HiveMQ ist ein eigenfinanziertes Start-up mit gut 30 Mitarbeitern – wie kommt man da an Kunden wie BMW oder Audi heran?
Christian Götz: Da wir in Landshut sitzen, hat die Nähe sicher geholfen. Bei Treffen vor Ort kann man sich das Vertrauen erarbeiten, dass man gemeinsam etwas bewegen kann. Aber vor allem haben wir nicht uns in den Vordergrund gestellt, sondern unsere Lösung – und damit letztendlich überzeugt: eine Technologie, die einen echten Shift im Markt bewirken kann. Die bekannten Internetprotokolle sind das Falsche, um zehn Millionen Autos zu vernetzen. Das MQTT-Protokoll, auf das wir setzen, kann das. Es ist schnell, verlässlich, hilft dabei, Kosten bei der Datenübertragung zu sparen – und vor allem ist es unterbrechungsfrei, wenn zum Beispiel ein autonomer Pkw durch Tunnel fährt. Die Technologie ist tatsächlich disruptiv, und wir sind die Experten in dem Bereich.
Wie ist aus Ihrer Sicht der Status quo in Sachen IoT hierzulande?
Götz: Die Automotive-Branche ist schon etwas weiter, aber in vielen Bereichen stehen wir noch ganz am Anfang. Wir können auf jeden Fall aufholen, vielleicht sogar überholen – der Softwareeinsatz in der Industrie ist der Schlüssel. Es geht eben nicht um die plakativen Dinge, über die Medien so gerne berichten, etwa eine vernetzte Zahnbürste. Das ist nicht der Punkt beim IoT, sondern die Frage: Was können Unternehmen tun, die über Prozesse, Geräte und auch Daten verfügen? Diese müssen endlich überall zentral erfasst und ausgewertet werden. Da schlummert riesiges Potenzial.
Und wie kann es konkret gehoben werden?
Götz: IoT heißt, Daten zu sammeln – und zwar automatisch, in Echtzeit, und sie nicht von Hand in Excel eintragen zu müssen. Die meisten Chancen liegen im Industriebereich. Dort sind viele noch gar nicht vernetzt. Nehmen wir ein Beispiel: Man hat 50 Fabriken, global verteilt. Deren Betriebsdaten liegen aber nur lokal vor. Wenn ich sie vernetze und überall nutzbar mache, kann ich die Maschinenlaufzeiten optimieren. Das kann man dann dauerhaft messen, die Produktivitätssteigerung ist also nicht nur gefühlt.
Was muss sich dafür bei den Unternehmen ändern?
Götz: Die meisten Unternehmen werden sich stärker zu Softwareherstellern entwickeln müssen. Auch die Autobauer können – flapsig gesagt – keine Blechbieger bleiben, sie müssen sich neu aufstellen, agil, flexibel, in kurzen Zyklen entwickeln, um das bestmögliche Kundenerlebnis zu erzeugen. Die Industrie muss mit Start-ups zusammenarbeiten, frisches Software- und jahrzehntelanges Ingenieurs-Know-how miteinander vereint werden. Das ist natürlich eine Herausforderung, denn in der Vergangenheit immer erfolgreich gewesen zu sein, ist natürlich Fluch und Segen zugleich. Aber nur mit der Verbindung - dem Besten aus beiden Welten - können Unternehmen künftig mithalten. Tesla hat da die Messlatte sehr hoch gelegt. Unser Ziel ist es auf jeden Fall, in allen Branchen so disruptiv zu sein wie Tesla im Automotivebereich.
Wie steht die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb da?
Götz: Ich sehe gute, vielleicht sogar sehr gute Chancen. Wir haben die nötigen Leute im IT-Bereich und in der Softwareentwicklung, hier boomen die Nachwuchszahlen. Aber wir müssen dranbleiben an den anderen globalen Playern, die teils einen Vorsprung haben. Und wir müssen mit dem richtigen Mindset an die Sache herangehen, von den Bedürfnissen des Kunden her denken, nicht vom Produkt. Wir brauchen eine Vision, wie die von Elon Musk. Da müssen wir als Industrienation hin.