Finanzdienstleistungen

Business Banking: Firmenkunden sind ein dicker Fang

Business Banking mit kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) floriert. Banken richten ihr Finanzierungs- und Kreditgeschäft zunehmend auf diesen lukrativen Sektor aus. Das sorgt für Innovationen, aber auch für schärferen Wettbewerb – aus dem In- und Ausland und durch branchenfremde Player.

07.02.2023

Der deutsche Mittelstand hat im vergangenen Jahrzehnt einen beispiellosen Boom erlebt. Besonders die kleineren und mittelständischen Unternehmen im Land des (früheren) Exportweltmeisters Deutschland sorgten in den 2010er-Jahren dank eines fulminanten Auftragsvolumens für eine stabile Wirtschaftslage, wie aus dem KfW Mittelstandspanel 2020 hervorgeht. Zumindest bis zum Ausbruch der Coronapandemie zeigten sich Industrie und Wirtschaft von den Folgen der weltweiten Finanzkrise 2008 erholt.

Diese gute Stimmung an den Märkten wirkte sich auch auf die Entwicklung der Banken und Finanzinstitute hierzulande aus. Im Business Banking unterstützten sie die Investitionsfreude der Firmen mit Krediten und entdeckten dank der Fülle an Unternehmen und Selbstständigen ein fast unbegrenztes Feld an Möglichkeiten – immerhin waren 2019 rund 33 Millionen Menschen in mittelständischen Unternehmen beschäftigt.

Was hat es mit Business Banking auf sich?

Das Business Banking gilt allgemein als Sektor innerhalb des Finanzwesens oder als Geschäftsbereich von Banken, der sich auf die Kreditvergabe an Unternehmen und Selbstständige fokussiert. Die Bandbreite reicht dabei von kleineren Händlern und Betrieben bis zu den größten Unternehmen des Landes, die zum Beispiel im Dax gelistet sind. Ähnlich wie Privatpersonen benötigen Unternehmen liquide Mittel, um zum Beispiel größere Investitionen zu tätigen, zu expandieren oder kritische Wirtschaftsphasen zu überstehen. Hier eröffnet sich für den Finanzsektor ein lukratives Geschäftsmodell mit guten Zinsaussichten.

Lange Zeit war das Business Banking mit mittleren und kleinen Firmenkunden eine Domäne von Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Aufgrund ihres bundesweiten Filialnetzes, ihrer lokalen Verwurzelung und ihrer kundenorientierten Services vor Ort hatten jene Finanzhäuser oftmals quasi eine Monopolstellung inne. Das Firmenkundengeschäft mit kleineren und mittelständischen Unternehmen, den KMU mit einem Umsatz zwischen einer und 50 Millionen Euro, lag fest in ihrer Hand.

Demgegenüber fokussierten sich Großbanken wie Deutsche Bank, Commerzbank oder Unicredit auf die größeren Kaliber unter den Unternehmenskunden, die mindestens einen achtstelligen Millionenumsatz erwirtschafteten.

Diese Aufteilung hat sich jedoch spätestens seit der weltweiten Finanzkrise 2008 geändert. Mittlerweile ist nahezu jedes mittlere bis große Finanzhaus in Deutschland im Bereich Business Banking aktiv. Hinzu kommen die Angebote zur Mittelstandsförderung der KfW sowie prall gefüllte Festkonten von ausländischen Playern. Diese drängen in den lukrativen deutschen Markt der KMU und der Selbstständigen, denn das dort vorhandene Potenzial hat sich längst herumgesprochen.

So baute zum Beispiel die US-amerikanische Citibank ihre Aktivitäten auch hierzulande aus. Man wolle sich auf die Zielgruppe Mittelstand sowie „vielversprechende Digitalunternehmen, die schnell wachsen und international expandieren“ fokussieren, ließ die Geschäftsführung der Großbank Anfang 2022 in einer Pressemitteilung verlauten.

Wie hat sich der Finanzsektor verändert?

Die Gründe für diese Entwicklung des Markts sind vielfältig. Die weltweite Finanzkrise hat 2008 für einen herben Vertrauensverlust gegenüber Retail- oder Investment-Geschäften gesorgt. Vielerorts mussten Finanzhäuser mit Steuergeldern vor der Pleite bewahrt werden, sodass Regierungen weltweit als Konsequenz strengere Regularien umsetzten. Daraus resultierten bei vielen Finanzinstituten große Einnahmeverluste, die es mit der Erschließung von neuen Geschäftsfeldern wie dem Business Banking zu kompensieren galt.

Das Geschäft mit den Firmenkrediten sorgte laut einer Studie der Strategieberatung Bain im Jahr 2012 für Erträge von rund 25,3 Milliarden Euro – womit das Level der Jahre vor der Finanzkrise deutlich übertroffen wurde. Branchenintern entfachte dieses Potenzial einen großen Hype.

Ergänzend dazu suchten auch Anlegerinnen und Anleger aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase nach alternativen Formen des Vermögensaufbaus und zogen ihre Ersparnisse nicht selten von ihren Girokonten ab. Immobilien, Aktien oder Fonds erlebten im Land der Spartüchtigen eine Renaissance, das sie bessere Zinsen versprachen. Einen weiteren, parallel dazu verlaufenden Treiber der Veränderung bildete der Innovationsdruck und die Technologisierung des Markts.

Neue Player drängten dank innovativer digitaler Möglichkeiten des Mobile Bankings und des Mobile Payments auf den Finanzmarkt und veränderten besonders bei der jüngeren Zielgruppe den Umgang mit Geld. Der Kreis der Konkurrenz erweiterte sich um Neobanken wie N26, um FinTechs wie Banxware oder Vergleichsportale wie Check24. Neobroker wie TradeRepublic oder Scalable mischten zudem das Feld des Online-Tradings auf: Anlegerinnen und Anleger können damit Aktien und ETFs mit wenigen Klicks über ihre Smartphones kaufen oder verkaufen.

Generell wurde der Markt durch den digitalen Zugang zu verschiedenen Finanzprodukten und -services barrierefreier; das frühere Quasi-Monopol der Banken war damit hinfällig. Nicht nur die Finanzservices und -produkte wurden einer disruptiven digitalen Transformation unterzogen, sondern auch die Finanzhäuser selbst. Doch bei vielen alteingesessenen Playern etablierte sich das digitale Mindset nur schleppend.

Nachhaltigkeit als Gamechanger

Ein weiterer Gamechanger der Gegenwart (und Zukunft) ist das Thema Nachhaltigkeit. Auch hier gab es eine stille Revolution: Längst besetzen Finanzunternehmen wie die GLS Bank oder die Tomorrow-Bank diese Nische und assoziieren das früher so bürokratisch besetzte Thema Geld mit sozialer Verantwortung.

Etablierte Geldinstitute waren gezwungen ihr Geschäftsmodell der Kreditvergabe oder des Tradings ESG-konform oder gar komplett klimaneutral zu gestalten. Studien des Investmenthauses Fidelity und von Union Investment kamen bereits 2020 zu dem Schluss, dass grüne Anlageprodukte langfristig besser am Finanzmarkt performen und krisenresistenter sind – besonders in volatilen Umfeldern.

Zu diesem Ergebnis kam auch die Scope-Studie 2022, die globale und europäische Aktien nach Artikel 8 und 9 der EU-Offenlegungsverordnung analysiert hat: Hier schnitten nachhaltige Fonds gegenüber klassischen auf Basis eines Zeitraums von drei beziehungsweise fünf Jahren durchschnittlich etwa 1,5 Prozent besser ab.

Zudem sind sich nach einer Erhebung der Unternehmensberatung Eurogroup Consulting aus dem Jahr 2020 auch zwei Drittel der Kundinnen und Kunden einig, dass ihre Hausbank nachhaltige Strategien verfolgen sollte. Diesen Trend bestätigte eine Befragung des Handelsblatt Research Instituts 2022. So erleben 79 Prozent der Finanzinstitute ein verstärktes Interesse von Firmenkunden in Bezug auf Förderprogramme für mehr Nachhaltigkeit.

Wie ist der aktuelle Status quo im Business Banking?

Gleichzeitig könnten die Banken von der Nachhaltigkeitsoffensive innerhalb der Weltwirtschaft profitieren. Im Rahmen des Green Deal der EU müssen Industrie und Wirtschaft klimaneutral werden, um Deutschlands erklärtes Ziel, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 um 65 Prozent zu senken, nicht zu gefährden. Spätestens bis 2045 soll das gesamte Land klimaneutral sein – was Unternehmen mit ihrer auf fossilen Energieträgern basierenden Versorgungsstruktur vor enorme Herausforderungen stellt und einen hohen Finanzierungsbedarf bedeutet.

Die Dringlichkeit und der Umfang der grünen Transformation fungieren dadurch als galliger Treiber für alle Beteiligten. Verschärft wird dieses Transformationsvorhaben durch die wirtschaftlichen Unsicherheiten als Folge der Coronapandemie sowie des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, woraus eine verheerende Energiekrise resultiert.

Für Banken bedeutet diese Situation einen Drahtseilakt. Auf der einen Seite kommt ihnen als Finanzierer und Kreditgeber eine wichtige Rolle zu. Gerade viele KMU sind in der aktuellen Situation auf Kredite angewiesen. Doch auf der anderen Seite könnten die verschiedenen Krisen und die unter anderem vom ifo-Institut prognostizierte Rezession für 2023 besonders Unternehmen im Mittelstand in Existenznot bringen. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft warnt sogar davor, dass vier von zehn Unternehmen in Deutschland angesichts der hohen Energiekosten und der schlechten wirtschaftlichen Gesamtlage erhebliche finanzielle Unterstützung benötigen würden, um sich gegen Liquiditätsengpässe und Kreditversagen abzusichern.

Bei Insolvenzen von Unternehmen würden bereits bestehende Firmenkredite platzen, neue Geschäfte ausbleiben und sich die wirtschaftliche Lage im Land verdüstern. Im schlimmsten Fall drohe für bestimmte Bereiche eine Blase. So oder so bekämen das auch die Finanzinstitute mit ihren Business-Banking-Strategien zu spüren.

Umso wichtiger ist es für Finanzhäuser, die Digitalisierung ihrer Services und Produkte weiter voranzutreiben, um den Unternehmenskunden ein breites Portfolio an individuellen Möglichkeiten anzubieten. Besonders für die junge Generation von Unternehmerinnen und Unternehmern in KMU ist der filialgebundene, persönliche Kontakt mit einer Beraterin oder einem Berater nicht mehr entscheidend. Vielmehr zählen Bankgeschäfte, die zeit-, orts- und personenunabhängig sowie digital abgewickelt werden können. Vernetzung lautet hier das Stichwort.

Was ist Embedded Finance?

Teil dieser digitalen Transformation ist Embedded Finance. Dieser Service gewährleistet Bankdienstleistungen auch außerhalb einer Infrastruktur des Finanzwesens. Oftmals tritt Embedded Finance als Extra-Service in der Customer Journey von Unternehmen auf, indem sie Finanzprodukte in ihre Vertriebskanäle kundenorientiert und eigenständig integrieren, sodass im Kaufprozess keine Unterbrechung entsteht. Wenn zum Beispiel ein Autohändler bei einem erfolgreichen Autoverkauf noch den entsprechenden Kredit für die Finanzierung zusätzlich anbietet, ist dies eine Form von Embedded Finance.

Das bekannteste Beispiel für eine frühe Adaption von Embedded Finance ist der Zahlungsdienst PayPal. Dieser hat als Nicht-Bank ein Finanzprodukt angeboten und in die eigene Plattform integriert.

Die Unternehmensberatung Accenture schätzt, dass durch Embedded Finance 2025 weltweit ein Umsatz von bis zu 230 Milliarden US-Dollar generiert werden könnte. 2020 lag dieser Wert noch bei 22,5 Milliarden US-Dollar.

Bisher haben sich zwei Varianten von Embedded Finance herauskristallisiert:

  • Pass-Through-Services: Plattformen oder FinTechs sind die Schnittstelle zu Finanzprodukten von Drittanbietern. Nicht selten wird dieses Modell als „FinTech-as-a-Servcice“ bezeichnet. Wer online einkauft, kennt diese Praxis. Die ING Deutschland hat eine derartige Kooperation mit Amazon. Auch die FinTechs Klarna und Afterpay sind besonders im E-Commerce namhafte Anbieter und „betten“ ihre Leistungen und Finanzierungslösungen nahtlos in den Kaufabwicklungsprozess ein.
  • Die All-in-one-Lösung: Finanzlösungen sind fester Bestandteil einer Plattform, die gleichzeitig zum Beispiel Konsumartikel anbietet. Auf dem asiatischen Markt hat dieses Modell der Online-Marktplatz Alibaba perfektioniert und mit Alipay eine eigene Finanzinfrastruktur im Produktportfolio.

Welche Akteure sind an Embedded Finance beteiligt?

Das Embedded-Finance-Ökosystem umfasst drei Hauptakteure:

  • Plattformen im B2B- oder B2C-Bereich, die als Marken oder Dienstleister eine Schnittstelle zu Kundinnen und Kunden bilden. Über sie wird das Produkt angeboten.
  • Finanzdienstleister oder Finanzhäuser, die mit ihrer Lizenz Finanzierungen und Kredite anbieten sowie Kundinnen und Kunden den Kauf erst ermöglichen.
  • Spezialisierte FinTechs, die wiederum die Technologie wie Programmierschnittstellen oder Cloud-Computing stellen und so die beiden zuvor genannten Akteure miteinander verbinden. In der Fachsprache heißen sie Application Programming Interface Plattform (API).

Wie verändert Embedded Finance den Finanzmarkt?

Laut Nadine Methner, Head of Business Banking der ING, wird Embedded Finance die Finanzbranche nachhaltig verändern, da die Schnittstellenlösungen „größere Transparenz sowie passendere Produkte ermöglichen werden“. Digitale Lösungen seien zunehmend auch im KMU-Bereich gefragt, erklärt die Expertin: „Das B2B-Geschäft wird in den kommenden Jahren verstärkt plattform-orientiert und integriert ablaufen. Die Erwartungshaltung und das Verhalten der Kundinnen und Kunden – gerade im Bereich des Kreditgeschäfts und der Finanzierungen für kleinere und mittlere Unternehmen – wird sich grundlegend verändern.“

Expertinnen und Experten rechnen damit, dass sich Plattformen oder Unternehmen wie Microsoft, Google oder Instagram noch stärker als bisher in den Finance-Markt einmischen und entsprechende Embedded-Finance-Lösungen anbieten werden. Wenn dort die Grenzen zwischen den Sparten verschwimmen, würde zwangsläufig auch das lukrative Geschäft mit KMUs im Business-Banking-Bereich für so manchen Tech-Riesen interessant werden.

Mit den großen Datenschätzen potenzieller Kundinnen und Kunden könnten Google und Co. kundenzentrierte Ökosysteme aufbauen und sich sukzessive in die Welt der traditionellen Banken vortasten. Eine Hürde dabei wäre allerdings eine Banklizenz, die in Deutschland erst nach umfassender Prüfung gemäß strenger Regulierungskriterien erteilt wird.

Kooperationen schmieden

Gerade deshalb gilt es für traditionelle Finanzhäuser, ihre digitalen Produkte und Services kontinuierlich weiterzuentwickeln – und über den Tellerrand zu schauen.

Diesen Weg hatte die ING bereits 2018 eingeschlagen. Mit dem Kauf des Berliner FinTechs Lendico stieg Deutschlands größte Direktbank in das KMU-Finanzierungsgeschäft ein. Geschäftskunden können im Bereich Business Banking schnell und digital Kredite von bis zu 750.000 Euro abschließen. 2022 integrierte die ING das FinTech Lendico vollständig in ihren Geschäftsbereich und kündigte an, diesen weiter ausbauen zu wollen.

Hinzu kommen Kooperationen unter anderem mit dem E-Commerce-Riesen Amazon. Im Zuge der Zusammenarbeit bietet die ING Händlerinnen und Händlern auf dem Amazon Marketplace Finanzierungen und flexible Kreditlinien an – als nahtlose Schnittstellenlösung, die in das Angebot von Amazon eingebettet ist.

Embedded Finance bietet neue Chancen für Banken

Online-Banking und Mobile Banking sind selbstverständlich geworden: Mittlerweile nutzen mehr als 50 Prozent der Deutschen digitale Kanäle, um ihre Bank- oder Versicherungsgeschäfte abzuwickeln. Kundinnen und Kunden profitieren durch das digitale Finanzmanagement von enormer Flexibilität und einer hohen Convenience zu günstigen Preisen.

Dieser Trend überträgt sich automatisch auf das Geschäft mit Firmenkunden. Kreditinstitute sind dabei in einer idealen Position und erfüllen alle Voraussetzungen für eine führende Rolle bei Embedded Finance. Sie verfügen über das Branchen-Know-how, die oftmals bestehenden Strukturen im Business-Banking-Segment, die Reichweite und Glaubwürdigkeit sowie den direkten Zugang zu kosteneffizientem Kapital.

Für Banken eröffnet sich generell die Möglichkeit, Finanzdienstleistungen über Schnittstellen auf Plattformen jenseits der Finanzindustrie zur Verfügung zu stellen – so wie es die ING bei der Kooperation mit Amazon schon umsetzt. Für Methner müssen Finanzhäuser heute einen wichtigen Grundsatz erfüllen: In der Praxis mit Finanzexpertise aufwarten und kundenzentriert arbeiten – ohne, dass systematische Hürden entstehen. Und das ganz nach dem Motto: „Make me forget about Banking. Give me what I need, enable me, empower me.“