Brennender Geldschein
10.03.2020    Ulrike Maris
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Wenn sich Horst Tappert im Film-Klassiker „Die Gentlemen bitten zur Kasse“ seine Zigarre mit einem Bündel Geldscheine anzündet, überkommt die Zuschauer eine Mischung aus Abscheu und Lust an der Dekadenz. In den 1960er-Jahren wurde der spektakuläre Postzugraub um den Bandenanführer Ronny Biggs erstmals verfilmt. Heute in Zeiten der Nullzins-Politik stellt Geldvernichtung eine Alltäglichkeit dar.

190 Banken verlangen Negativzinsen auf Spareinlagen

Und es sind nicht die Posträuber, die heute die Scheine vernichten, sondern die Geldpolitik. Immer mehr Banken erheben Negativzinsen für Guthaben auf Giro- und Tagesgeldkonten. Wobei die Institute betonen, dass sie lediglich den negativen Einlagenzins der Europäischen Zentralbank an ihre Kunden weitergeben; dieser liegt seit mehr als fünf Jahren bei minus 0,2 Prozent. Manch ein Institut langt allerdings deutlich kräftiger hin.

Eine täglich aktualisierte Liste der zumeist Volks- und Raiffeisenbanken, die sich  am Vermögen der Sparer bedienen, ist auf Verivox zu finden. Das Online-Verbraucherportal führt aktuell 60 Institute, die auf ihren Websites Negativzinsen ankündigen. Hinzu kommen einige Banken, die früher einmal Negativzinsen angekündigt hatten, diese Information aber jetzt nicht mehr auf ihrer Website kommunizierten. Das Portal Biallo.de berichtet sogar von 190 Banken und Sparkassen.

„Sparkonto“ mit Negativzinsen irreführend

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hält eine Bezeichnung von negativ verzinsten Konten als „Sparkonto“ für irreführend. Negativzinsen fallen zumeist an bei Geschäftsbanken, die Konten mit deutlich höheren Einlagensummen verwalten als Banken, die private Tagesgeld- und Sparkonten anbieten. Auch bei der Auflistung von Verivox wird deutlich: Die betroffenen Kunden, die zur Kasse gebeten werden, sind wahrscheinlich größtenteils Geschäftskunden, denn der Negativzins – meist in einer Höhe von minus 0,5 Prozent, fällt erst ab einer Summe von 100.000 Euro an. So viel haben Privatanleger selten auf einem Konto. Doch das Portal führt auch Banken auf, die bereits ab 25.000 Euro abkassieren, zwei Institute ziehen Negativzinsen ab dem ersten Euro ein.

Keine Strafzinsen ohne Zustimmung

Der Bundesverband Verbraucherzentrale stellt klar: Keine Bank darf still und heimlich beschließen, Negativzinsen zu erheben – schon gar nicht bei Bestandskunden. Wer bereits ein Konto hat, muss wenigstens über die Änderung der Konditionen informiert werden. Mitunter werden diese auch individuell ausgehandelt. Bankkunden haben dann die Möglichkeit, sich einen anderen  Anbieter zu suchen. Mitunter werden Negativzinsen oder Strafzinsen, wie sie bisweilen bezeichnet werden, auch als sogenannte „Verwahrentgelte“ getarnt. Letztendlich wirkt sich dies genau wie Negativzinsen aus: Sie verringern die Einlage.

Corona-Krise kann Rücklagen schrumpfen lassen

Wer ein Geschäft hat, der braucht auch Rücklagen, wie die aktuelle Corona-Krise zeigt. Da reicht die nicht bezahlte Rechnung eines Kunden. Manchen bringen Produktionsausfälle in China oder Italien in die Bredouille und der damit oft einhergehende sprunghafte Preisanstieg von notwendigen Zulieferungen.

Was Kontoinhaber tun können

Deshalb gilt für Geschäftsinhaber dasselbe wie für Privatanleger: Hilfreich ist es, nicht alle Ersparnisse und Rücklagen auf demselben Konto zu verwahren und einen Teil gewinnbringender anzulegen. Bei Reserven, auf die sie wahrscheinlich nicht so schnell zugreifen müssen, sollten Unternehmer sich beraten lassen, etwa durch einen unabhängigen Vermögensverwalter. Für das Geschäftskonto, das beim regelmäßigen Zahlungsverkehr genutzt wird, sollten Unternehmer schlicht die Konditionen vergleichen und das Institut wechseln, sobald Negativzinsen drohen. Bei einigen Banken ist laut Verivox der Freibetrag, bis zu dem das Konto kosten- und gebührenfrei ist, individuell verhandelbar.

Auch wenn Geldvernichtung heute an der Tagesordnung zu sein scheint, muss nicht jeder Kontoinhaber dies akzeptieren.

10.03.2020    Ulrike Maris
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