Markus Werner, Geschäftsführer eines mittelständischen IT-Dienstleisters aus Baden, bekam Nachricht von seiner Geschäftsbank. Seit 14 Jahren ist er dort treuer Kunde. Unter dem Betreff „Information Zinssatz“ teilte ihm das Institut mit, dass „ab einem Guthabenstand von 250.000 Euro ab sofort für den überschreitenden Betrag systembedingt und automatisch ein Zinssatz von minus 0,5 Prozent“ im Jahr verrechnet werde.
Tatsächlich liegt auf dem Firmenkonto gerade mehr als eine Million Euro, „weil wir in der Krise das Geld zusammengehalten und den Vorjahresgewinn nicht ausgeschüttet haben“, so Werner. Dass er jetzt Negativzinsen auf sein Guthaben zahlen muss, empfindet er als „Bestrafung“. Sein Bankbetreuer habe ihm erklärt, man sei zu dem Schritt gezwungen, weil die Europäische Zentralbank (EZB) den Banken Strafzinsen von 0,5 Prozent vorschreibe, die Bank sei gezwungen, diese an ihre Kunden weiterzugeben, schließlich gehe es um jenes Geld, über das der Kunde täglich verfügen könne.
Gefährliche Anlagealternativen
Viele Unternehmen versuchen, dem Negativzins auszuweichen. Manche stecken ihr Geld in Aktieninvestments oder alternative Anlageinstrumente, ohne einen genauen Plan zu haben. Doch das kann gefährlich werden, denn im schlimmsten Fall fehlen bei Problemen schnell verfügbare Rücklagen. Zudem unterschätzen viele die hohen Kosten der alternativen Investments. Obendrein sind die alternativen Anlagemöglichkeiten oft mit einem höheren Verlustrisiko verbunden.
Andere Unternehmen, die ihre liquiden Mittel nicht in den Aktienmarkt investieren wollen, versuchen diese auf mehrere Banken zu verteilen, um den Negativzinsen zu entgehen. Diese Strategie fordert aber ein komplexeres Cashflow-Management, zudem verfügen einer Forsa-Umfrage im Auftrage der Commerzbank zufolge 50 Prozent der großen Mittelständler über mehr als eine Million Euro. Ein Viertel der Unternehmen muss sogar mehr als 100 Millionen Euro disponieren. Da wird es schwierig, das Geld bei mehreren Banken unterzubringen, ohne den Überblick zu verlieren.
Anlageerfolg ist planbar
Bevor sich Unternehmen Hals über Kopf in unausgegorene Anlagestrategien stürzen, sollten sie einen Plan ausarbeiten. Wie etwa eine Stiftung es tut. Eine Stiftung kann zum Beispiel ohne vorher definierte Anlagerichtlinien keine Stiftungsgelder anlegen. Diese Vorgehensweise sollten Unternehmen kopieren. Die Anlagerichtlinien bilden die Basis für strukturierte, zielorientierte und nachvollziehbare Anlageentscheidungen.
Diese sollten vom Inhaber und am besten zusammen mit einem unabhängigen Experten in schriftlicher Form festgehalten werden. Beispielsweise können Anlagerichtlinien die Ziele der Kapitalanlage benennen und die Ober- und Untergrenzen festlegen, innerhalb derer die Finanzverantwortlichen ihre Anlageentscheidungen treffen können. Dabei sollten die Geldmittel mit kurz-, mittel- und langlaufenden Zielen versehen werden. Daraus ergibt sich dann die Risikobereitschaft, die der Kern des Prozesses ist.
Achtung bei der Produktauswahl
Doch bringen Anlagerichtlinien recht wenig, wenn die Gelder am Ende in teure und unrentable Anlagevehikel angelegt werden. Unternehmen kontaktieren in erster Linie ihre Hausbanken und bitten um deren Anlagevorschläge. Die Angebote sind vielfältig: von aktiv gemanagten Investmentfonds oder Vermögensverwaltungen bis hin zu Versicherungslösungen und Zertifikaten wird alles angeboten, was sich verkaufen lässt.
Dabei muss dem Unternehmer klar sein, dass eine Bank nicht nur im Interesse des Kunden agiert. In erster Linie muss die Bank ihre hauseigenen Produkte an den Mann oder die Frau bringen, da sie damit Erträge generiert. Hohe Abschlusskosten und hohe laufende Verwaltungs- und Managementgebühren mindern aber die Renditen.
Einfache und effiziente Lösungen bevorzugen
Kostenbewusste Unternehmer nutzen für ihr Geldmanagement ETFs (Exchange Traded Funds), und zwar aus zwei Gründen: weniger Komplexität der Produkte sowie geringere und transparente Kosten. Mit nur einer einzigen Order bieten ETFs, also börsengehandelte Indexfonds, Anlegern den Zugriff auf einen Aktien- oder Anleihenindex. Während ein aktiver Fondsmanager versucht, aus den zur Verfügung stehenden Werten für seinen Fonds die jeweils besten herauszufiltern, bildet ein ETF einfach den Index nach (und das in großer Mehrheit mit einer besseren Performance als ein herkömmlicher Investmentfonds).
Der verminderte Aufwand schlägt sich radikal in den Kosten nieder: Während herkömmliche Fonds bis zu fünf Prozent Ausgabeaufschlag verlangen und die Fondsgesellschaften sich zusätzlich Gesamtkosten von bis zu drei Prozent genehmigen, kommen ETFs fast umsonst daher. Ausgabeaufschläge gibt es nicht, und die jährlichen Kosten erreichen selten mehr als ein halbes Prozent.
Allein mit den beiden größten ETFs auf europäische Staats- und Unternehmensanleihen vom Anbieter Blackrock können Unternehmen ihre kurz- bis mittelfristigen Gelder sicherer anlegen als bei der Bank. Der Grund: Während Banken nur eine Einlagensicherung von bis zu 100.000 Euro gewähren, sind ETFs rechtlich als Sondervermögen ausgestaltet und somit vor der Insolvenz der Fondsgesellschaft oder ihrer Bankmutter zu 100 Prozent geschützt. Anleger konnten in 2020 mit ETFs auf besonders sichere Anleihen noch eine Rendite von einem Prozent erzielen und somit die Gelder nicht nur vor dem Strafzins bewahren, sondern auch leicht vermehren. ETFs sind zudem sekündlich handelbar und somit im Bedarfsfalle schnell verfügbar.
Herausforderung bei der Umsetzung
So perfekt es ist, das Geld über ETFs zu investieren, so herausfordernd ist die Umsetzung. Unternehmen werden kaum jemanden finden, der sie dazu berät und bei der Umsetzung unterstützt. Banken können aus firmenpolitischen Gründen ETFs nicht anbieten, denn diese sind für die restliche Produktwelt schlicht vertriebsschädlich. Zudem benötigt die richtige Auswahl aus knapp 2.000 ETFs Expertenwissen, was die wenigsten Finanzinstitute vorweisen können. Der effektivste Weg ist es, die Unternehmensgelder in Eigenregie zu verwalten. Dafür benötigt das Unternehmen ein Firmendepot bei einer Direktbank, die es ermöglicht, ETFs kostengünstig zu verwalten.
Traut sich ein Unternehmer nicht, den Aufwand selbst zu betreiben, muss er sich an eines der 17 Häuser im Honorar-Anlageberater-Register der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wenden. Die dort gelisteten Unternehmen dürfen laut Gesetz keine Zuwendungen von Dritten annehmen, unterliegen also dem absoluten Provisionsannahmeverbot und sind somit zu 100 Prozent unabhängig. In der Regel haben sich diese gelisteten Institute auf börsengehandelte Indexfonds spezialisiert und können Unternehmen aufgrund ihrer KWG 32-Zulassung beraten.
Ohne dass Unternehmer ihre Hausbank verlassen müssen, können sie also parallel vor allem die mittel- bis langfristigen Gelder in Eigenregie verwalten. Die Strafzinsen auf die kurzfristigen Gelder können sie durch eine intelligente Anlagestrategie mehr als kompensieren.