Sonnenaufgang am Brandenburger Tor in Berlin
15.01.2020    Martin Hintze
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p>2019 war ein Boom-Jahr für junge Unternehmen: 6,2 Milliarden Euro sind in hiesige Start-ups geflossen – ein Drittel mehr als im Vorjahr. Das meiste Geld strömte nach Berlin, die größte Finanzierungsrunde fand jedoch anderswo statt.


Ist es für deutsche Start-ups tatsächlich schwieriger, an frisches Geld zu kommen als in anderen Ländern? Zumindest scheint sich die Situation stark zuletzt verbessert zu haben, wie Zahlen für das Jahr 2019 nahelegen. Insgesamt 6,2 Milliarden Euro – und damit 36 Prozent mehr als 2018 – haben junge Unternehmen aus der Bundesrepublik im vergangenen Jahr von Kapitalgebern eingesammelt. Das zeigt eine Studie der Unternehmensberatung EY. Die Zahl der Finanzierungsrunden ist um 13 Prozent auf 704 gestiegen.

Flixbus hält den Rekord

Berlin konnte seine Stellung als Start-up-Hotspot der Nation verteidigen: Allein 3,7 Milliarden Euro (plus 41 Prozent) sind in die Hauptstadt geflossen. Den Rekord für die größte Finanzierungsrunde in Deutschland hält laut EY jedoch der Flixbus-Betreiber FlixMobility aus München. Im vergangenen Jahr bekam das Unternehmen 500 Millionen Euro. Auf dem zweiten Platz liegt das Berliner Reise-Start-up GetYourGuide mit einer 428-Millionen-Euro-Finanzierung. Bronze geht ebenfalls an Berlin: Die Gebrauchtwagenplattform Frontier Car Group sammelte 361 Millionen Euro ein.

„Berlin dominiert nach wie vor die Start-up-Szene und wird auch weiterhin der international bedeutendste deutsche Leuchtturm bleiben“, sagt Peter Lennartz, Partner bei EY. „Aber Bayern mit dem Zentrum München hat in den vergangenen Jahren aufgrund seiner hervorragenden Qualitäten im Bereich Hightech stark aufgeholt und etabliert sich als zweiter, auch international anerkannter deutscher Start-up Standort.“

Auch andere Bundesländer konnten sich über kräftige Zuflüsse freuen: Besonders stark legten die Investitionen in Start-ups aus Baden-Württemberg zu. Das Volumen verdreifachte sich auf 209 Millionen Euro. Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen sammelten mit 262 Millionen Euro zehn Prozent mehr als im Vorjahr ein. Nicht so gut lief es für Hamburg (minus 54 Prozent auf 254 Millionen Euro) und Hessen (minus 44 Prozent auf 73 Millionen Euro).

Mehr Mega-Deals

Für den Finanzierungsrekord haben vor allem einige sehr große Deals vornehmlich ausländischer Geldgeber gesorgt. Immerhin 13 Finanzierungsrunden in der Größenordnung von mehr als 100 Millionen Euro wurden im vergangenen Jahr gezählt – sieben im ersten Halbjahr, sechs in der zweiten Jahreshälfte. Im gesamten Jahr 2018 hatte es nur sechs derartige Mega-Deals gegeben. „Top-Start-ups hatten im vergangenen Jahr erneut kaum Probleme, an frisches Kapital zu kommen, die Zahl der deutschen Unicorns ist 2019 weiter gestiegen“, sagt Lennartz. Als Unicorns werden nicht-börsennotierte Unternehmen mit einer Bewertung von mindestens einer Milliarde US-Dollar bezeichnet. Davon gibt es laut der Datenbank CB Insights momentan zwölf in Deutschland, beispielsweise die Auto1 Group, Otto Bock Healthcare und N26.

„Die Bewertungen in Europa sind im Vergleich zum Silicon Valley noch relativ günstig.“

„Es ist sehr viel und ausreichend Liquidität im Markt – mit weiterhin stark ansteigender Tendenz. Finanzstarke und überwiegend international tätige Investoren aus den USA, Großbritannien sowie Asien sind insbesondere an sehr großen Transaktionen interessiert, auch weil die Bewertungen in Europa im Vergleich zum Silicon Valley noch relativ günstig sind“, so Lennartz. Auch deutsche Risikokapitalgeber betreiben intensives Fundraising und legen neue Fonds auf. Aber Lennartz betont: „Um die ersten, kleineren Runden von überwiegend deutschen Kapitalgebern finanziert zu bekommen, müssen die jungen Unternehmen von Anfang an ein Geschäftsmodell betreiben, das potenziell auch international erfolgreich sein kann. Anschließend können sie mit internationalen Geldgebern in die großen Runden gehen.“

Die gefragtesten Branchen

Welche Branchen konnten das meiste Geld einsammeln? Dank der beiden Mega-Deals von FlixMobility und GetYourGuide lagen 2019 die Mobilitätsanbieter mit insgesamt 1,6 Milliarden Euro vorn. Die Plätze zwei und drei belegen FinTechs und Software-Unternehmen mit 1,3 beziehungsweise 1,2 Milliarden Euro. Die Dominanz der E-Commerce-Anbieter ist gebrochen. Der Online-Handel folgt mit 730 Millionen Euro erst auf dem vierten Rang – im Vergleich zum Vorjahr ging die Finanzierungssumme um 56 Prozent zurück.

Der Fokus der Investoren hat sich verändert. „Wir sehen ein steigendes Interesse gerade an hochinnovativen Technologie-Geschäftsmodellen. SaaS (Software as a Service), Analytics und KI sind groß im Kommen und profitieren aktuell von hohen Bewertungen. E-Commerce tritt zwar etwas in den Hintergrund, bleibt aber ein wichtiges und starkes Segment. Im Bereich FinTech wird sich im Jahr 2020 vermutlich eine Konsolidierung ergeben aufgrund des Überangebotes an Anbietern“, prognostiziert EY-Experte Lennartz.

6,2

Milliarden Euro haben deutsche Start-ups 2019 von Kapitalgebern eingesammelt – 36 Prozent mehr als 2018.

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Unicorns – also nicht-börsennotierte Unternehmen mit einer Bewertung von mindestens einer Milliarde US-Dollar – gibt es momentan in Deutschland.

15.01.2020    Martin Hintze
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