Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben es getan, zuletzt hatte auch die Bundesregierung ein Einsehen: Gleich reihenweise werden die Konjunkturprognosen für die deutsche Wirtschaft heruntergeschraubt. Wir stehen bestenfalls vor einem Nullwachstum, möglicherweise auch vor einer Rezession. Den Unternehmen verderben solche Vorhersagen nicht nur die Stimmung, sondern auch die Umsatzaussichten für 2025.
Direkt in die Liquiditätsklemme
Die eigenen Umsatzziele zu verfehlen, kann böse Konsequenzen haben, zum Beispiel für laufende Kreditverträge. Hier drohen Verletzungen von Finanzkennzahlen (Financial Covenants), die Zinserhöhungen, Sicherheitenverstärkungen oder gar Kreditkündigungen nach sich ziehen können. Zusätzlich wächst die Gefahr von Mehrkosten bei neuen Darlehen – wenn diese bei verschlechterter Bonität nicht gleich schlicht unmöglich werden. Denn auch die Banken haben die Konjunktur im Blick und agieren aktuell bei Neuvergaben schon spürbar restriktiver.
Wer bei der Düsternis am Konjunkturhimmel alles so weiterlaufen lässt wie bisher, riskiert daher, direkt in eine Liquiditätsklemme zu geraten. Diese Gefahr wächst, wenn nicht alles auf den Prüfstand kommt – nicht zuletzt die Kapitaldienstzahlungen. Vor allem die vertragliche Tilgung bestehender Darlehen kann sich hier negativ bemerkbar machen, wie ich immer wieder feststellen muss. Denn grundsätzlich gilt: Was jetzt getilgt wird, fehlt den gestressten Unternehmen bei der künftigen Finanzierung des laufenden Geschäfts!
So kommt es zum „Tod durch Übertilgung“
Liquiditätsgefahr droht zurzeit vor allem kleineren und mittelgroßen Unternehmen. Denn anders als Großkonzerne verfügen sie meist nicht über ausreichende Kapitalreserven oder Liquiditätsspielräume, die nötig wären, um rechtzeitig gegenzusteuern, wenn geplante Umsatzerlöse nicht kommen. Akut treffen könnte es aktuell vor allem die Branchen Automotive, Handel oder Maschinen- und Anlagebau – traditionell mittelständisch geprägte Sektoren, die sich derzeit der laufenden Transformation, der fortgesetzten Zurückhaltung von Verbraucherinnen und Verbrauchern oder dem global schwieriger werdenden industriellen Wettbewerbsumfeld ausgesetzt sehen. Hier gilt es, das Bewusstsein für die heraufziehenden Herausforderungen ganz besonders zu schärfen.
Denn hier kann am ehesten geschehen, was man „Unternehmenstod durch Übertilgung“ nennen könnte. Dieser nimmt oft folgenden Verlauf:
- Der Kapitaldienst steigt prozentual zum (stagnierenden oder sinkenden) Umsatz an. Der Cash-Aufwand nimmt zu – und das bei möglicherweise geringeren Umsätzen.
- Durch das Verfehlen der Umsatzplanung gerät die Kreditvereinbarung mit dem Finanzpartner ins Wanken. Weil sich die Kreditratings der underperformenden Unternehmen verschlechtern, sind steigende Zinssätze durch Erhöhung der Risikomarge wahrscheinlich.
- Die Tilgung der bestehenden Darlehen schöpft zusätzlich Liquidität aus dem Unternehmen ab. Aktuell kann dies etwa bei Darlehen aus der Corona-Zeit drohen, die anfangs tilgungsfrei gestellt waren, nun aber bedient werden müssen. Oft erfolgt dann die Tilgung nicht mehr aus dem laufenden Cash-Flow, sondern unmittelbar aus der Substanz!
- Dem Unternehmen fehlen so die Mittel, um zu investieren oder um Verluste auszugleichen, die durch die konjunkturelle Abkühlung entstehen können.
- Wer in dieser Lage weiter wie gewohnt tilgt, riskiert eine nachfolgende Liquiditätskrise im Unternehmen, die schlimmstenfalls zur Insolvenz führen kann!
Nicht einfach zur Bank gehen
Wie schnell das gehen kann, zeigt beispielhaft der Fall BayWa: Der Agrarhandelskonzern zahlte im Juni 2024 eine fällige Anleihe aus Kreditlinien und verfügbaren freien Finanzmitteln zurück – nur wenige Wochen danach war das Unternehmen in existenzielle Liquiditätsprobleme geraten.
In vergleichbaren Situationen wäre es der schlechteste Weg, einfach einen Termin mit den zuständigen Finanzierern zu vereinbaren. Selbst wenn man diese seit Jahren kennt und ihnen absolut vertraut: Die Chancen, auf dieser Basis etwas herauszuholen, tendieren gegen null. Denn selbst wenn der bisherige Ansprechpartner oder die Ansprechpartnerin viel guten Willen zeigt und gerne etwas tun würde, um zu helfen – in den meisten Fällen dürfte allein die seit der Finanzkrise verschärfte Regulatorik der Finanzbranche dem bloßen Wunsch nach Tilgungsstundung einen Riegel vorschieben.
Darüber hinaus wird die Kundenverantwortung nach Eintritt einer Unternehmenskrise aus dem Normalvertrieb in eine spezialisierte Sanierungseinheit bei den Finanzierern übertragen, die künftig für das gesamte Kreditengagement verantwortlich ist. Die Engagementsteuerung wird von Ertragsmaximierung auf strikte Risikominimierung und Verlustvermeidung angepasst. Dadurch ändert sich nicht nur der gewohnte Ansprechpartner oder die gewohnte Ansprechpartnerin, sondern insbesondere auch die Risikostrategie des Finanzierers auf „Abbau“.
Externe Unterstützung bei Bankgesprächen
Stattdessen empfiehlt sich ein sorgfältiges, schrittweises Vorgehen zur Vorbereitung der Finanzierergespräche:
- Analyse des Ist-Zustands im Unternehmen und darauf basierend Entwicklung eines umfassenden Restrukturierungs- und Finanzierungsplans. Dieser sollte neue konjunkturelle und geschäftliche Erwartungen sowie eine veränderte Liquiditätslage berücksichtigen.
- Bestenfalls wird ein solcher Fahrplan mit der langjährigen Transaktionserfahrung sowie dem Netzwerk eines spezialisierten Beratungsunternehmens erstellt, um gegenüber den Finanzierern wirklich belastbar zu sein.
- Denn: Die Finanzierungspartner zu informieren, ohne selbst Lösungswege anbieten zu können, dürfte dort nur die Alarmglocken läuten lassen – wodurch sich die eigene Verhandlungsposition in der Regel noch verschlechtert.
- Mit einem realistischen Zukunftskonzept hingegen besteht eine solide Basis, um in erfolgsversprechende Gespräche mit der finanzierenden Bank zu gehen und eine Stundung der Tilgungslast zu erwirken. Dies ist eigentlich immer besser als etwa auf eine spätere Liquiditätszufuhr durch einen neuen Kredit zu hoffen.
Meine Erfahrung zeigt, dass solche Bankgespräche am besten von einem externen, unabhängigen Berater begleitet werden, der dann auch federführend die Verhandlung mit den Finanzierern steuert. Denn es handelt sich nicht nur um eine hochkomplexe Materie, die viele Fallstricke für zielführende Verhandlungen auslegt. Banken sind darüber hinaus in der Regel daran interessiert, möglichst lange Tilgungszahlungen beziehungsweise Rückführungen zu erhalten, um das Kreditausfallrisiko zu minimieren. Und nicht zuletzt sind Unternehmerinnen und Unternehmer meist emotional mit ihrem Betrieb verbunden. Das ist begrüßenswert, erschwert aber oft einen unabhängigen und realistischen Blick auf die Lage und verhindert rechtzeitige Gegenmaßnahmen, um notwendige Liquiditätsreserven für die finanzielle Bewältigung der Krise aufzubauen.
Wir bei Enomyc verfügen über langjährige und umfassende Expertise bei der Restrukturierung und Finanzierung von Unternehmen. Daher wissen wir: Bewusstsein und Akzeptanz schaffen für Problemlagen ist der erste und wichtigste Schritt, um möglichst frühzeitig zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln. Dabei können sogenannte „Debt Advisor“, die sich auf die individuelle Finanzierungsberatung von Unternehmen in Krisensituationen spezialisiert haben, einen entscheidenden Beitrag für den Erhalt und die Sicherstellung der überlebensnotwendigen Kreditlinien leisten.
Noch mehr Insights
Konkrete Tipps, wie Sie die größten Fallstricke bei Gesprächen mit Finanzierungspartnern vermeiden, gibt Gastautor Ralf Ehret hier.