Sprechblasen mit pro und contra.
29.12.2021    Martin Hintze
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Soll ein Fondsmanager den Markt schlagen oder genügt ein kostengünstiger passiver Fonds, der einen Index abbildet? Diese beiden Denkschulen der Geldanlage stehen sich häufig unversöhnlich gegenüber. DUP UNTERNEHMER hat für das Talk-Format „Pro & Contra“ zwei Antagonisten in den virtuellen Ring gebeten. Auf der „aktiven Seite“: Ingo Speich, Head of Sustainability & Corporate Governance bei Deka Investment; auf der „passiven Seite“: Sebastian Stöhr, Senior Sales Manager ETF Deutschland bei Invesco. Ring frei!

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Die Dynamik der Mittelzuflüsse scheint für ETFs zu sprechen. Ist die Schlacht aktiv versus passiv schon entschieden?

Sebastian Stöhr: Ich sehe es nicht als große Schlacht. Sowohl aktive als auch passive Investments haben ihre Daseinsberechtigung. Es kommt darauf an, was der Investor sucht. ETFs haben eine große Aufholjagd gestartet. In Europa sind momentan nur etwa acht Prozent des Kapitals in passive Fonds investiert. Doch ihr Anteil steigt rasant.

In den USA haben Privatanleger 30 Prozent passiv investiert. Ist das die Glasdecke, bei der ein weiteres Wachstum schwierig wird?

Stöhr: Auch in den USA ist die Dynamik groß. Bei US-Aktien haben bereits 2018 passive Investments aktive überholt. In anderen Regionen und Anlageklassen dauert es etwa noch fünf Jahre bis es soweit ist, hat das Researchunternehmen Morningstar vorausgesagt.

Ingo Speich: Ja, das Wachstum von ETFs ist rasant. Die Assetmanagement-Branche wächst in Europa ungefähr zweieinhalbmal so schnell wie das Bruttoinlandsprodukt, also überdurchschnittlich stark. Und innerhalb dessen nimmt der Anteil an passiven Anlagen deutlich zu. Doch es gibt eine Kategorie, die noch schneller wächst: nachhaltige Anlagen – sowohl aktiv als auch passiv.

Welche Folgen hat es, wenn immer mehr Kapital passiv investiert wird?

Speich: Passive Investments wirken trendverstärkend. Das heißt, wenn die Aktienkurse fallen und der Anteil eines Unternehmens an einem Index sinkt, müssen auch passive Fonds verkaufen. Das gilt auch bei steigenden Kursen. Eine weitere Frage ist, wie passive Assetmanager mit Kapitalmarkttransaktionen wie etwa Übernahmen umgehen. Oder wie wird auf Hauptversammlungen abgestimmt? Das ist ein sehr elementares Element der Mitbestimmung durch die Aktionäre. Wir bei Deka Investment haben auch passive Anlagen. Auch diese Stimmrechte nutzen wir, um Druck auf Unternehmen ausüben, wenn es nötig ist.

Wie gehen Sie mit dieser Verantwortung um, Herr Stöhr?

Stöhr: Besonders mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit wird diese Verantwortung immer wichtiger. Invesco verwaltet circa zwei Drittel aktiv und ein Drittel Kundengelder passiv. Wir spiegeln die Entscheidungen der aktiven Fondsmanager auch für die ETFs. Das heißt, wir übertragen die Stimmrechte der ETFs an die jeweils größte Position eines aktiven Fonds. Der Fondsmanager tauscht sich mit dem Unternehmen aus und stimmt auf der Hauptversammlung ab.

Ist eine Veränderung spürbar: weg vom „Index-Hugging“ – also dass aktive Fondsmanager am Index kleben – hin zu aktiveren Ansätzen?

Speich: Beim aktiven Fondsmanagement ist es elementar wichtig, dass eine Abweichung vom Vergleichsindex erfolgt, denn nur mit einer starken Meinung kann man den Index schlagen. Das Ziel besteht darin ein Alpha, also einen positiven Mehrwert gegenüber dem Index, zu erzielen.

Auf der anderen Seite versuchen passive Fonds nicht mehr nur einen Index wie den S&P 500 abzubilden, sondern auch eigene Strategien zu fahren. Beispielsweise mit Smart Beta-ETFs.

Stöhr: Die Übergänge sind fließend. Bei Smart Beta werden die Indizes angepasst, um ein besseres Risiko-Rendite-Verhältnis zu erzielen. Da ist das Spektrum sehr groß.

Kann Impact Investing zu einer Stärkung des aktiven Managements führen?

Speich: Impact Investing hat das Ziel, einen positiven Effekt für die Rendite und für die Gesellschaft zu erbringen. Im ökologischen oder sozialen Bereich bieten sich da ganz klare Chancen für das aktive Management. Dort steht nicht nur die Abstimmung bei Hauptversammlungen im Vordergrund, sondern auch die Interaktion mit dem Unternehmen, das Setzen von klaren Wegmarken und die Kontrolle, dass diese Wegmarken auch eingehalten werden. Doch es lassen sich auch Impact-Strategien im passiven Management betreiben. Wir haben beispielsweise Klima-ETFs aufgelegt. Sie beziehen etwa eine Verringerung der CO2-Emissionen in den Investmentprozess ein. Impact Investing ist also auch passiv machbar, aber einfacher umzusetzen ist es auf der aktiven Seite.

Wird die hohe Nachfrage nach nachhaltigen Investments die aktive Seite stärken?

Speich: Bereits heute meiden viele institutionelle Anleger Unternehmen mit einem sehr hohen CO2-Fußabdruck. Das führt dazu, dass die Märkte einer strukturellen Neubewertung unterliegen. Der Megatrend ESG wird uns noch viele Jahre begleiten und auch das Verhalten der Privatanleger ändern. Und zumindest in Europa ist das eher ein Thema für das aktive Management.

Stöhr: Ich sehe das anders. Im ETF-Bereich werden viele Indices auf ESG umgestellt. Auch mit passiven Investment lässt sich nachhaltig anlegen.

Die letzten Jahre waren für ETF-Investoren sehr erfolgreich. Sind passive Fonds auch für 2022 die beste Strategie, selbst wenn es an den Märkten unruhig werden sollte?

Stöhr: Passive Investments werden gefragt bleiben. 2020 hat gezeigt, dass trotz der Turbulenzen durch Corona die Indizes am Ende des Jahres im Plus lagen. Natürlich können aktive Manager auf solche Ausschläge reagieren, aber sie brauchen das richtige Timing. Und das hat nur etwa die Hälfte der europäischen aktiv gemanagten Fonds geschafft. Die starken Mittelzuflüsse haben gezeigt, dass Anleger sich von solchen Turbulenzen nicht von ETFs abbringen lassen.

Speich: Wir blicken auf eine Dekade der ETFs zurück – auch weil die Märkte so stark gelaufen sind. Aus absoluter Renditesicht war es zweitrangig, welcher Index nachgebildet wurde. Mit passiven Strategien Schiffbruch zu erleiden, war also sehr unwahrscheinlich. Doch in Extremsituationen schlägt die Stunde des aktiven Managements. Und unabhängig von aktiv oder passiv sollten Anleger kritisch hinterfragen, ob sie für die Zukunft noch gut aufgestellt sind, wenn die Zeiten unruhiger werden.

Studien zeigen, dass viele Privatanleger falsch mit ETFs umgehen. Sie lassen sich von Angst und Gier leiten und kaufen oder verkaufen zum falschen Zeitpunkt. Wie lässt sich das vermeiden?

Stöhr: Wer über viele Jahre und Jahrzehnte auf ETFs setzt, beispielsweise mit einem Sparplan für die Altersvorsorge, kann nicht viel falsch machen. Dabei sollte man aber auf eine breite Diversifikation achten, beispielsweise mit einem Index wie dem MSCI World. Ich darf einfach nicht nervös werden, wenn die Kurse mal nach unten gehen. Doch viele Privatanleger versuchen durch die leichte Handelbarkeit kurzfristig hohe Renditen zu erzielen. Doch das schaffen nur die wenigsten Profis. Warum sollten es Privatanleger besser können? Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Auswahl des richtigen ETFs. Anleger sollten nicht nur auf die Kosten schauen. Denn auch andere Effekte sind wichtig, etwa die Quellensteuer. Bei ETFs, die in den US-Aktienmarkt investieren, lassen sich unter Umständen Steuervorteile und damit eine bessere Performance generieren.

Die Glaskugelfrage: Wie wird sich der Markt in zehn Jahren zwischen aktiv und passiv verteilen?

Speich: Das Wachstum wird anhalten. Doch man sieht erste Tendenzen in den USA, dass in Marktsegmenten, die sehr stark von passiven Anlagen getrieben sind, Ineffizienzen auftreten. Das kann den Raum für aktive Investments öffnen. Die zweite Frage ist, ob der Regulierer eingreift. Beispielsweise bei der Frage, wie passive Fonds mit Übernahmen umgehen.

Stöhr: In den USA werden laut Morningstar die passiven Investments die aktiven in fünf Jahren überholt haben. Europa hinkt noch hinterher, aber das wird auch hier geschehen.

29.12.2021    Martin Hintze
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