Lange ist es her, als die bloße Frage „Wie geht es dir?“ noch eine Floskel war. Meist wurde die Frage nach dem eigenen Wohlbefinden im E-Mail-Verkehr gewohnheitsgemäß gestellt, doch nur selten beantwortet. Nach nun einem Jahr Coronapandemie ist das anders.
Das Thema Gesundheit hat heute einen komplett anderen Stellenwert – und gleich mehrere Dimensionen. Die BARMER unterscheidet in der gemeinsam mit der Universität St.Gallen durchgeführten Studie „social health@work“ zwischen dreien: der körperlichen, der psychischen und der sozialen Gesundheit. Letzteres rückt heute im Zuge der Digitalisierung und Flexibilisierung von Arbeit vermehrt in den Fokus. Im Arbeitskontext beschreibt der Begriff einen Zustand des sozialen Wohlbefindens. Personen entwickeln und nutzen Verhaltensweisen und Arbeitsbeziehungen, um das Spannungsverhältnis von Erreichbarkeit und Abgrenzung, Autonomie und Erholung erfolgreich und gesund zu gestalten. Doch wie geht es den Beschäftigten nun tatsächlich? Und was ist anders als im Sommer 2020, als die Pandemie noch eine eher neue Begleiterscheinung im Arbeitsleben der Deutschen war?
Gesünder durch digitale Kompetenz
Zuerst die gute Nachricht: Mobil arbeitende Beschäftigte mit hoher digitaler Kompetenz leiden im Schnitt wenig unter Stress und Schlafproblemen. Dies hat sich zwischen der ersten und zweiten Befragungswelle auch nur marginal verändert (-0,5 Prozent). Anders sieht es bei denjenigen aus, die eine geringere digitale Kompetenz haben. Hier steigt die Stresswahrnehmung zwischen Juli 2020 und Januar/Anfang Februar 2021 um 5,0 Prozent an. Auch Schlafprobleme treten häufiger auf (+8,9 Prozent). Es scheint also, dass eine hohe digitale Kompetenz eine entscheidende Rolle zur Erhaltung der Gesundheit von mobil Beschäftigten spielt.
Homeoffice gleich Isolation?
Digital kompetent oder nicht, das Gefühl von Isolation, Einsamkeit und Ausgrenzung ist für viele ein Symptom der Coronapandemie – und Homeoffice kann das befördern. Auch wenn Kolleginnen und Kollegen über Chatnachrichten und Videokonferenzen im Kontakt bleiben, kann sich die räumliche Distanz schnell zur sozialen Abgrenzung entwickeln. So fühlen sich 23,5 Prozent der mobil Beschäftigten isoliert, bei nicht mobil Beschäftigten sind es 19,5 Prozent. Persönliche Gespräche, gemeinsam am gleichen Ort zu arbeiten und immer auf schnelle, persönliche Unterstützung zählen zu können: Das macht eben doch einen Unterschied aus.
Im Homeoffice fühlen sich 18,3 Prozent der Befragten allein, 32,5 Prozent fehlt Gesellschaft. „Psychische Gesundheit setzt soziale Kontakte voraus – eine örtliche Trennung von Kolleginnen und Kollegen kann deshalb stark belasten“, erklärt Stephan Alexander Böhm, Professor für Diversity Management und Leadership an der Universität St.Gallen. „Besonders mobil Beschäftigte sollten sich die Zeit nehmen, untereinander auch über private Gespräche in Kontakt zu bleiben und Zusammentreffen, die sonst im Büroalltag selbstverständlich sind, digital nachzubilden.“
Führungskräfte müssen unterstützen
Wer Vollzeit arbeitet, hat meist die häufigsten sozialen Kontakte im Büro. Neben den Auswirkungen der Coronapandemie werden Beschäftigte vor allem durch das Gefühl einer potenziell reduzierten Inklusion im Team als auch von Einsamkeit beeinflusst. Die Studie zeigt: 13,8 Prozent der mobil Beschäftigten haben aktuell den Eindruck, sich an niemanden wenden zu können. 10,1 Prozent der Befragten fühlen sich gar ausgegrenzt.
Auch der Vergleich der neuen Ergebnisse mit denen aus dem vergangenen Jahr zeigt: Abgrenzung vom Team ist im Homeoffice ein großes Problem. Seit der letzten Befragungswelle im Sommer sank das Gefühl der Zugehörigkeit mobil Beschäftigter um drei Prozent. Bei denjenigen, die nicht im Homeoffice arbeiteten, zeichnet sich dagegen ein gegenteiliger Trend ab: Mitarbeitende fühlen sich zu rund 1,6 Prozent mehr im Team eingebunden als noch vor einem Dreivierteljahr. Doch wie lässt sich diese Herausforderung bewältigen? Die Zusammengehörigkeit im Team zufördern war schon immer die Aufgabe von Führungskräften. Im Büro wird ihnen diese meist abgenommen; private Gespräche finden dort zwischen Tür und Angel automatisch statt. In der digitalen Arbeitswelt können Beschäftigte jedoch Tage ohne privaten Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen verbringen.
„Virtuelle Führung ist die Herausforderung, das Kollegium auch digital zusammenzubringen und das Gefühl von Zugehörigkeit über räumliche Grenzen hinweg zu fördern“, sagt Böhm. „Führungskräfte stehen daher in der Verantwortung, Mitarbeiter im Homeoffice aktiv in die Teams einzubinden, zum Austausch zu motivieren und Vorbild für flexibles Arbeiten zu sein.“ Böhm gibt deshalb fünf Tipps, wie Führungskräfte unterstützen können.