Eine 100-Euro-Banknote liegt im Gras
04.06.2021    Ulrike Maris
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Zur Person

Bernhard Bartels

ist Executive Director bei Scope ESG Analysis, einem Unternehmen der Scope Group. Scope ESG Analysis liefert Investoren ein Produktportfolio zur Nachhaltigkeitsmessung: einen makroökonomisch basierten Score, der die Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen anhand von elf Indikatoren misst und dabei besonderen Wert auf die Bedeutung der Lieferkette legt

Laut dem Fondsverband BVI ist im vergangenen Jahr jeder zweite Euro, der in einen Fonds investiert wurde, in einen ESG-Fonds geflossen. Offenbar ist es ganz einfach, Gutes zu tun. Wie sehen Sie das?

Bernhard Bartels: Es gibt derzeit einen wahren Dschungel von mehr als 1.500 Nachhaltigkeitsfonds, die sich an kontroversen Industrien, an Ausschlusskriterien oder zum Teil selbst gesetzten Benchmarks orientieren und deshalb schwer zu bewerten sind. Im Moment ist noch gar nicht ausreichend definiert, was genau nachhaltig ist. Mit der Umsetzung der EU-Offenlegungsrichtlinie für Unternehmen werden sich die Transparenzpflichten für Nachhaltigkeitsfonds aber deutlich erhöhen.

Die Offenlegungsrichtlinie ist ja bereits verabschiedet, wie lange wird es dauern, bis sie komplett umgesetzt wird?

Bartels: Das Ziel der EU ist, dass Vermögensverwalter ab 2022 Auskunft über 17 Nachhaltigkeitsindikatoren geben können. Bei einigen, die sehr schwer umzusetzen sind, wird es noch bis 2023 dauern. Es handelt sich dabei um quantitative Indikatoren,  die nachteilige Auswirkungen von Portfolien anzeigen sollen. Spätestens ab dem Jahr 2023 müssen Anbieter nachhaltiger Fonds-Produkte nach Artikel 8 und 9 außerdem die Berichtsstandards der Taxonomie anwenden, wenn sie ökologische Ziele verfolgen.

Können Sie ein Beispiel für einen einfach umzusetzenden Indikator nennen?

Bartels: Einfach umzusetzen sind zum Beispiel Scope-1-Emissionen, also der CO2-Ausstoß des Unternehmens selbst. Diese Informationen erheben die meisten Unternehmen ohnehin schon. Komplex wird es bei Scope-3-Emissionen, also dem indirekten CO2-Ausstoß, der bei vorgelagerten Produktionsschritten in der Lieferkette und während der Nutzungsphase der produzierten Güter anfällt. Die aufwendige Datenerhebung wird durch nicht eindeutig dem Unternehmen zurechenbare Emissionen erschwert. Generell haben große Unternehmen mehr Möglichkeiten diese Daten zu erheben und standardisiert zu berichten als kleine und mittelständische Unternehmen. Für ein Rating ist eine standardisierte Vergleichbarkeit aber wichtig.

Zurzeit basieren ja viele Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen auf Selbsteinschätzung. Das ändert sich dann?

Bartels: Es gibt bereits ISO-Richtlinien und andere anerkannte Standards wie die GRI, nach denen häufig berichtet wird. Aber es stimmt, die Unternehmen legen den Fokus oft auf Themen, die sie selbst kontrollieren, auch wenn diese nicht in jedem Fall materiell bedeutend sind. So berichtet eine Bank vielleicht ausführlicher über das nachhaltig gebaute und energiesparende Firmengebäude in Frankfurt am Main als über Investments in osteuropäische Kraftwerke mit hohem CO2-Ausstoß.  Wir beobachten aber, dass der Markt reagiert und versucht, den Offenlegungspflichten nachzukommen. Die Nachfrage der Vermögensverwalter nach Informationen, um ihre Prospekte zu erneuern, ist groß.

Worin liegt der Unterschied zwischen der Offenlegungsrichtlinie und der EU-Taxonomie?

Bartels: Die EU-Taxonomie ist ein grundlegendes Regelwerk für nachhaltiges Wirtschaften. Es dient insbesondere den Industrien mit hohem Ausstoß von Treibhausgasen und definiert detaillierte, spezifizierte Anforderungen, wie der CO2-Ausstoß zu reduzieren ist, um als nachhaltig deklariert zu werden. Ein Zementwerk beispielsweise, das zu den besten seiner Branche gehört, kann dem Taxonomie-Standard entsprechen. Die Taxonomie wird beispielsweise für Green Bonds genutzt. Diese Anleihen mit EU-Label können Unternehmen mit grüner Technologie emittieren oder Unternehmen, die Anpassungen vornehmen, um ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren. Mit dem Investment in Green Bonds fördern Investoren Unternehmen, die dabei helfen, die CO2-Neutralität schneller zu erreichen. Außerdem ist die Taxonomie wichtig für die Unternehmensberichterstattung. Unternehmen legen dar, was sie tun, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren und welcher Umsatz-, Kosten- und Investitionsanteil dafür aufgewendet wird.

Und im Gegensatz dazu die Offenlegungsrichtlinie?

Bartels: Die Offenlegungsrichtlinie unterscheidet zwischen Fonds mit nachhaltigem Fokus, die an die Taxonomie-Verordnung angelegt sind, und gewöhnlichen Fonds, für deren Portfolien die quantitativen Nachhaltigkeitsindikatoren berichtet werden müssen. Die Berichtspflicht dient der höheren Transparenz für Kapitalanleger. Fondsgesellschaften und Vermögensverwalter sind nicht verpflichtet, nachhaltige Produkte im Sinne der SFDR anzubieten. Wenn sie dies aber tun, müssen sie ab 2023 für ökologisch nachhaltige Produkte die Standards der Taxonomie-Verordnung anwenden.

Wenn die Nachfrage nach grünen Investments weiter steigt – bekommen wir dann eine Asset Price Inflation?

Bartels: Es bleibt abzuwarten, wohin die Gelder fließen, die etwa von den Produzenten fossiler Brennstoffe abgezogen werden. Wenn mehr Kapital den Unternehmen zukommt, die Öl für die Herstellung ihrer Produkte benötigen, dann fließt es indirekt immer noch zu den Energieproduzenten. Das Problem ist: Es fehlt die Auswahl an Investitionsmöglichkeiten.

Was sollten Anleger denn dann tun?

Bartels: Es reicht nicht, in Unternehmen zu investieren, die bereits grün sind. Die Frage sollte sein: Wo findet die Transformation statt? Grüne Unternehmen sind ja bereits klimafreundlich. Aber wenn ein Betreiber von Kohlekraftwerken diese schließt und stattdessen Wasserkraftwerke baut, dann kann ein Impact-Investor den CO2-Fußabdruck zu reduzieren helfen. Er muss dann in Unternehmen energieintensiver Branchen investieren, die ihre Geschäftsmodelle erfolgreich anpassen können. Die Taxonomie hilft dabei, diese Unternehmen und Branchen zu identifizieren.

04.06.2021    Ulrike Maris
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