Innovationsfinanzierung

Geld für Geistesblitze

An Ideen, das Business zukunftsfähig aufzustellen, mangelt es in Unternehmen nicht. Doch nicht immer reichen die finanziellen Mittel, um im nötigen Maße in die Entwicklung investieren zu können. Welche Möglichkeiten haben Firmen also, Innovation und Wachstum extern zu finanzieren?

21.06.2021

Der Friedens- und Chemie-Nobelpreisträger  Linus Pauling sagte einst: „Man muss nicht nur mehr Ideen haben als andere, sondern auch die Fähigkeit besitzen, zu entscheiden, welche dieser Ideen gut sind.“ Denn gute Ideen könnten auch guten Umsatz bringen, Arbeitsplätze sichern und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens verbessern. Doch nicht immer verfügen Unternehmen über die notwendigen finanziellen Mittel, um ihre Ideen zu realisieren.

Dabei ist Investitionsbereitschaft durchaus vorhanden. Laut der Konjunkturumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln aus dem Frühjahr 2021 plant ein Drittel der befragten Firmen höhere Investitionen als im Vorjahr. „Die Investitionsbereitschaft war in den vergangenen Monaten sicher nicht ganz so ausgeprägt wie vor der Coronakrise. Viele haben geplante Investitionen zurückgestellt oder ganz gestrichen“, sagt Verena Freyer, Managing Director bei Lendico, dem digitalen Kreditvermittler der ING Deutschland. „Gleichwohl haben wir aber auch festgestellt, dass sich einige Firmen sehr schnell an die neue Situation angepasst und die Krise als Chance begriffen haben, um die Weichen für die einsetzende Erholung zu stellen.“

Laut der Konjunkturumfrage des IW Köln wollen besonders Unternehmer, die bereits auf digitale Geschäftsmodelle setzen, jetzt zusätzliches Geld in die Hand nehmen, um ihr Business weiterzuentwickeln. In Firmen allerdings, die sich selbst lediglich als innovationsorientiert beschreiben, ist die Investitionsbereitschaft leicht unterdurchschnittlich.

Schrecken Innovationen Geldgeber ab?

Woran das liegen könnte? Geht es um die Bereitstellung von Kapital zur Innovationsfinanzierung, haben Unternehmen mit einem zentralen Problem zu kämpfen: Innovationen sind mit einem hohen Risiko behaftet. Funktioniert in der Entwicklungsphase wirklich alles so wie geplant? Gibt es am Markt tatsächlich Abnehmer für mein Produkt beziehungsweise meine Dienstleistung? „Der wirtschaftliche Erfolg von Innovationen ist im Voraus ungewiss“, heißt es in einer Analyse von Volker Zimmermann, der für den Bereich Innovationsgeschehen, -finanzierung und -förderung bei der Förderbank KfW verantwortlich zeichnet. „Hohe Kosten, ein hohes Risiko und Finanzierungsschwierigkeiten sind aus Unternehmenssicht daher die wichtigsten Innovationshindernisse.“

So zeigt eine Untersuchung der KfW, dass 82 Prozent der Unternehmen Innovationen aus internen Mitteln finanzieren – sprich aus dem Cashflow, aus Rücklagen oder Bar-Reserven. Neun Prozent setzen auf Bankkredite, sechs Prozent auf Fördermittel. Zimmermann hat eine Erklärung parat: „Entscheidend ist, dass die Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Innovationsvorhabens externen Geldgebern deutlich schwerer fällt als dem innovativen Unternehmen selbst. Die ungleiche Informationsverteilung führt dazu, dass externe Geldgeber weniger bereit sind, entsprechende Projekte zu finanzieren.“

Umdenken bei der Finanzierung

Paul Martin, CEO von vertical, einem Entwickler von Modern-Workplace-Lösungen, hat in der Praxis noch ein anderes Problem beobachtet: „Als wir vor einigen Jahren den ersten Kredit zur Entwicklung unserer Plattform aufnehmen wollten, haben klassische Banken als Erstes das immaterielle Anlagevermögen aus der Bilanz herausgestrichen.“ Nur bliebe damit bei einem Softwareunternehmen wie vertical eben kaum etwas als Sicherheit übrig. 

Was er Unternehmerinnen und Unternehmern raten würde, die vor einem ähnlichen Problem stehen? „Schaut über den Tellerrand hinaus; fragt nicht nur bei der regionalen Bank nach. Denn es gibt mittlerweile viele sehr gute Kapitalquellen für Unternehmer“, so Martin.

Liquidität quasi von heute auf morgen

Um sein Business in der Pandemie weiterzuentwickeln, hat Martin einen Kredit über 750.000 Euro bei Lendico aufgenommen. Das Unternehmen vermittelt Kredite der Muttergesellschaft ING an kleine und mittlere Firmen und an Selbstständige. Gebündelt wird das Geschäftskundensegment bei der ING im Bereich „Business Banking“. Seit Kurzem kooperiert die ING auch mit Amazon und vergibt Kredite an teilnahmeberechtigte Händler, um deren Geschäft anzukurbeln.

Ob es um den Ausbau des Geschäftsmodells geht, um Mittel für mehr Marketingmaßnahmen oder ob die Digitalisierung vorangetrieben werden soll: „Uns ist es wichtig, dass Unternehmen frei sind, das zu tun, was für sie wichtig ist. Deswegen hinterfragen wir nicht im Detail, was ein Unternehmer mit dem Geld machen will. Es gibt also keine Zweckbindung, und wir machen auch keine Erfolgsaussichtenprüfung“, sagt Lendico-Managerin Freyer. In der Praxis heißt das: Hauptsache, die Grundvoraussetzungen für die Kreditvergabe sind erfüllt. Und zu denen zählen laut Freyer:

  • Das Unternehmen hat seinen Sitz in Deutschland,
  • es ist seit mindestens zwei Jahren am Markt,
  • es handelt sich nicht um eine Aktiengesellschaft, und
  • es wurde im Vorjahr ein Umsatz von mindestens 50.000 Euro erzielt.

Geprüft werden der letzte Jahresabschluss, eine betriebswirtschaftliche Auswertung mit Summen- und Saldenliste sowie die Kontoauszüge der vergangenen drei Monate. Allein auf Basis dieser Informationen wird eine Prognose erstellt, ob das Unternehmen den Firmenkredit gut zurückzahlen kann. 

Wirklich digital

Lendico verspricht, dass bei einer positiven Entscheidung nach der Beantragung ein Finanzierungsvorschlag innerhalb von 48 Stunden vorliegt. Bei Martin ging es sogar deutlich schneller: „Wir hatten direkt am nächsten Tag das Kreditangebot auf dem Tisch.“

Komplett digital sei der gesamte Prozess abgelaufen. Und deshalb führe er Lendico auch immer wieder als Positivbeispiel an. „Denn sehr häufig wird man doch eher mit pseudodigitalisierten Angeboten konfrontiert“, so Martin. „Überspitzt gesagt: Zu oft noch muss man ein Formular online herunterladen, ausfüllen und per Fax zurückschicken.“ Insofern habe Lendico den Prozess der Kreditvergabe ein Stück weit innoviert, vielleicht sogar disruptiert.

Konzentration aufs Morgen

Wer risikoarm innovieren will, sollte das genau jetzt tun, sagt vertical-Geschäftsführer Paul Martin. Er hat in der Pandemie die Neuausrichtung seines Business forciert.

Paul Martin

Paul Martin

Im Alter von nur 16 Jahren hat er gemeinsam mit Alexandre Seifert 2002 die IT-Firma SMC Systems gegründet. Daraus wurde 2012 dann vertical

Sie nennen Ihr Angebot „Workplace-as-a-Service“. Was genau verbirgt sich dahinter?

Paul Martin: Wir stellen unseren Kunden über ein Miet­modell alles zur Verfügung, was zur Gestaltung eines modernen Arbeitsplatzes in der digitalen Welt gebraucht wird. Dazu gehören Software, Hardware, aber auch Services.

Würden Sie sich selbst als einen Profiteur der Coronapan­demie bezeichnen?

Martin: Ja, mittel- bis langfristig profitieren wir sicher von der Pandemie. Wobei auch wir die Krise erst einmal genutzt haben, um einen Geschäftsteil abzustoßen – und zwar das klassische IT-Projektgeschäft. Das war ein Überbleibsel aus der Zeit, bevor wir unser Geschäftsmodell grundlegend umgestellt haben. Aber im vergangenen Jahr hat das eben überhaupt nicht funktioniert. Kunden wollten nicht investieren; sie sind auf Sicht gefahren. Für uns war das dann der richtige Moment, uns von einem bis dato rentablen, aber offenkundig nicht krisenfesten und zukunftsfähigen Geschäftsbereich zu trennen, um uns auf das Plattform-Business zu konzentrieren.

Für dessen Weiterentwicklung haben Sie bei Lendico einen Kredit über 750.000 Euro aufgenommen. Was planen Sie damit umzusetzen?

Martin: Wir wollen die Ausstattung von Arbeitsplätzen standardisieren. Denn schlussendlich stellt jedes Unternehmen an seine IT-Infrastruktur vergleichbare Anforderungen. Ich bezeichne das immer gern als eine Art IT-Ikea, was wir gerade erschaffen. In meinem Wohnzimmer kann ja gerne ein Schreiner etwas sehr Individuelles bauen. Aber 90 Prozent des Hauses statte ich dann doch mit Ikea-Möbeln aus – weil es flexibel und günstig ist und ich nicht alles maßanfertigen lassen kann. Diese Logik lässt sich auch aufs Business übertragen.

Dennoch ist das ein hohes Investment mitten in einer Krise.

Martin: Ich denke, wenn man die Welt aus den Angeln heben will, gibt es keine bessere Zeit, als es jetzt zu tun.