Vor einer Börsentafel zeigt ein Pfeil nach unten.
30.06.2021    Miriam Rönnau
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Es scheint skurril: Seit 2009 steigen die Aktienkurse. Und Aktien versprechen bekanntlich die besten Renditen. Wenn es darum geht, ein langfristiges finanzielles Polster aufzubauen, zum Beispiel für die Altersvorsorge, sind sie ideal. Trotzdem: Die Partizipationsrate von deutschen Haushalten am Aktienmarkt sinkt seit 2000 stetig. Wie kann das sein? Dieser Frage sind das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und die Universität Bonn nachgegangen.

Dabei kamen die Forschenden zu einem interessanten Ergebnis: Ein traumatisches Erlebnis spielt die entscheidende Rolle, ob Aktien in Frage kommen oder eben nicht – der Absturz der T-Aktie. Selbst 20 Jahre nach dem ersten Börsengang der Telekom investieren Kleinanlegerinnen und Kleinanleger, die den Kursabsturz der T-Aktie miterlebt hatten, zu 60 Prozent seltener in Aktien als jüngere Haushalte.

Der Fall der T-Aktie

Doch was ist damals passiert, dass so viele Deutsche auch zwei Jahrzehnte später nicht vergessen können? Die Geschichte im Schnelldurchlauf: Im November 1996 wollte die Deutsche Telekom an die Börse gehen – und das, obwohl das IT-Unternehmen damals einen eher schlechten Ruf genoss. Deshalb setzte die Telekom auf eine Marketing-Kampagne und investierte dafür rund 100 Millionen Deutsche Mark. Die T-Aktie sollte sich als zuverlässige „Volksaktie“ für die breite Öffentlichkeit etablieren. Telekom-Chef Ron Sommer sagte damals: „Die T-Aktie wird so sicher wie eine vererbbare Zusatzrente sein.“ Damit lenkte das Unternehmen tatsächlich die Aufmerksamkeit vieler Kleinanlegerinnen und Kleinanleger auf sich.

Zunächst war der Erfolg groß: Rund 1,9 Millionen Menschen investierten in 285 Millionen T-Aktien im Wert von umgerechnet 4,2 Milliarden Euro. Und dann platzte im Jahr 2000 die sogenannte Dotcom-Blase und die extrem hohen Kurse von Unternehmen aus dem Tech-Sektor rauschten in die Tiefe. Auch die T-Aktie war davor nicht gefeilt.

Doch das sprichwörtlich dicke Ende kam erst noch. 2001 kam heraus, dass die Deutsche Telekom ihre Immobilienbestände überbewertet und falsche Zahlen während des zweiten und dritten Börsengangs kommuniziert hatte. Angeblich soll der Wert zwischen rund 1,7 bis 2,1 Milliarden Euro zu hoch angesetzt worden sein. Bald darauf legte Ron Sommer sein Amt nieder und läutete so das offizielle Ende der „T-Aktien-Ära“ ein.

Vertrauen in Aktien und Staat noch immer getrübt

Viele Kleinanlegerinnen und Kleinanleger – einige davon investierten sogar zum ersten Mal in Aktien – mussten große Verluste einstecken. Das erschütterte nicht nur ihr Vertrauen in Aktienanlagen, sondern auch in den Staat – denn die Deutsche Telekom war damals noch ein staatlicher Konzern.

Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zufolge hat sich das Vertrauen der Deutschen bis heute nicht erholt. Doch nicht nur die Aktienquote ist gesunken und liegt heute bei nur 25 Prozent, auch die Haushalte, deren Vorstände damals mindestens 20 Jahre alt waren, halten jetzt wesentlich seltener Aktien als jüngere Haushalte. 20 Jahre nach dem ersten Telekom-Börsengang sind die Zahlen der Börseneintritte und -austritte sogar rund 90 Prozent geringer als bei jüngeren Haushalten. Das zeigt: Der Börsencrash hat langfristig Spuren hinterlassen.

Bessere Regulierung für den Finanzmarkt

Und was lernen wir daraus? Mit Blick auf den Skandal rund um Wirecard offenbar nicht viel. „Die Gefahr von Crashs, wie jüngst bei Wirecard, kann nur durch eine bessere Regulierung und eine strengere Finanzmarktaufsicht reduziert werden“ sagt DIW-Studienautor Alexander Kriwoluzky. Es brauche daher eine breitere finanzielle Bildung schon in der Schule sowie transparente und allgemeinverständliche Informationen für Kleinanlegerinnen und Kleinanleger. Nur so ließe sich nach Kriwoluzky die Investmententscheidung auch möglichst rational fundiert treffen.

Ähnliches sagte auch Fondsmanager Günter Fett im vergangenen Jahr im DUP Business Talk, der ebenfalls mehr Finanzbildung forderte. So erzählte er etwa von Kunden, die ihm von Verlusten mit den T-Aktien in den 2000er-Jahren oder mit Wirecard-Papieren berichten. Nur mit Bildung ließe sich aus den deutschen Aktienmuffeln wieder ernstzunehme Anleger machen.

30.06.2021    Miriam Rönnau
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