Mit Jens de Buhr, Verleger des DUB UNTERNEHMER-Magazins, diskutieren
- Martin Kind, Geschäftsführer der Kind-Gruppe sowie der Hannover 96 Management AG
- Sarna Röser, Bundesvorsitzende des Verbandes DIE JUNGEN UNTERNEHMER und Mitglied der Geschäftsleitung der Röser FAM GmbH & Co. KG
- Dr. Jürgen Möhle, verantwortet in der DVAG-Gruppe das Versicherungsgeschäft im Firmenkundensegment und ist Geschäftsführer der VVS Vertriebsservice für Vermögensberatung GmbH
- Thomas Grüter, Direktionsleiter der Deutschen Vermögensberatung AG (DVAG)
- Frank Reichelt, Vermögensberater in zweiter Generation bei der Deutschen Vermögensberatung AG (DVAG) und Projektkoordinator für die INIFA - Die Initiative Fachkräfte
Unterschiedliche Auswirkungen des Lockdowns
Erfahrungen aus 50 Jahren Unternehmensgeschichte hätten dazu geführt, dass Kind auch während des Lockdowns immer gut schlief. „Für meinen Sohn war dies nicht einfach. Es war für ihn die erste große Krise und er konnte auf diese keinen Einfluss nehmen.“ Da jedoch noch exportiert werden konnte, musste die Hörgeräte-Produktion nicht vollkommen heruntergefahren werden.
Das im Raum Stuttgart ansässige Familienunternehmen von Röser litt nicht unter Einschränkungen. „Wir sind im Tiefbau tätig und die Baustellen waren von den Schließungen nicht betroffen. Dennoch haben wir gehandelt und beispielsweise unsere Verwaltung ins Homeoffice geschickt", so Röser. Dennoch nehme man sehr deutlich wahr, dass sich durch die städtischen Soforthilfen die kommunalen Kassen leerten.
Nach einer anfänglichen kurzen Schockstarre, habe man sich bei der Deutschen Vermögensberatung AG (DVAG) gefasst und frei nach dem Motto „Jetzt erst recht“ den Kunden signalisiert, dass man für sie da sei, sagt Thomas Grüter. Letztlich sei jeder in irgendeiner Form durch die Pandemie betroffen und daher fragten viele Kunden derzeit finanzielle Beratung an.
Insolvenzen nicht ausgeschlossen
Sowohl Kind als auch Röser gehen davon aus, dass nicht alle Unternehmen die Herausforderungen der Krise meistern werden. „Hilfspakete können Insolvenzen nur vorübergehend abfangen. Ich sehe eine große Überschuldungswelle auf uns zurasen", so Röser. Dies sei gerade für die als wichtiger Innovationstreiber geltende Start-up-Szene ein großes Problem. Möhle: „Es gibt Bereiche, in denen sich relativ wenig verändert hat. Doch finden sich je nach Branche Gewinner und Verlierer."
Zu den potenziell gefährdeten Sparten gehörten insbesondere der stationäre Einzelhandel wie auch die Hotellerie und Gastronomie. „Die Gastronomie und der Einzelhandel in den Innenstädten benötigen Zeit, bis wieder Normalität einkehrt," so Kind, „wir müssen hier neue Antworten für die Zukunft finden.“ Auf die Frage, ob Online-Händler wie Amazon die Händler zusätzlich angreifen, sagt Kind: „Ich kann neuen Wettbewerb mit digitaler Note erkennen. E-Commerce wird in Anspruch genommen.“ Dies hänge auch mit den Gesundheitssorgen der Menschen zusammen. Doch sei Angst nie ein guter Ratgeber. Krisen sollten als Chancen für Neuentwicklungen und Veränderungen gesehen werden. Dann habe auch der Einzelhandel eine Chance.
Nischen nutzen und Fachkräfte binden
Für die Kind-Gruppe seien digitale Player wie Google oder Amazon im Medizintechnikbereich als Mitbewerber noch nicht relevant. „Wir sind letztlich ein Nischenmarkt und haben so etwas mehr Zeit, uns auf die Konkurrenz aus dem Online-Handel vorzubereiten“, erläutert Kind. Er sei gern Unternehmer und arbeite auch gern. „Entscheiden und Gestalten macht mir Spaß. Die jungen Leuten sollten den Mut haben, die aktuellen Chancen zu erkennen und zu nutzen. Darin müssen wir sie unterstützen. Sie sollten nicht versuchen, mit den großen Playern mitzuhalten. Man muss Nischen erkennen und in diesen gut werden."
An diesem Punkt komme auch der aktuell in den Köpfen nicht mehr präsente, jedoch immer noch herrschende Fachkräftemangel ins Spiel, so Frank Reichelt. Der Fachkräftemangel sei nur aufgeschoben. Gerade die in der Krise steckenden Mittelständler blickten sorgenvoll in Richtung der großen Player, die sich mit Hochfahren ihrer Geschäfte direkt auf die Fachkräfte stürzen würden. Es könne helfen, sich schon jetzt in Personalfragen gut aufzustellen, um für das Krisenende gewappnet zu sein.
„Krisen zeigen auch Schwachstellen in bestehenden Systemen auf. Dies können Gründer gerade im Digitalbereich nutzen", meint Röser. Dies unterstützt Grüter. Er bekräftig, dass man sich bei der DVAG verstärkt auf den weiteren Ausbau der digitalen Möglichkeiten, wie beispielsweise die rechtssichere Fernunterschrift, konzentriere.
Europäische Union und Bundesliga sind zukunftsfähig
Als „radikaler Anhänger" der Europäischen Union hat Kind den Brexit sehr bedauert. Doch sei dies kein Grund, an einem geeinten Europa zu zweifeln: „Wenn wir die EU weiterentwickeln wollen, brauchen wir eine einheitliche Wirtschafts-, Steuer- und Verteidigungspolitik. Europa hat sowohl heute als auch zukünftig beste Chancen, zu bestehen.“
Die großen Möglichkeiten für die EU sieht de Buhr insbesondere im B2B-Bereich. Für Röser steht es zudem außer Frage, dass auch eine regional verankerte Firmenkultur gut zur EU passe. „Ich bin ein Fan der EU und auch eine Befürworterin der Globalisierung. Genau diese hilft uns akut dabei, einen Impfstoff gegen das Corona-Virus zu finden.“ Man benötige jetzt Ausdauer und Schwachstellen müssten angepackt werden. Dabei würden Netzwerke und ein übergreifender Austausch helfen.
Für Kind ist Aufgeben keine Option. Dies beziehe er auch auf den Fußball. „Es wird sich zeigen, wie Corona die Bundesliga verändert. Es ist wichtig, dass wieder gespielt wird. Das ist ein positives Symbol für die Gesellschaft.“ Er wolle jedoch betonen, dass, auch wenn es vielleicht auf einige anders gewirkt habe, für den Fußball in Deutschland keine Sonderregeln gelten. Die Saison lief zu einem Zeitpunkt wieder an, zu dem auch die Geschäfte wieder zu öffnen begannen. Mit der ersten weltweit spielenden, relevanten Liga habe sich auch der Blick potenzieller ausländischer Investoren nach Deutschland gewandt. Dies böte viel Potenzial, die wirtschaftlichen Strukturen der Vereine zu stärken.
Kinds Schlusswort: „Manager müssen jetzt umso mehr Vorbilder sein. Sie sind innovativ und kreativ. Daher bin ich optimistisch für die Zukunft.“