Kolumne

Geldanlage in Krisenzeiten

Gelten auch am Kapitalmarkt neue Spielregeln?

Krieg, Inflation, explodierende Energiepreise, Rezessionsangst: Sind das nicht Gründe genug, um über die eigene Kapitalanlage nachzudenken? Natürlich. Schauen wir uns also an, welche neuen Spielregeln es gibt und ob die Situation wirklich so neu ist.

13.07.2022

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Mit Wünschen sollte man vorsichtig sein. Vor einem Jahr wären wir wahrscheinlich alle froh gewesen, wenn die Nachrichten einmal verstärkt über andere Themen als die täglichen Inzidenzen und die Auslastung der Krankenhausbetten berichtet hätten.

Kolumne Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun

Doch bei der aktuellen Nachrichtenlage sehnt sich wohl so mancher diese Zeit wieder zurück. Denn mittlerweile überschlagen sich die Negativmeldungen vom Krieg in der Ukraine, von Inflationsraten von zeitweise über acht Prozent, rasant gestiegenen Zinsen, Problemen bei Lieferketten – und auch Corona ist immer noch nicht ausgestanden. Und dass in so einem Umfeld die Kapitalmärkte Achterbahn fahren – mit tendenzieller Richtung nach unten –, ist nicht verwunderlich.

Was bedeuten all diese Krisen für mich und mein Vermögen?

Vor einer Bewertung lohnt es sich, tief durchzuatmen, ein Stück zurückzutreten und das Ganze in den längerfristigen Kontext einzuordnen.

Die Erkenntnis ist schmerzhaft, aber der Krieg in der Ukraine – „mitten in Europa“, wie man immer hört – ist leider kein Novum in den letzten Jahrzehnten. Im Balkan hatten wir vor nicht einmal 25 Jahren ebenfalls furchtbare Auseinandersetzungen direkt vor unserer Haustür, die sich über fast ein Jahrzehnt erstreckten. Natürlich ist jeder Konflikt anders, aber man muss nüchtern feststellen, dass auch in Europa Frieden keine Selbstverständlichkeit war und ist. Das ist aber primär ein (großes) politisches und weniger ein wirtschaftliches Problem.

Inflation: Ist sie wirklich ein „neues“ Phänomen?

Die sprunghaft angestiegene Inflation macht vielen Menschen zu schaffen, das tägliche Leben wird massiv teurer. Auch hier muss man aber im langfristigen Kontext nüchtern konstatieren, dass wir in den letzten sechs bis sieben Jahren extrem niedrige Inflationsraten hatten, weshalb entsprechende Basis-Effekte zu diesem massiven Anstieg führen.

Viele Jahre gab es praktisch gar keinen Inflationsdruck, was historisch extrem ungewöhnlich war. Vor allem die kurzfristig galoppierenden Energiepreise sorgen momentan für den preissteigernden Effekt. Ob die Steigerungen dauerhaft sein werden, wird sich zeigen; wir maßen uns dazu keine Prognose an. Selbst ein solches Szenario hat es aber in deutlich heftigerer Form schon gegeben – man denke an die Ölkrise in den Siebzigern, als das geliebte Auto am Sonntag in der Garage bleiben musste und man über die Autobahnen des Landes spazieren konnte.

Immobilienmarkt: Ist die gefühlte Krise nicht eher eine Normalisierung?

Illustration Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun
Dr. Nikolaus Braun und Stefan Heringer sind die Gründer der Neunundvierzig Honorarberatung. Ihre Kernkompetenz ist die langfristige Begleitung Ihrer Mandanten rund um die Frage wie Vermögen Lebensqualität schaffen kann. Als Vermögensverwalter der Deutschen Wertpapiertreuhand stehen sie für finanzwissenschaftlich informierte Anlagestrategien. Braun ist zudem Autor des Finanzratgebers „Über Geld Nachdenken“

Häuslebauer ächzen ebenfalls unter den massiv steigenden Zinssätzen. Innerhalb von nicht einmal zwölf Monaten haben sich die Zinssätze für zehnjährige Darlehen bei sonst gleichen Voraussetzungen fast vervierfacht. Jetzt haben in Deutschland zum Glück die meisten Menschen mit Baufinanzierungen feste Darlehen mit häufig langen Laufzeiten und sind von diesem Effekt zunächst nicht direkt betroffen.

Für Familien, deren Darlehen in Kürze auslaufen und verlängert werden müssen oder die sich gerade erst den Traum von der eigenen Immobilie verwirklichen wollten und sich jetzt die Finanzierung nicht mehr leisten können, ist das natürlich kein Trost. Das liegt aber in erster Linie nicht an den steigenden Zinsen, sondern eher an den – vor allem in Ballungsgebieten – exorbitanten Preisen, die durch die jahrelangen Nullzinsen erst entstehen konnten.

Wenn sich hier eine Normalisierung abzeichnet – sowohl bei den Zinssätzen als auch beim Preisniveau –, ist das langfristig alles andere als ungewöhnlich. Eher war es eine außergewöhnliche Anomalie, dass Immobilienkäufer über einen so langen Zeitraum Kredite von der Bank praktisch geschenkt bekommen haben. Eine zehnjährige Baufinanzierung bekam man jahrelang zu Zinsen deutlich unter einem Prozent. Bei Zinsen im oberen einstelligen Bereich in den 1980er- und 1990er-Jahren mutete das eher grotesk an.

Alle haben sich steigende Zinsen gewünscht – und jetzt will sie keiner haben

Kurioserweise sind es oft dieselben Personen, die jahrelang gemeckert haben, dass die armen Sparer von der bösen Europäischen Zentralbank enteignet werden, die sich jetzt über die steigenden Zinsen beschweren. Das verstehe, wer will…

Jetzt mag man einwerfen, dass der Realzins wegen der Inflation immer noch negativ ist. Das ist aber definitiv kein neues Phänomen. In unseren Augen ist eine Rückkehr zu wieder „normalen Zinsniveaus“ langfristig eher ein positives Zeichen – auch wenn dies kurzfristig schmerzhaft sein mag, sowohl für Kreditnehmer als auch für Investoren in Anleihen. Ein gestiegenes Zinsniveau führt mittelfristig eher zu einer gesunden Normalisierung von Preisbewertungen bei Anlageklassen wie Immobilien, Anleihen und Aktien als die jahrelang praktizierte faktische Abschaffung von Zinsen.

Was bedeutet das jetzt alles für mein Vermögen?

Ja, wir haben turbulente Zeiten, aber jede Krise geht vorbei. Und es ändert nichts daran, dass ein gut strukturiertes, diversifiziertes Portfolio der beste Schutz sowohl gegen Inflation als auch andere potenzielle Verwerfungen ist. Die Marktwirtschaft wird auf globaler Ebene nicht zusperren, sondern wird – wie so häufig in der Vergangenheit – gestärkt daraus hervorgehen. Im Rückspiegel betrachtet werden wir uns in einigen Jahren wahrscheinlich sogar wundern, wie viele positive Aspekte und Entwicklungen aus den aktuellen Problemen hervorgegangen sind.

Das größte Risiko für Ihr Vermögen sind im Moment potenziell Sie. Wenn Sie jetzt anfangen, hektisch auf Szenarien zu setzen, sich massive Klumpenrisiken aufhalsen, weil Sie Ihre Anlagen im großen Stil in nur vermeintlich krisensichere Anlagen umschichten oder vorsichtshalber „erst einmal“ alles verkaufen wollen: Dann kann Ihr Versuch, Ihr Vermögen zu schützen, ganz schnell zur eigentlichen Ursache massiver Verluste werden.

Also machen Sie es wie in anderen Notsituationen auch: Ruhe bewahren, Sicherheit ausstrahlen, Hilfe verständigen. So eine Hilfe finden Sie auch in unserem Webinar „Die zehn größten Fehler bei der Geldanlage“ am 21. Juli um 19.30 Uhr, zu dem wir Sie hier herzlich einladen, oder auch regelmäßig im Blog der Neunundvierzig Honorarberatung.

Ihr Stefan Heringer und Nikolaus Braun

P.S.: Mehr zum Thema rationales Anlegerverhalten, aber auch darüber, wie Ihr Umgang mit Geld Sie glücklicher machen kann, finden Sie in Nikolaus Brauns Finanzratgeber „Über Geld Nachdenken“.

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