Champagnerkorken knallen in Cannes nicht nur bei der Verleihung der „Goldenen Palme“. Im französischen Nobel-Badeort findet in jedem Frühjahr auch die weltgrößte Gewerbeimmobilienmesse MIPIM statt. Diese sendet seit Jahren dieselbe Botschaft: Die Immobilienwelt ist schwer in Ordnung. Das kommt nicht von ungefähr: Viele Projektentwickler, Makler und Investitionsentscheider haben einen echten Markteinbruch noch gar nicht erlebt, so lange schon geht es ununterbrochen aufwärts in ihrer Branche. Was aber auch heißt: Die Immobilienpreise haben historische Höchststände erreicht; im Gegenzug sind die Renditen für Gewerbeimmobilien und Wohnungen so niedrig wie nie zuvor. Die Frage ist also: Sollten private Anleger und institutionelle Investoren noch einsteigen?
Marktexperten betrachten die Lage differenziert: Die Immobilienmärkte in Deutschland und Europa präsentieren sich weiterhin stabil, meint etwa Timo Tschammler, Deutschlandchef des internationalen Immobilienberatungsunternehmens Jones Lang LaSalle. Gefahr drohe vor allem von anderer Seite: „Das größte Risiko für die Weltwirtschaft sind derzeit die Politiker und ihre Egotrips.“ Donald Trump habe keine zwei Jahre gebraucht, um die Weltordnung in ihren Grundfesten zu erschüttern.
Das größte Risiko sind die Egotrips in der Politik.
Timo Tschammler, Jones Lang LaSalle
Der US-Präsident steht für Tschammler diesbezüglich nicht allein. Auch Großbritannien, ansonsten ein Muster an wirtschaftspolitischem Pragmatismus, verspiele mit seinem Brexit-Schlingerkurs jeden Vertrauenskredit. Und in Italien, immerhin ebenfalls ein G7-Staat, steuern schwer zu berechnende Populisten auf einen Staatsbankrott zu.
Beton und Steine sind gefragt
Angesichts dessen ist es kein Wunder, dass die Solidität von Beton und Steinen weiterhin gefragt ist – und der Aufschwung am Immobilieninvestment-Markt 2019 ins zehnte Jahr geht. Das Transaktionsvolumen ist seither hierzulande kontinuierlich gestiegen. Und zumindest für gewerblich genutzte Immobilien wurde 2018 ein Rekord verzeichnet: Mehr als 60 Milliarden Euro bedeuten eine Verdreifachung seit 2010 und ein Plus von gut sechs Prozent gegenüber 2017.
Wobei sich hier und da auch die ersten dunklen Wolken zeigen. So leidet etwa der Einzelhandel zunehmend unter der Konkurrenz der Online-Händler. Selbst in Top-Lagen wie der Kölner Schildergasse -stehen inzwischen Ladenlokale leer, und bei Shopping-Centern steigen die Spitzenrenditen erstmals seit 2010 wieder. Was nichts anderes bedeutet, als dass die erzielbaren Mieten zuletzt stärker gestiegen sind als die am Markt durchsetzbaren Kaufpreise. Anders bei Büros. In diesem Segment bleiben Nachfrage und Preise ungebrochen hoch.
Käufer hoffen, dass die Mieten und damit ihre Einnahmen weiter klettern, und setzen auf Wertsteigerungen ihrer teuer eingekauften Investments vor allem in den angesagten Metropolen. Laut Catella Research verzeichneten in den vergangenen zwölf Monaten die sieben deutschen A-Standorte – Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und München – erneut den stärksten Mietanstieg mit einem durchschnittlichen Plus von 5,7 Prozent. Der gemittelte Spitzenwert für Büroflächen kletterte auf 31,04 Euro pro Quadrat-meter. Spitzenreiter bleibt Frankfurt mit 42 Euro.
Investoren denken um
Die durchschnittliche Büroimmobilien-Spitzenrendite liegt bei 3,06 Prozent. München und Berlin weisen sogar nur noch 2,8 beziehungsweise 2,9 Prozent aus. „In den A-Städten zeigt sich, dass sich die Investoren der Hochpreisigkeit ihrer Investitionen bewusst sind und rational agieren. Das Gros der Transaktionen erfolgt weiterhin in diesen und, mit Abstand, in B-Städten“, erläutert Thomas Beyerle, Head of Group Research bei Catella. Parallel dazu lasse sich beobachten, dass die Käufer auf chancenreichere Value-Add-Investments und andere Standortkategorien ausweichen.
Für zusätzlichen Nachfragedruck sorgt, dass immer mehr institutionelle Investoren angesichts des dauerhaften Niedrigzinsumfelds seit einigen Jahren ihre Immobilienquoten hochfahren. Das belegt auch die aktuelle Gewerbeimmobilien-Studie des Münchner Real-Asset- und Investment-Managers Wealthcap. Dennoch ergeben sich laut Wealthcap nach wie vor Einstiegschancen im Büroimmobilienmarkt. So eröffne aktives Management auch bei hohen Ankaufspreisen Wertsteigerungspotenzial für Investoren. Das gelte für den operativen Cashflow durch Mieteinkünfte und den zu erzielenden Verkaufspreis beim Exit.
Wealthcap sieht zudem bei verkehrstechnisch gut angebundenen Büroimmobilien im Umland der Metropolen weitere Dynamik. „Die umliegenden Regionen der großen Metropolen profitieren in hohem Maße von der Urbanisierung. Der Trend zur Metroplisierung ist keine Modeerscheinung. Es bestehen noch Steigerungspotenziale neben den zentralen Citylagen“, kommentiert Geschäftsführerin Gabriele Volz.
Investitionsrisiken reduzieren
Die Project Investment Gruppe investiert das Eigenkapital ihrer Fondszeichner seit mehr als 20 Jahren in die Entwicklung von Wohnanlagen und setzt auf ausgewählte Metropolregionen. Der Verzicht auf Fremdkapital reduziert dabei die Investitionsrisiken. „Mit Ausnahme von Hamburg sind die Quadratmeterpreise für Neubau-Eigentumswohnungen in allen von Project Research untersuchten Metropolregionen auch im vierten Quartal 2018 weiter gestiegen“, sagt Matthias Schindler, Vorstand Projektentwicklung der Project Real Estate AG. Die Spanne reiche dabei von plus 0,2 Prozent in Köln bis zu sage und schreibe plus 19,2 Prozent in Düsseldorf.
Mit Ausnahme von Hamburg sind die Quadratmeterpreise für Neubau-Eigentumswohnungen in allen von Project Research untersuchten Metropolregionen auch im vierten Quartal 2018 weiter gestiegen.
Nach wie vor führt München das Ranking der höchsten Angebotspreise für Eigentumswohnungen an – laut der Project-Zahlen mit im Schnitt 9.453 Euro pro Quadratmeter. Frankfurt belegt mit 7.134 Euro den zweiten Rang. „Die Mainmetropole scheint weiter von der durch den bevorstehenden Brexit ausgelösten Unsicherheit in Bezug auf den Finanzplatz London zu profitieren“, meint Schindler. Bei Preissteigerungen von elf Prozent hinken die Mieten dieser Entwicklung trotz des positiven Trends hinterher. Sie kletterten um 5,7 Prozent im Neubau und um 6,1 Prozent im Bestand.
Noch ist nicht absehbar, ob und wann Preise und Mieten auf dem Wohnungsmarkt nachhaltig sinken. Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes rechnet in diesem Jahr mit rund 320.000 neuen Wohnungen. Zu wenig, um die Ziele der Großen Koalition zu erreichen. CDU und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, bis zum Jahr 2021 rund 1,5 Millionen neue Einheiten zu bauen, also 375.000 jährlich.
Die Wissenschaftler der TU Darmstadt und des Hannoveraner Pestel-Instituts sehen die Chance auf weit mehr als zwei Millionen zusätzliche Wohnungen – ohne dafür auch nur einen Quadratmeter Bauland zu benötigen. In ihrer Deutschland-Studie 2019 haben sie bislang kaum genutzte Reserven ermittelt und empfehlen ein konsequenteres Nutzen vorhandener Gebäude: Geschäftshäuser, alte Fabriken und Bürokomplexe böten ein enormes Potenzial für zusätzliche Wohnungen – durch Aufstockung und durch den kompletten Umbau. Ressourcen erkennen die Analysten zudem auf Parkhäusern und Discountern mit draufgesattelten Wohnungen.
Aldi, Lidl und Co. haben die Zeichen der Zeit erkannt. Sie rechnen damit, bei den gemischt genutzten Immobilien leichter und schneller eine Baugenehmigung zu er- halten. So will Aldi etwa in Berlin 2.000 Wohnungen auf firmeneigenen Grundstücken errichten. Lidl geht bei seinen Planungen noch weiter und denkt nicht nur über Wohnungen nach, sondern außerdem über Kitas, Pflegeheime, Büros und andere gewerbliche Nutzungen. In der Hamburger Holstenstraße, nicht weit von der Reeperbahn entfernt, hat der Discounter einen neuen Supermarkt mit 1.300 Quadratmetern Verkaufsfläche im Erdgeschoss eröffnet. Darüber türmen sich fünf Stockwerke mit insgesamt 300 Hotelzimmern auf.
Festzuhalten ist: Immobilien bleiben in den deutschen Metropolen also weiter ein knappes Gut. Und spekulativ aufgenommene Kredite sind alles andere als der Regelfall. Zwei Argumente, die belegen, dass die deutschen Ballungsräume immer noch weit von einer Immobilienblase entfernt zu sein scheinen.