Investment-Ideen

Europäische Aktien: GRANOLAS für mehr Kursgewinn?

Griffige Aktiengruppierungen sind in der Finanzszene in Mode. Die europäische Variante GRANOLAS umfasst eine Reihe von Titeln, die für Anlegende auf jeden Fall einen Blick wert sein können. Welche Börsenstars sich hinter dem Akronym verbergen.

Ein Mitarbeiter im Labor der Firma Nestle als Symbol für GRANOLAS

09.10.2024

Wer bei Granola ausschließlich an das beliebte Knuspermüsli aus dem Backofen denkt, hat vielleicht ein „S“ übersehen – und verpasst womöglich gute Chancen an der Börse. Unter den „GRANOLAS“ verstehen Anlegende einen vom Investmenthaus Goldman Sachs vor einigen Jahren kreierten Begriff, der eine Gruppe Aktien vom Alten Kontinent beschreibt, die von den Experten als besonders vielversprechend erachtet wurden. Elf Titel wurden von den Analysten der US-Investmentbank in den erlauchten Kreis aufgenommen, die zum Startzeitpunkt der Strategie im Jahr 2020 die höchste Marktkapitalisierung unter den europäischen Aktien aufwiesen: GSK (vormals GlaxoSmithKline), Roche, ASML, Nestlé, Novartis, Novo Nordisk, L’Oreal, LVMH, AstraZeneca, SAP und Sanofi.

Enormes Gewicht

Die Gruppe repräsentiert in rund ein Viertel der Marktkapitalisierung des gesamten europäischen Aktienindex Stoxx 600 – und damit etwa das gemeinsame Gewicht der Sektoren Energie, Grundstoffe, Finanzen und Auto im Index, wie die Goldman-Sachs-Analysten in ihrer jüngsten Studie „The Magnificent GRANOLAS“ zum Thema aus dem Frühjahr 2024 feststellen. Im vergangenen Jahr vereinten die Gruppenmitglieder rund 60 Prozent der gesamten Kurszuwächse des Index Stoxx 600 auf sich. Die Goldman-Sachs-Analysten verweisen auch auf eine vergleichsweise attraktive Dividendenrendite der GRANOLAS-Aktien. Die Titel im Überblick:

GSK: Die vormalige GlaxoSmithKline ist ein weltweit agierender Pharmakonzern, dessen Geschichte auf eine Londoner Apotheke im Jahr 1715 zurückreicht. Heute beschäftigt GSK rund 70.000 Mitarbeitende, der Umsatz im Jahr 2023 lag bei rund 30 Milliarden Pfund Sterling, umgerechnet etwa 36 Milliarden Euro. Performance 1/3 Jahre (jeweils in Prozent in Euro, Stand: 7.10.24): 1,1 / -14,8.

Roche: Der Schweizer Gesundheitsriese mit rund 100.000 Mitarbeitenden weltweit und Hauptsitz in Basel setzte im vergangenen Jahr knapp 60 Milliarden Schweizer Franken um. Die Geschäftsentwicklung schwächelte zuletzt etwas gegenüber dem Vorjahr – vor allem aufgrund des Rückgangs im Bereich Covid-Präparate. Kursentwicklung: 6,2 / -17.

ASML: Die ASML Holding (Advanced Semiconductor Materials Lithography) mit ihrer Zentrale im niederländischen Veldhoven ist ein Zulieferer der aktuell boomenden Halbleiterindustrie und beschäftigt gut 40.000 Mitarbeitende. Der Umsatz lag 2023 bei knapp 28 Milliarden Euro. Kursentwicklung: 36,5 / 17,4.

Nestlé: Produkte des Schweizer Lebensmittel-Giganten hat fast jeder zu Hause – von Nescafé über S.Pellegrino bis zum Schokotörtchen Yes. Der leicht rückläufige Umsatz lag im vergangenen Jahr bei 93 Milliarden Schweizer Franken, den die etwa 270.000 Mitarbeitenden erwirtschafteten. Kursentwicklung: -14,0 / -15,6.

Novartis: Ein weiterer Pharma-Titel aus der Schweiz. Die Baseler beschäftigen gut 28.000 Menschen und setzten im vergangenen Jahr rund 40 Milliarden Schweizer Franken um. Mit der Abspaltung und dem Börsengang der Generika-Tochter Sandoz wurde 2023 das Profil als innovativer Arzneimittelproduzent geschärft. Kursentwicklung: 14,2 / 45,3.

Novo Nordisk: Europas Highflyer der jüngsten Vergangenheit. Als Vorreiter in Sachen Abnehmspritze (Wegovy, Ozempic) verzeichnete die Aktie der Dänen kräftige Kurszuwächse. Allerdings positioniert sich die Konkurrenz in dem volumenstarken Markt. Kursentwicklung: 22,8 / 150,4.

L’Oréal: Make-up, Pflegemittel für Haut und Haar – die Pariser sind seit mehr als 110 Jahren erfolgreich im Kosmetikmarkt tätig. Mehr als 30 Marken zählt das international tätige Unternehmen, rund 90.000 Mitarbeitende sorgten im vergangenen Jahr für rund 41 Milliarden Euro Umsatz. Kursentwicklung: -0,8 / +6,0.

LVMH: Moët Hennessy - Louis Vuitton steht für Luxus pur. Ob Schmuck, Uhren, Champagner oder edle Mode – der Konzern tummelt sich in zahlreichen Bereichen kostspieligster Produkte. Mit ihnen erzielten die Franzosen im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 86 Milliarden Euro. Der Kurs geriet zuletzt unter Druck, insbesondere wegen des schleppenden Konsums in China. Womöglich bewirkt das gerade angekündigte Konjunkturpaket Pekings eine Besserung. Kursentwicklung: -8,7 / 1,7.

AstraZeneca: Knapp 46 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr 2023, ein um 15 Prozent gestiegener Gewinn je Aktie im selben Jahr, eine gut gefüllte Pipeline neuer Medikamente – der britisch-schwedische Pharmakonzern mit seiner Zentrale in Cambridge scheint gut dazustehen. Kursentwicklung: 10,6 / 33,9.

SAP: Die deutsche Software-Ikone aus Walldorf zählt gut 100.000 Mitarbeitende in mehr als 150 Ländern und setzte im vergangenen Jahr rund 31 Milliarden Euro um. Im Markt für Unternehmenssoftware und Anwendungen Künstlicher Intelligenz (KI) ist der Konzern ganz vorne dabei. Kursentwicklung: 65,9 / 73,3.

Sanofi: Der französische Pharma-Riese geht auch auf deutsche Wurzeln mit der Frankfurter Hoechst AG und Teilen des Geschäfts von Boehringer Ingelheim zurück. Vor einigen Jahren wurde unter anderen das US-Biotech-Unternehmen Genzyme geschluckt. 2023 erreichte der Sanofi-Umsatz circa 43 Milliarden Euro. Kursentwicklung: -2,0 / 19,3.

Risiken bei GRANOLAS im Blick

Anlegende, die auf Werte setzen wollen, die wie Schweizer oder britische Titel nicht in Euro notieren, sollten dies berücksichtigen. Neben dem allgemeinen Kursrisiko holen sie sich auch ein Währungsrisiko ins Depot.

Elf auf einen Streich

Wer ohnehin die Anlage in einzelne Aktien scheut, kann die Titel auch im Paket erwerben. So beispielsweise beim Schweizer Bankhaus Vontobel, welches das Partizipations-Zertifikat Solactive Granolas EUR Index ohne Laufzeitbegrenzung parat hat (ISIN DE000VD1GRA8). Dabei sollten Investierende jedoch auch das Emittentenrisiko im Blick halten, da es sich bei den Papieren um Schuldverschreibungen handelt.

Interkontinentale Streuung

Akronyme sind im Finanzbetrieb en vogue. Wer lieber in Aktienpakete in Übersee investieren möchte, wird etwa bei den „Magnificent 7“ fündig. Dieser Begriff umfasst die US-Tech-Werte Apple, Microsoft, Amazon, Nvidia, Alphabet, Meta und Tesla. Wer sich für diese Gruppe interessiert, wird zum Beispiel bei der französischen Bank Société Générale fündig. Denn diese offeriert das Partizipations-Zertifikat auf den Solactive Magnificent Seven Equal Weighted CNTR Index (ISIN DE000SL0K7C2). Die „glorreichen Sieben“ notieren allesamt in Dollar.

Sieben Drachen aus der Volksrepublik

Richtung Osten schauende Anlegende können das ebenfalls von der Société Générale aufgelegte Papier „China Dragons 7“ prüfen (ISIN DE000SL0L4B0). Dieses Aktienpaket umfasst die Technologie-Schwergewichte Alibaba (E-Commerce), Baidu (Internet / KI), BYD (E-Autos / Batterien), JD.com (E-Commerce), Meituan (Online-Dienste), Tencent (Internet / KI) und Xiaomi (Smartphones / Haushaltsgeräte / Software) aus der Volksrepublik.

Einige Experten sehen jedoch Nachteile bei solchen Paketen. „Aktienkörbe hängen stark von dem zugrundeliegenden Investmentthema ab, berücksichtigen allerdings keinerlei regionale oder unternehmensspezifische Elemente“, sagt etwa Reinhard Pfingsten, Chief Investment Officer der apoBank, Deutschlands größter Genossenschaftsbank (siehe Interview unten).

„Kein Zusatzertrag“

Reinhard Pfingsten, Chief Investment Officer der apoBank, über Paket-Investments.

Reinhard Pfingsten

Reinhard Pfingsten

Reinhard Pfingsten ist CIO der apoBank. Er ist dort für die Vermögensverwaltung und als Aufsichtsrat auch für die Apo Asset Management sowie für den Vertrieb für Institutionelle Kunden verantwortlich. Zuvor war er als CIO unter anderem für Sal. Oppenheim, Hauck & Aufhäuser und die Bethmann Bank tätig. Pfingsten ist Diplom-Wirtschaftsmathematiker, sowie CFA Charterholder und DVFA-Investmentanalyst.

DUP UNTERNEHMER-Magazin: Wie schätzen Sie Anlagen in Aktienkörbe, wie zum Beispiel die GRANOLAS, ein?

Reinhard Pfingsten: Aktienkörbe hängen stark von dem zugrundeliegenden Investmentthema ab, berücksichtigen allerdings keinerlei regionale oder unternehmensspezifische Elemente. Vor diesem Hintergrund sind sie in ihrer Zusammensetzung zwar leicht nachvollziehbar und damit dem Kunden gut erklärbar, bringen in der Regel aber keinen Zusatzertrag. Wir bevorzugen deshalb einen aktiven Ansatz, der auf quantitativen Elementen kombiniert mit unserem Research auf Regionen und Unternehmen beruht.

Wie stellen sich derzeit die Perspektiven europäischer Aktien insgesamt dar, und sind sie besser oder eher schlechter als die von US-Titeln?

Pfingsten: Generell bleibt unserer Einschätzung nach das Marktumfeld für Aktien trotz der Marktturbulenzen im August konstruktiv. Regional sehen wir jedoch den europäischen Aktienmarkt positiver als sein US-Pendant. Zwar halten wir etwaige Rezessionssorgen in den USA für übertrieben und erachten Zinssenkungen als zunehmende Stütze. Trotzdem bevorzugen wir weiterhin europäische Aktien, die in der Spätphase des Konjunkturzyklus gewöhnlich die beste Kursentwicklung zeigen. Außerdem sind die Bewertungen aktuell weiterhin günstig. Neben den USA gewichten wir auch Schwellenländermärkte unter, da es Chinas Fiskal- und Geldpolitik nicht gelingt, nennenswert zur Stärkung der Binnenwirtschaft beizutragen.

Vor einigen Jahren boomte die Anlage-Idee BRICS, also Aktien aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, auf die Vehikel wie Zertifikate, gemanagte Fonds oder ETFs ausgerichtet wurden. Für Langfristanleger erwies sich der Ansatz als Flop – warum?

Pfingsten: Auch hier zeigt sich die generelle Schwäche von Aktienkörben: BRICS war grundsätzlich eine gute Idee, die es sogar bis zur Gründung einer eigenen Union geschafft hat. Die Trends in den einzelnen Ländern waren aber stark unterschiedlich. Auf der einen Seite große Verlierer wie Russland aus politischen Gründen, China durch seine schwache Binnennachfrage und die geringere Nachfrage aus den USA und Südafrika in haushaltspolitischer Hinsicht. Auf der anderen Seite Gewinner wie Indien, die jedoch durch den fehlenden aktiven Ansatz die Schwäche der anderen Korbmitglieder nicht auffangen können.