Sind Immobilien aktuell eine gute Kapitalanlage? „Zumindest bei Handelsimmobilien wäre ich im Moment extrem vorsichtig“, urteilt Frank Berlepp, Vorstandssprecher der LBBW Immobilien-Gruppe, einer Tochtergesellschaft der Landesbank Baden-Württemberg. Bei der DUB Digital Week mahnt der Immobilienexperte, den Markt differenziert zu betrachten.
Angesichts der Krise des stationären Handels, die sich durch die Corona-bedingten Lockdowns nochmals verschärft hat, und der Fluktuation des Einzelhandels in den Innenstädten lässt sich laut Berlepp eine Tendenz in Richtung eines fundamentalen Wandels der Branche beobachten – besonders bei der Nutzung von gewerblichen Flächen. Der Markt bewege sich antizyklisch. Auf lange Sicht werde sich das Angebot von großflächigen Handelsobjekten Richtung kleinerer Flächen verändern, woraus „periodisch ein erheblicher Wertverlust“ für die Eigentürmer resultieren könnte.
Handelsimmobilien mit Mixed-used-Konzepten
An die Stelle der großen Kaufhäuser könnten Mixed-used-Konzepte treten: „Man muss darüber nachdenken, eine Durchmischung von Wohn- und Gewerbeeinheiten hinzubekommen. Nur dann ist es möglich, die Abwärtsspirale der Stadtentwicklung aufzuhalten“, so Berlepp. Als Hürden für diese Entwicklung nennt er einerseits die „vielfältigen Eigentumsverhältnisse“ und die „komplizierten Baurechtsverfahren“.
Trotz Homeoffice: Bürokonzepte haben Zukunft
Bei Büroobjekten wird der Standort künftig noch stärker über den Wert entscheiden. Unverzichtbar sei beispielsweise eine Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel. Anders als bei Handelsimmobilien erwartet Berlepp bei Büroobjekten keine Krise. Obwohl Millionen von Menschen derzeit vom Homeoffice aus arbeiten, glaubt der Immobilienexperte weiterhin an die Nutzung stationärer Büros. Allerdings gehe der Trend auch in diesem Bereich zu kleineren Objekten und modernen Nutzungskonzepten wie Co-Workings-Spaces.
Soziales Gewissen bei Immobilien
Ungebrochen ist die Nachfrage nach wie vor im Segment der Wohnimmobilien – daran hat auch die Coronapandemie nichts geändert. „2020 war ein sensationelles Jahr für alle Beteiligten der Branche, also für unsere Mitbewerber und uns. Und 2021 könnte ebenso wieder ein Jahr der guten Erträge werden“, bewertet Berlepp die aktuelle und zukünftige Marktsituation. Während der Lockdowns stagnierten zwar die Objekt-Annoncen und die Besichtigungen, laut Statistischen Bundesamt lagen die Preise für Immobilien im dritten Quartal 2020 aber durchschnittlich um 7,8 Prozent höher als im Vorjahresquartal.
Mogelpackung Berliner Mietendeckel?
Dem generellen Anstieg der Immobilienpreise der vergangenen Jahren steht Berlepp indes skeptisch gegenüber: „Wir haben ein soziales Gewissen, daher sollte das ein Thema werden, das uns zukünftig massiv beschäftigen wird.“ Politische Regulierungsmechanismen wie die Mietpreisbremse in Berlin oder generelle Investitionsbeschränkungen seien keine Maßnahmen für einen gesunden Markt. Tatsächlich belegt eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, dass die Preise der durch den Berliner Mietendeckel regulierten Wohnungen im Vergleich zu den unregulierten seit Februar 2020 um elf Prozent gesunken seien. Gleichzeitig ging das Angebot auf dem Wohnungsmarkt um mehr als die Hälfte zurück. Berlepps alternativer Ansatz: „Ich gehöre zur Betongold-Fraktion, die behauptet, dass es nur mit bauen, bauen, bauen, geht.“
Nachhaltigkeit langfristig entscheidend
Egal, ob Handelsimmobilien, Büroobjekte oder Wohnen: Bei Neubauten ist zunehmend die Nachhaltigkeit entscheidend. „Nur eine Immobilie, die sich langfristig wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll betreiben lässt, ist gleichzeitig eine langfristige und weitgehend krisensichere Anlage“, stellt Berlepp fest. Wer sich den Herausforderungen am Markt mit einem sozialen Gewissen und flexiblen Ansätzen stellt, könne auch 2021 noch klug und renditeorientiert in Immobilien investieren.