Kaum ein Thema bewegt die Finanzindustrie derzeit so sehr wie die Nachhaltigkeit. Inzwischen ist knapp ein Drittel des europäischen Fondsvermögens als nachhaltig im Sinne von Artikel 8 oder 9 der Offenlegungsverordnung SFDR klassifiziert. Das geht aus einer Studie von PwC und Morningstar hervor. „Der Anteil grüner Finanzprodukte wird weiter steigen, denn auch der Druck seitens des Fondsvertriebs und der Anleger nach nachhaltigen Produkten nimmt stetig zu. Insbesondere junge Menschen wollen ihr Geld künftig ESG-konform investieren“, sagt Hortense Bioy, Global Director im Sustainability Research beim Fonds-Ratinghaus Morningstar.
Die grünen Investments sollen dabei helfen, die Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten – so lautet das Werbeversprechen der Banken und Fondsgesellschaften. Doch eine gemeinsame Analyse des Ifo Instituts, des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE und der ESMT Berlin kommt zu einem anderen Schluss: „Green Finance“ habe nicht unbedingt die positiven Eigenschaften, die Anleger sich von ihnen erhoffen.
Der Grund: „Es gibt in Unternehmen und im Staatshaushalt praktisch keine ursächliche Verknüpfung zwischen grünen Finanzierungsinstrumenten und einer Verwendung der Gelder für grüne Zwecke“, sagt Marcel Thum, Leiter der ifo-Niederlassung Dresden.
Grüne Portfolien ändern nichts an der gesamtwirtschaftlichen Produktion
Wenn ein Unternehmen oder dessen Aktie als grün eingestuft werden, ändere das allein noch nichts an seinem Schadstoffausstoß. Werden Aktien von Firmen zusammengestellt, die ökologisch verantwortlich wirtschaften, führt das den Autoren zufolge noch nicht zu einer tatsächlichen Veränderung in der gesamtwirtschaftlichen Produktion. „Wer in grüne Finanzanlagen investiert, macht dadurch zwar sein Portfolio grüner, aber es ändert sich nichts an den Emissionen der Gesamtwirtschaft“, sagt Jan Pieter Krahnen, SAFE-Direktor und einer der Autoren.
Wer tatsächlich etwas ändern will, sollte sich als Aktionär aktiv in Entscheidungsprozesse im Unternehmen einbringen. Gleiches gelte für die Vertreter der Fonds. „Dabei müssen Anleger aber bereit sein, Renditeeinbußen hinzunehmen, denn eine grünere Unternehmenspolitik geht in der Regel zulasten der Erträge“, sagt Thum.
Kein zusätzliches Kapital durch Green Bonds
Auch Green Bonds kommen in der Studie nicht gut weg. Diese grünen Staatsanleihen könne der Bund in genau der Höhe emittieren, in der vorher grüne Ausgaben im Bundeshaushalt identifiziert werden konnten. Somit würden also lediglich konventionelle durch grüne Anleihen ersetzt. Zusätzliche Mittel für die nachhaltige Transformation würden dem Bundeshaushalt dadurch also nicht zur Verfügung gestellt.
Statt des Engagements durch Privatanleger fordern die Autoren, den Schwerpunkt der Nachhaltigkeitsbemühungen auf einen politischen Regulierungsrahmen zu legen. Beispielsweise ließe sich der Schadstoffausstoß mithilfe eines Emissionshandelssystems erheblich verringern, sodass ein machbarer Anpassungspfad in Richtung einer CO2-neutralen Gesellschaft erreicht werde.