Female Leadership

Die Geschäftswelt muss jetzt weiblicher werden

Die Gründerszene ist männlich dominiert – was auch an den Kapitalgebern liegt. Frauen sollten sich davon aber nicht abschrecken lassen. Wie die Geschäftswelt trotz Corona und Digitalisierung weiblicher werden kann.

24.09.2020

Stephanie Shirley gründete 1962 ihre Softwarefirma F. International Group – eine Exotin in der schon damals von Männern dominierten IT-Welt. Anfangs beschäftigte sie ausschließlich Frauen,
die in Heimarbeit für sie programmierten und so Familie und Beruf unter einen Hut bringen konnten. Als sie sich Anfang der 1990er-Jahre aus dem Unternehmen zurückzog, hatte sie rund ein Viertel der Anteile an ihre Mitarbeiter überschrieben. Die 1933 geborene Britin gilt als eine der erfolgreichsten Unternehmerinnen ihres Landes, als Philantrophin – und außerhalb der Insel als weitgehend unbekannt.

Doch ihre Geschichte kann Vorbild für junge Gründerinnen sein, sagt Naomi Ryland im DUB Digital Business Talk. Sie hat zusammen mit Lisa Jaspers für ihr Buch "Starting a Revolution"
genau solche Geschichten zusammengestellt: Frauen, die es anders machen und trotzdem (oder gerade deshalb) in der Geschäftswelt erfolgreich sind. Wie auch die Gründerin und Unternehmensberaterin Imke Keicher wollen sie vor allem eins: Frauen mehr Mut machen.

Gesellschaftlichen Mehrwert schaffen

Jaspers zieht ihren Elan vor allem aus den Erlebnissen der Finanzierungsrunden für ihre Gründung. Diese seien männerdominiert, weswegen Gründerinnen beim pitchen im Schnitt 40 Prozent weniger einnähmen. Dennoch hat sie ihr Unternehmen Folkdays, ein Mode- und Design-Label,  aufgebaut – und macht von Anfang an alles anders. „Ich möchte ein Unternehmen, in dem sich die Mitarbeiter wohlfühlen und gesund sind – und sie einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen“, sagt sie. Dazu sei auch ein anderer Führungsstil notwendig: Indem Jaspers auch Schwächen zeigt, gewinnt sie ihrer Überzeugung nach an Stärke.

Frauen stellen sich im Beruf häufig selbst in Frage und zweifeln an sich, beobachtet Keicher – das sogenannte Imposter-Syndrom. „Da stehen sie sich dann selbst im Weg.“ Eine Frau in Führungsposition bringt häufig das "Wir" in den Vordergrund und sieht den Erfolg nicht nur als ihren eigenen Verdienst an, weiß die Beraterin.

So werden Kinder „robot-proof“

Keicher glaubt auch, dass die Digitalisierung und Corona Wege in eine neue Arbeitswelt eröffnen, von denen Frauen profitieren können. Denn das Zusammenwachsen von Leben und Arbeit an einem Ort bringt vor allem ihnen mehr Planungsfreiheit – Raum für mehr Selbstentfaltung. „Remote ist ein Vorteil für Frauen“, sagt sie.

Ryland meint, die Digitalisierung muss Mädchen und junge Frauen nicht entmutigen – denn sie sind vor allem in Bereichen stark, die Computer und Künstliche Intelligenz eben nicht werden ausfüllen können: Soft Skills, soziale Kompetenzen.

In der Zukunft wird der Wettbewerbsfaktor der Führungskraft sein, möglichst kreativ und sozial zu sein.

Eltern rät sie, ihre Kinder in diese Richtung zu prägen, selbstverständlich auch Jungen. So werde der Nachwuchs „robot-proof“.

Firmen brauchen Purpose

Ryland, die mit tbd* eine Karriere-Plattform für Jobs mit Sinn gegründet hat, sieht im Zuge der Digitalisierung zudem New Work auf dem Vormarsch. Sie betont, dass es dabei eben nicht nur um Flexibilisierungsaspekte geht, sondern auch um bessere Feedbackprozesse und Kommunikation auf Augenhöhe: Weg von Hierarchien hin zur Selbstorganisation und Mitarbeiterbeteiligung, so wie es ihr Vorbild Shirley vorgemacht habe. „Klingt wie etwas für Hippies, führt aber zu einer produktiveren Zusammenarbeit.“

Ihre Co-Autorin Jaspers sieht, dass junge Leute sich ihre Jobs nicht mehr nach Einkommen aussuchen: „Ihnen geht es vielmehr um persönliche Entwicklung.“ Daher müssen sich Unternehmen verändern, intransparente Kultur und Hierarchiestufen abbauen, sagt sie. Und vor allem mehr Purpose aufbauen, um passende Mitarbeiter rekrutieren zu können.

Was Gründerinnen hilft

Das geschieht laut Beraterin Keicher bereits, gerade in großen Unternehmen, die nicht zuletzt durch die Corona-Krise „unter unendlichem Veränderungsdruck“ stehen. Sie berichtet von einer „Sehnsucht nach einem neuen Mindset, und neuem Verhalten, nach agilen Strukturen“. Ihrer Überzeugung nach wird in den Konzernen strukturell durch Corona „kein Stein auf dem anderem bleiben“. Für sie steht mit den alten, männlichen Rezepten der Planet auf dem Spiel, gelingen kann die Rettung mit Ansätzen wie Female Leadership: „Die Zeit ist reif dafür!“

Was kann dazu beitragen? Zum Beispiel bessere Finanzierungsmöglichkeiten für Gründerinnen, glaubt Ryland. Denn Venture Capital und staatliche Förderung legten zu viel Wert auf alte, männliche Strukturen: „Risikokapital funktioniert nicht so gut.“ Sie plädiert für bessere Rahmenstrukturen für Genossenschaften und leichteren Zugang zu Darlehen. Frauen müssten auch mehr netzwerken, findet Beraterin Keicher. Allerdings nutzten Frauen Netzwerke nicht weniger, sondern anders, ergänzt Gründerin Jaspers. Auf ihrem Weg hat ihr der Austausch mit anderen sehr geholfen. Und: Auch als Gründerin oder Führungskraft muss man den Mut zeigen, sich einen Coach zu holen, „der einem hilft, mit den eigenen Themen ins Reine zu kommen“. Dann kann es künftig auch mehr Vorbilder geben wie Stephanie Shirley.

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