Deutsche Mittelständler aus dem Maschinenbau sind für die digitale Wirtschaft gut aufgestellt – müssen nun aber dichter heran an ihre Kunden. Davon ist Julian Feinauer überzeugt. „Wir müssen aufpassen, dass wir den Anschluss nicht verlieren“, warnt der CEO und Gründer des IoT-Spezialisten Pragmatic Industries im DUB Digital Business Talk im Rahmen des Hamburg Innovation Summit. Insbesondere im Industriebereich sei das Prozessverständnis sehr hoch, so Feinauer. Mittelständler sollten aber beginnen, bereits vorhandene Daten zu nutzen, um „die Schmerzpunkte des Kunden, seine Pain-Points, zu lindern.“ Darin liegt Potenzial, ist sich Feinauer sicher.
„Es wird immer wichtiger, seinen Kunden zu verstehen – da wird der digitale Zwilling interessant, um zu wissen: ‚Wie wird meine Maschine denn überhaupt genutzt?‘“, so Feinauer. Bei einem digitalen Zwilling handelt es sich um das virtuelle Abbild eines realen Produkts, einer Maschine oder eines Prozesses. Im Ergebnis können bewährte Geschäftsmodelle ausgeweitet oder neue aufgebaut werden.
Vom Use- zum Business-Case
Feinauer gibt ein plastisches Beispiel, wie ein Hersteller mit diesem Konzept seinen Service erweitern kann. Daten werden aus einer Maschine in Echtzeit ausgelesen und an den Verkäufer übertragen. Dieser kann zum Beispiel erkennen, ob die Maschine aktuell weniger ausgelastet ist – und dann schnell eine vorgezogene Wartung empfehlen, damit diese nicht in Spitzenlastzeiten stattfinden muss. So entsteht auch Potenzial für den höheren Absatz von Teilen.
Feinauer beobachtet, dass immer mehr kleinere und mittlere Unternehmen vom Einsatz neuer Technologien überzeugt sind. Entgegen mancher Widerstände. „Der Mittelstand ist sehr konservativ“ – zumindest sei das in seiner schwäbischen Heimat, wo auch Pragmatic Industries angesiedelt ist, der Fall. „Man tut Dinge nur, wenn man weiß, dass sie mehr Geld oder weniger Kosten bringen.“ Es geht um messbare Benefits – und hier glaubt der promovierte Mathematiker, passende Lösungen bieten zu können. So setzt er etwa zu großen Teilen auf Open-Source-Software. Das Prinzip: „Man entwickelt gemeinsam und teilt sich die Kosten.“ Ein weiterer Vorteil: „Jede Partei kümmert sich aktiv um die Sicherheit.“
Beim Daimler nicht genommen?
Wieso der einstige Theoretiker zum Gründer wurde? „Ich arbeitete vor meiner ersten Gründung in einem großen Konzern und hatte das Gefühl, in einer fürchterlich großen Maschine ein fürchterlich kleines Rad zu drehen“ – ohne Einfluss. Aktiv wurde Feinauer, als er keine Firma fand, „die so war, wie ich wollte: mit toller Technologie, die alles tut, um Arbeit und das Privatleben vereinbaren zu können“.
Baden-Württemberg wird gründungsfreundlicher, so Feinauer mit Blick auf mehr Anlaufstellen für Informationen. Das Klima verbessert sich insgesamt, früher hätten Gründer nicht selten hören müssen: „Dann hat Dich der Daimler wohl nicht genommen.“ Inzwischen kooperieren viele Mittelständler mit Start-ups oder gründen selber.
Zukunft Plattformökonomie
Die Gründerszene im Bereich Maschinenbau oder B2B schildert Feinauer als dynamisch, aber kaum sichtbar: „Das liegt auch daran, dass man das Geschäftsmodell nicht so skalieren kann wie B2C.“ Es gibt weniger Marketing, vieles funktioniert über gewachsene Kontakte und jahrelange Beziehungen. Und: „Der deutsche Ingenieur macht gute Arbeit, aber er erzählt es eben nicht den ganzen Tag.“
Die Zukunft der vernetzten Ökonomie sieht Feinauer in der Plattformwirtschaft. „Es entstehen zurzeit ganz viele Ökosysteme, die müssen irgendwann zusammenwachsen und sich austauschen“, meint er und nennt als Beispiele Produktionsplattformen mit App-Store bei VW oder Daimler. Der nächste Schritt? Plattformen zusammenführen, Schnittstellen implementieren, Standards definieren. „Verteilte Systeme müssen lernen, zusammenzuarbeiten.“ Für Anbieter mit hoher Marktmacht hält er es für möglich, dass sie ihre Gated Communities noch einige Jahre verteidigen können – „aber die Bewegung hat begonnen“.