Digitaler Kunstmarkt

NFT: Spekulationsobjekt oder Renditebringer?

Bilder, Videos und Gifs werden auf dem digitalen Kunstmarkt als Non-Fungible Token (NFT) gehandelt. Doch Investitionen sollten wohlüberlegt sein, sagen Experten des Spezialversicherers Hiscox. Denn der NFT-Kunstmarkt hat seine Tücken.

16.05.2022

Nur 24 mal 24 Pixel misst ein CryptoPunk. 10.000 dieser kleinen Figuren wurden 2017 von zwei Softwareentwicklern im Rahmen eines Kunstprojekts kreiert. Sie sind als eine Art Sammelbildchen als Non-Fungible Token (NFT) auf der Ethereum-Blockchain hinterlegt. Und die digitalen Mini-Kunstwerke sind viele Millionen Dollar wert: Im Februar wurde der CryptoPunk #5822 für 23,7 Millionen Dollar verkauft; CryptoPunk #7523 hat im Sommer 2021 für 11,7 Millionen Dollar den Besitzer gewechselt – 2017 war er zunächst für 50 Euro verkauft worden.

Was sind Non-Fungible Token?

Digitale Kunstwerke zu besitzen liegt im Trend. Einen großen Anteil am Hype hat der Künstler Beeple: Im März 2021 wurde das Werk „Everydays: the First 5000 Days“ des Digitalkünstlers vom Auktionshaus Christie’s für 69,3 Millionen US-Dollar versteigert.

Doch trotz der medialen Aufmerksamkeit, die das Werk von Beeple damals bekam: NFT sind in Deutschland noch weitgehend unbekannt. 68 Prozent der vom Digitalverband Bitkom Befragten gaben an, sie hätten noch nie etwas von Non-Fungible Token gehört. Und nur fünf Prozent der Befragten glauben, sie haben verstanden, was NFT sind und könnten es auch anderen erklären.

Vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um einen Nachweis darüber, wer ein digitales Werk besitzt. Hinterlegt ist dieser Nachweis in einem großen Computernetzwerk, weshalb NFT als einzigartig und rückverfolgbar sowie als nahezu unmanipulierbar gelten.

„NFT ermöglichen mithilfe der Blockchain-Technologie den dezentralen, unveränderlichen digitalen Nachweis, dass man etwas besitzt. Es kann sich dabei um digitale Werke handeln, aber auch der Fahrzeugbrief als digitaler Eigentumsnachweis für einen Pkw lässt sich als NFT abbilden“, sagt Benedikt Faupel, Blockchain-Experte des Bitkom.

NFT demokratisieren den Kunstmarkt

Am Kunstmarkt steigt das Interesse an NFT. Mehr als ein Viertel der Kunstkäufer plant, 2022 in Non-Fungible Token zu investieren. Das geht aus dem „Hiscox Online Art Trade Report 2021“ hervor. Die Technologie demokratisiert den Kunstmarkt. Sie sorgt dafür, dass der Zugang zum Kunstmarkt für alle Menschen leichter geworden ist, sie schafft Transparenz – und sie macht Transaktionen nachvollziehbar. Dabei werden aber in den seltensten Fällen Millionenbeträge gezahlt: Der Durchschnittspreis für NFT-Kunstwerke liegt auf der Plattform Nifty Gateway bei 1.228 Dollar.

„NFT haben in zweierlei Hinsicht eine wichtige Bedeutung: Zum einen verkörpern sie ein digitales Kunstwerk und zum anderen können sie auch als digitaler Nachweis eines physischen Kunstwerks dienen“, sagt Alina Sucker, Underwriting Manager Art & Private Clients beim Spezialversicherer Hiscox. „Letzterer Punkt hat im Hinblick auf die Provenienz geradezu Game-Changer-Potenzial: Die Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit ist bei Kunstwerken oft schwierig, aber sehr wichtig für den Wert – durch welche Hände ist ein Kunstwerk gegangen, in welchen Galerien war es zuvor ausgestellt? Vor allem zeitgenössische Kunstwerke haben hier durch NFT die Chance einer lückenlosen Provenienz als Differenzierungsmerkmal.“

NFT-gesicherte Kunst als langfristige Wertanlage?

Beim Blick auf die Käufer fällt allerdings eines auf: Wer digitale Kunst erwirbt, hat dafür laut „Hiscox Online Art Trade Report 2021“ andere Gründe als die Käufer normaler Werke.

93 Prozent der Käufer herkömmlicher Kunstwerke nannten deren emotionalen Wert als Grund für den Kauf; 62 Prozent hoffen zudem auf eine Wertsteigerung. Bei digitaler Kunst sieht das anders aus: 82 Prozent der NFT-Käufer hoffen auf eine möglichst hohe Rendite; der emotionale Wert der Werke war nur für 67 Prozent ein Kaufgrund. Oder in anderen Worten: Das Kunstwerk selbst wird für sie zur Nebensache.

Mit Blick auf die mangelnde Reife des NFT-Kunstmarkts mahnt Robert Read, Leiter des Bereichs Kunst und Privatkunden bei Hiscox, allerdings zur Vorsicht. Der NFT-Kunstmarkt befinde sich „immer noch in der ‚Wildwest‘-Phase seiner Entwicklung. Es handelt sich immer noch sehr stark um einen spekulativen Markt, sodass wir momentan noch viele Höhen und Tiefen erwarten können“, so Read.

Wertentwicklung lässt sich nicht prognostizieren

Der wirkliche Wert digitaler Werke und vor allem ihre Wertentwicklung lässt sich – anders als bei wertvollen Einzelstücken oder Editionswerken von berühmten Künstlern – kaum voraussagen. Zudem ist der Markt für NFT-Kunst noch zu jung, um beurteilen zu können, ob es sich um einen kurzfristigen Hype handelt oder eine langfristige Wertsteigerung zu erwarten ist. Und daher gilt: Ein Investment in digitale Kunst geht mit einem höheren Risiko einher, als eine Investition in ein bekanntes „echtes“ Gemälde.

Was das in der Praxis heißt, musste der Kryptounternehmer Sina Estavi kürzlich erfahren. Im Frühjahr 2021 ersteigerte er den ersten Tweet von Twitter-Gründer Jack Dorsey für 2,9 Millionen Dollar. Ein gutes Jahr später wollte er ihn wieder verkaufen. Doch statt der erhofften 50 Millionen Dollar lag das Höchstgebot für den NFT des Tweets zunächst nur bei gut 7.000 Dollar. Die Auktion hat Estavi erst einmal ausgesetzt – um auf ein besseres Angebot zu warten.