggruppen und Kryptotrading.“ Eine unabhängige Beratung bieten beispielsweise die Verbraucherzentralen der Bundesländer gegen eine überschaubare Gebühr. Und mit Vermögensaufbau und Altersvorsorge ist es ähnlich wie bei einer Ausbildung: Der Anfang ist bisweilen schwer, doch wer dranbleibt, sammelt wertvolle Erfahrungen.

Michael Herte, Referatsleiter Markt, Recht und Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein

Michael Herte

ist Referatsleiter Markt, Recht und Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein