Lebensversicherer

Garantiezinssenkung: Krise oder Chance für die Vorsorge?

Die Senkung des Höchstrechnungszinses zum 01.01.2022 stellt die Versicherungswirtschaft vor die Frage, wie sich Rentabilität und Stabilität zukünftig mit einem Garantiezins von 0,25 Prozent vereinbaren lassen. In einer Online-Pressekonferenz zum Thema „Die Versicherungswirtschaft in der sich zuspitzenden Niedrigzinsphase“ fanden sich Experten der deutschen Aktuarvereinigung, der Forschung und von Produktgeberseite zusammen, um die Entwicklungen des Garantiezinses umfassend einzuordnen.

09.07.2021

Sicherheiten senken und volatile Anlagen zulassen

Experten und Aktuare beklagen in einer Online-Pressekonferenz der Kommunikationsagentur JDB MEDIA die Senkung des Höchstrechnungszinses ohne die Flexibilisierung von Garantiezahlungen. Dr. Herbert Schneidemann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. (DAV), etwa beschreibt den Status quo als „kein zukunftsfestes Konzept für die kapitaldeckende Altersvorsorge“.

Prof. Dr. Michael Lister, Head of zeb.business school, geht noch einen Schritt weiter: „Ich empfinde die Garantie der Beitragszahlungen als eine Diskriminierung der Versicherungsbranche”. Dieser Eingriff in den Markt und Wettbewerb sei unter den gegebenen Voraussetzungen nicht akzeptabel. Denn bei Investmentfonds spiele diese Garantie gar keine Rolle. Doch von Versicherungsunternehmen verlange man, dass sie den Kunden schützen, indem sie Versicherungssummen gemäß des Garantiezinses garantieren. Er plädiert deswegen für die Zulassung von Dividendenpapieren, um höhere Renditen zu ermöglichen. Der Status quo der Kopplung des Garantiezinses an die Garantiezahlungen sei eine rechnerische Unmöglichkeit.

Alternative Wege sichern die Vorsorge trotz Krise

Ohne die Möglichkeit, volatile Anlagen nutzen zu dürfen, bleibe vielen Versicherern auf traditionellen Wegen kaum eine Chance, die Garantien für Versicherungsnehmer zu gewährleisten, so Dr. Schneidemann. Eine dauerhafte Erholung der Lage hält er in den kommenden Jahren für unwahrscheinlich. Eine Senkung der 100-prozentigen Sicherheit auf niedrigere Werte kann Versicherern die chancenorientierte Anlage ermöglichen, um höhere Renditen zu erzielen. Bis ein solches Szenario jedoch durchgesetzt werden kann, lösen sich erste Versicherer in ihrer Produktpalette von der 100-prozentigen Beitragsgarantie.

Die Monuta Versicherungen gehen bereits einen anderen Weg aus der Krise: Der Spezialversicherer setzt nicht vermehrt auf Aktien, um die Liquidität zu erhalten, sondern kalkuliert seit 2020 über ein flexibles Prämienmodell. Entlang individuell erstellter Prämientabellen steigen oder sinken die Beiträge der Kunden über die Laufzeit konträr zum Höchstrechnungszins. Das Konzept ermöglicht dem Anbieter auch weiterhin, die versicherte Summe schon vom ersten Tag an zu 100 Prozent abzusichern. Zudem gewährleistet das Modell die wirtschaftliche Stabilität des Anbieters. In Anbetracht jahrzehntelanger Laufzeiten ein mitunter ausschlaggebendes Kriterium für Versicherungsnehmer.

Komplexe Produkte nicht ohne Beratung

Risikoreiche Anlagen wie im Bereich der Investmentfonds sieht Oliver Suhre, Generalvollbemächtigter der Monuta Versicherungen, für die Sparte Leben kritisch. Denn der durchschnittliche Riestersparer sei auf fristgerechte Auszahlung angewiesen. Nicht zuletzt verdienen laut Gesamtverband Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) etwa 40 Prozent dieser Kunden weniger als 20.000 Euro pro Jahr. „Einerseits reden wir also ganz bewusst von Sicherheit, die ein wenig Garantie haben muss. Andererseits geht es um das Potenzial, das Kapital mit möglichst hoher Rendite anzulegen“, erklärt Suhre die verschiedenen Anforderungsprofile. Sicherheit und Rendite intelligent und bedarfsgerecht zusammenzubringen sei die Aufgabe einer integrierten Finanzberatung. Diese sei nicht wegzudenken und kundenseitig stark gefragt.

Eine Haltung, die auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) vertritt. Dessen Präsident Michael Heinz kritisierte jüngst Jörg Asmussen, den Vorstand und Sprecher des GDV. Asmussen ließ verlauten, dass Versicherungsprodukte, wie die Riesterrente, zukünftig ohne Vermittler und deren Beratung auf digitalem Wege vertrieben werden sollen. Eine zuletzt hitzige Diskussion, in der das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.