29.01.2020    Martin Hintze
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Die Zahl der Erkrankungen steigt, Millionen Chinesen dürfen sich nicht mehr frei bewegen und auch in Deutschland wurden erste Infektionen bestätigt: Der Coronavirus mit der Bezeichnung 2019-nCov sorgt für Schlagzeilen. Inzwischen haben sich knapp 6.000 Menschen in China mit der Lungenkrankheit angesteckt. Damit ist die Zahl der Infektionen nach offiziellen Angaben höher als bei der Sars-Epidemie in den Jahren 2002 und 2003.

Für eine erfolgreiche Eindämmung des Virus ist es entscheidend, so früh wie möglich von den Risiken zu erfahren. Und dabei hatte in diesem Fall offenbar eine Künstliche Intelligenz (KI) die Nase vorn. Wie das US-Technikmagazin „Wired“ berichtet, gaben die Experten des kanadischen Seuchenwarndienstes Bluedot bereits am 31. Dezember 2019 eine entsprechende Warnung heraus. Am 6. Januar hatte die US-Behörde CDC (Center for Disease Control and Prevention) eine Meldung veröffentlicht. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnte am 9. Januar vor dem Ausbruch eines Grippe-ähnlichen Virus in der chinesischen Millionenmetropole Wuhan. Offenbar hatten sich die ersten Erkrankten beim Kontakt mit lebenden Tieren auf einem Fischmarkt angesteckt.

Bluedot, ein 2014 gegründetes Start-up mit etwa 40 Mitarbeitern, war demnach also neun Tage schneller als die WHO, die von 194 Mitgliedstaaten getragen wird und mehr als 150 Büros mit 7.000 Mitarbeitern auf der ganzen Welt betreibt. Wie kann das sein?

KI wertet Flugdaten aus

Gesundheitsbehörden wie die WHO oder das CDC müssen sich bei der Überwachung von Krankheiten auf die Auskünfte der nationalen Behörden verlassen. Gerade chinesische Beamte gelten als nicht besonders auskunftsfreudig. „Wir wissen, dass sich die Regierungen möglicherweise nicht darauf verlassen können, Informationen rechtzeitig bereitzustellen“, sagt Kamran Khan, Gründer und CEO von Bluedot gegenüber „Wired“. Mithilfe eines Algorithmus kann sein Unternehmen Nachrichten über mögliche Ausbrüche ausfindig machen, auch wenn es sich nur um kleine Hinweise über ungewöhnliche Ereignisse in Foren oder Blogs handelt. Social-Media-Posts wertet die KI dagegen nicht aus, weil sie zu „unübersichtlich“ seien.

Wichtig sind auch die Prognosen, wie sich eine Krankheit ausbreiten wird und welche Länder oder Regionen als nächstes betroffen sein könnten. Dafür greift Bluedot auf weltweite Ticketdaten von Fluggesellschaften zurück – mit Erfolg: Die Einschätzung, dass sich das Coronavirus von Wuhan zunächst nach Bangkok, Seoul, Taipeh und Tokio ausbreiten würde, war korrekt. Auch bei der Vorhersage des Zika-Ausbruchs in Südflorida lag Bluedot richtig.

Der Algorithmus ist in der Lage, Nachrichten in 65 Sprachen sowie Airline-Daten und Berichte über Tierseuchenausbrüche zu sichten. „Um die KI zu trainieren, verwenden wir natürliche Sprachverarbeitung und maschinelles Lernen. Dadurch können wir erkennen, ob es sich um einen Ausbruch von Anthrax in der Mongolei handelt, oder ob die Heavy-Metal-Band Anthrax eine Reunion feiert“, sagt Kahn.

Bevor Bluedot eine Warnung an seine Kunden – also Regierungen, Behörden oder Unternehmen – schickt, werden die Ergebnisse der KI von Experten geprüft. CEO Khan selbst ist Professor für Medizin an der Abteilung für Infektionskrankheiten der Universität von Toronto. Es ist also die Kombination aus künstlicher und menschlicher Intelligenz, die für einen Informationsvorsprung sorgt.

Analyse: Warum Deutschland dringend eine E-Health-Strategie braucht.

29.01.2020    Martin Hintze
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