Es liest sich so einfach. Gold ist der sichere Hafen. Und da die Zeiten unsicher sind – siehe Ukraine-Krise, siehe Inflation, siehe geborstene Lieferketten – spricht alles für Gold. Oder? Ganz so einfach ist es nicht.
Gold wirft keine Zinsen ab, so wie Anleihen in normalen Zeiten. Es erwirtschaftet keine Dividenden, so wie Aktien. Das Einzige, womit es bei Anlegern punkten kann, ist der innere Wert. Je höher die Nachfrage nach solchen Werten, umso höher der Preis dafür.
Eugen Weinberg, Leiter des Rohstoff-Researchs der Commerzbank, betrachtet das Edelmetall daher auch als Versicherung. Eine Versicherung des Portfolios zum Beispiel gegen einen massiven Kursrutsch an den Börsen. Und der Preis sind die Prämien, die man eben zu zahlen hat.
Wird sich diese Versicherung 2022 also auszahlen? Etliche Finanzexperten sehen das so.
Gold als gefragte Sicherheit
Da ist die politische Unsicherheit, die Frage, wie es mit der Ukraine-Krise weitergeht – Preistreiber Nummer eins. „Gold bleibt ein sicherer Hafen und eine Versicherung gegen geopolitische Risiken“, sagt zum Beispiel André Christl, Chef der Edelmetall-Sparte von Heraeus.
Treiber Nummer zwei könnte ausgerechnet die Inflation sein. Die lag zuletzt in den EU-Ländern bei fünf Prozent. „Wenn die Inflation nicht bekämpft wird, hat Sachkapital einen Lauf“, sagt Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. „Güter werden teurer – von der Schraube, die bei BMW eingesetzt wird, bis zum Gaspreis. Das heißt, die Absicherung habe ich dann, wenn ich auf Sachwerte setze: Aktien, Immobilien und Gold.“
Mechanische Regel?
Die Vermögensverwaltung Flossbach von Storch hat einmal genauer hingesehen. „Langfristig besteht der ‚Ertrag‘ des zinslosen Edelmetalls darin, mindestens die jährliche Geldentwertung auszugleichen“, schreiben die Kölner. Eine mechanische Regel ist das freilich nicht. „Zwischenzeitlich steigt und fällt der Goldpreis mal stärker, mal weniger stark als die Inflationsrate.“
Und was, wenn die Fed die Leitzinsen deutlich erhöht und Anleihen damit wieder Geld abwerfen – Gold also an Glanz einbüßt? „Ich bezweifle, dass die Zinsen stark steigen“, sagt Halver. „Die Zinsen werden also nicht attraktiv. Deshalb bleibt Gold empfehlenswert – auch als Krisenwährung.“
In die gleiche argumentative Kerbe haut Benjamin Louvet, Fondsmanager OFI Financial Investment Precious Metals bei OFI Asset Management. „Seitdem der Kurs der Fed zur Anhebung der Leitzinsen klar und das Ende der Anleihekäufe in Sicht ist, kaufen Anleger wieder verstärkt Gold“, sagt er. „Wir sind davon überzeugt, dass die Fed die Zinssätze nur allmählich anhebt und unterhalb des Inflationsniveaus bleibt. Denn ein Anstieg der Zinssätze über die Inflationsrate hinaus würde sich destabilisierend auf viele hochverschuldete Staaten auswirken, deren Schuldenlast so noch weiter in die Höhe getrieben würde. Hinzu kommt, dass die derzeit hohe Inflation mit Problemen in den Lieferketten verbunden ist, gegen die Zinserhöhungen kontraproduktiv wirken.“
Klingt fast so, als wäre der Gedanke von Gold als Versicherung derzeit nicht schlecht. Was keine goldene Zeit begründet, aber immerhin ein glänzender Grund für das Edelmetall ist.